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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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tüchtige Bürgerfaust, und schmiert sie mit einem
Kochlöffel auf Haberbrod; das wird der Berliner
Butter-Seele ihre Schmiegsamkeit etwas verleiden.

Ob ich die Wiener Gedichte kenne? Wie
sollte ich sie nicht kennen! Sie wohnen seit zwei
Monaten in meinem Herzen, und ich sehe und höre
sie täglich. Aber zanken muß ich mit Ihnen, daß
Sie durch solches unzeitiges Fragen mich in meiner
Druckerei stören. Ich wollte nächstens mit Ihnen
davon zu sprechen anfangen, ich wollte Sie fragen:
"Haben Sie die Spaziergänge eines Wiener
Poeten
gelesen?" und dann, trott, trott, weiter.
Jetzt muß ich erst zu vergessen suchen, daß sie Ihnen
bekannt sind. Wenn das noch einmal geschieht, wenn
Sie noch einmal durch ungerufenes Entgegenkommen
mir meine schüchterne Schriftstellerei verwirren, lasse
ich künftig Ihre eigenen Briefe statt der meinigen
drucken. Da wird sich auch wohl für Sie ein weib¬
licher Eduard finden, und dann wollen wir sehen,
wie Sie mit dieser Hamburger Megäre fertig
werden.

Der Constitutionel, seit vielen Jahren das
mächtigste Blatt der Opposition, ist jetzt in Casimir
Perriers Hände gefallen. Er hat ihn für eine halbe
Million Aktien gekauft und kann daher mit ihm ver¬
fahren, wie ihm beliebt. Sie müssen das bekannt
machen, und die andern sollen es auch weiter ver¬

tüchtige Bürgerfauſt, und ſchmiert ſie mit einem
Kochlöffel auf Haberbrod; das wird der Berliner
Butter-Seele ihre Schmiegſamkeit etwas verleiden.

Ob ich die Wiener Gedichte kenne? Wie
ſollte ich ſie nicht kennen! Sie wohnen ſeit zwei
Monaten in meinem Herzen, und ich ſehe und höre
ſie täglich. Aber zanken muß ich mit Ihnen, daß
Sie durch ſolches unzeitiges Fragen mich in meiner
Druckerei ſtören. Ich wollte nächſtens mit Ihnen
davon zu ſprechen anfangen, ich wollte Sie fragen:
„Haben Sie die Spaziergänge eines Wiener
Poeten
geleſen?“ und dann, trott, trott, weiter.
Jetzt muß ich erſt zu vergeſſen ſuchen, daß ſie Ihnen
bekannt ſind. Wenn das noch einmal geſchieht, wenn
Sie noch einmal durch ungerufenes Entgegenkommen
mir meine ſchüchterne Schriftſtellerei verwirren, laſſe
ich künftig Ihre eigenen Briefe ſtatt der meinigen
drucken. Da wird ſich auch wohl für Sie ein weib¬
licher Eduard finden, und dann wollen wir ſehen,
wie Sie mit dieſer Hamburger Megäre fertig
werden.

Der Conſtitutionel, ſeit vielen Jahren das
mächtigſte Blatt der Oppoſition, iſt jetzt in Caſimir
Perriers Hände gefallen. Er hat ihn für eine halbe
Million Aktien gekauft und kann daher mit ihm ver¬
fahren, wie ihm beliebt. Sie müſſen das bekannt
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[5/0019] tüchtige Bürgerfauſt, und ſchmiert ſie mit einem Kochlöffel auf Haberbrod; das wird der Berliner Butter-Seele ihre Schmiegſamkeit etwas verleiden. Ob ich die Wiener Gedichte kenne? Wie ſollte ich ſie nicht kennen! Sie wohnen ſeit zwei Monaten in meinem Herzen, und ich ſehe und höre ſie täglich. Aber zanken muß ich mit Ihnen, daß Sie durch ſolches unzeitiges Fragen mich in meiner Druckerei ſtören. Ich wollte nächſtens mit Ihnen davon zu ſprechen anfangen, ich wollte Sie fragen: „Haben Sie die Spaziergänge eines Wiener Poeten geleſen?“ und dann, trott, trott, weiter. Jetzt muß ich erſt zu vergeſſen ſuchen, daß ſie Ihnen bekannt ſind. Wenn das noch einmal geſchieht, wenn Sie noch einmal durch ungerufenes Entgegenkommen mir meine ſchüchterne Schriftſtellerei verwirren, laſſe ich künftig Ihre eigenen Briefe ſtatt der meinigen drucken. Da wird ſich auch wohl für Sie ein weib¬ licher Eduard finden, und dann wollen wir ſehen, wie Sie mit dieſer Hamburger Megäre fertig werden. Der Conſtitutionel, ſeit vielen Jahren das mächtigſte Blatt der Oppoſition, iſt jetzt in Caſimir Perriers Hände gefallen. Er hat ihn für eine halbe Million Aktien gekauft und kann daher mit ihm ver¬ fahren, wie ihm beliebt. Sie müſſen das bekannt machen, und die andern ſollen es auch weiter ver¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/19>, abgerufen am 18.04.2024.