Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

[Abbildung]

Und nun Staub.

Wirf Dich auf den nebelfeuchten Strand des Sees hier
nieder und häufe spielend wie ein Kind den weichen Sand.
Der naive Kinderglaube träumte keine heilige magische Materie,
aus der das erste Menschlein entsprungen sei. Er dachte an
den groben roten Lehm der Euphratniederung. Flöhe und
Mäuse gingen in seiner kindischen Naturgeschichte fröhlich aus
solchem Lehm hervor, heute wie anno dazumal. In solchen
Lehm griff auch Gottes Hand und damals wurde es -- ein
Mensch. Lehm, der sonst in der nächsten Sonnenstunde er¬
härtet, zerplatzt, zerbröckelt, als Staub vom fidelen Winde
aufgegriffen und über die Lande gejagt worden wäre. Aber
hast Du eine Ahnung, was Staub ist?

Sieh dieses kleine Plättchen hier, so klein, daß du es im
Portemonnaie tragen kannst. Ein Glasstreifchen, auf das ein
Zweites aufgeklebt ist. Halte es gegen das Licht deiner Zigarre.
Zwischen den Gläsern liegt ein Tropfen kanadischen Balsams
und in dem Balsam liebevoll eingebettet gewahrst du eine An¬
zahl winzigster Pünktchen. Ein Pröbchen Staub, klein und arm¬


[Abbildung]

Und nun Staub.

Wirf Dich auf den nebelfeuchten Strand des Sees hier
nieder und häufe ſpielend wie ein Kind den weichen Sand.
Der naive Kinderglaube träumte keine heilige magiſche Materie,
aus der das erſte Menſchlein entſprungen ſei. Er dachte an
den groben roten Lehm der Euphratniederung. Flöhe und
Mäuſe gingen in ſeiner kindiſchen Naturgeſchichte fröhlich aus
ſolchem Lehm hervor, heute wie anno dazumal. In ſolchen
Lehm griff auch Gottes Hand und damals wurde es — ein
Menſch. Lehm, der ſonſt in der nächſten Sonnenſtunde er¬
härtet, zerplatzt, zerbröckelt, als Staub vom fidelen Winde
aufgegriffen und über die Lande gejagt worden wäre. Aber
haſt Du eine Ahnung, was Staub iſt?

Sieh dieſes kleine Plättchen hier, ſo klein, daß du es im
Portemonnaie tragen kannſt. Ein Glasſtreifchen, auf das ein
Zweites aufgeklebt iſt. Halte es gegen das Licht deiner Zigarre.
Zwiſchen den Gläſern liegt ein Tropfen kanadiſchen Balſams
und in dem Balſam liebevoll eingebettet gewahrſt du eine An¬
zahl winzigſter Pünktchen. Ein Pröbchen Staub, klein und arm¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0045" n="29"/>
        <figure/>
        <p><hi rendition="#in">U</hi>nd nun Staub.</p><lb/>
        <p>Wirf Dich auf den nebelfeuchten Strand des Sees hier<lb/>
nieder und häufe &#x017F;pielend wie ein Kind den weichen Sand.<lb/>
Der naive Kinderglaube träumte keine heilige magi&#x017F;che Materie,<lb/>
aus der das er&#x017F;te Men&#x017F;chlein ent&#x017F;prungen &#x017F;ei. Er dachte an<lb/>
den groben roten Lehm der Euphratniederung. Flöhe und<lb/>
Mäu&#x017F;e gingen in &#x017F;einer kindi&#x017F;chen Naturge&#x017F;chichte fröhlich aus<lb/>
&#x017F;olchem Lehm hervor, heute wie anno dazumal. In &#x017F;olchen<lb/>
Lehm griff auch Gottes Hand und damals wurde es &#x2014; ein<lb/>
Men&#x017F;ch. Lehm, der &#x017F;on&#x017F;t in der näch&#x017F;ten Sonnen&#x017F;tunde er¬<lb/>
härtet, zerplatzt, zerbröckelt, als Staub vom fidelen Winde<lb/>
aufgegriffen und über die Lande gejagt worden wäre. Aber<lb/>
ha&#x017F;t Du eine Ahnung, was Staub i&#x017F;t?</p><lb/>
        <p>Sieh die&#x017F;es kleine Plättchen hier, &#x017F;o klein, daß du es im<lb/>
Portemonnaie tragen kann&#x017F;t. Ein Glas&#x017F;treifchen, auf das ein<lb/>
Zweites aufgeklebt i&#x017F;t. Halte es gegen das Licht deiner Zigarre.<lb/>
Zwi&#x017F;chen den Glä&#x017F;ern liegt ein Tropfen kanadi&#x017F;chen Bal&#x017F;ams<lb/>
und in dem Bal&#x017F;am liebevoll eingebettet gewahr&#x017F;t du eine An¬<lb/>
zahl winzig&#x017F;ter Pünktchen. Ein Pröbchen Staub, klein und arm¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0045] [Abbildung] Und nun Staub. Wirf Dich auf den nebelfeuchten Strand des Sees hier nieder und häufe ſpielend wie ein Kind den weichen Sand. Der naive Kinderglaube träumte keine heilige magiſche Materie, aus der das erſte Menſchlein entſprungen ſei. Er dachte an den groben roten Lehm der Euphratniederung. Flöhe und Mäuſe gingen in ſeiner kindiſchen Naturgeſchichte fröhlich aus ſolchem Lehm hervor, heute wie anno dazumal. In ſolchen Lehm griff auch Gottes Hand und damals wurde es — ein Menſch. Lehm, der ſonſt in der nächſten Sonnenſtunde er¬ härtet, zerplatzt, zerbröckelt, als Staub vom fidelen Winde aufgegriffen und über die Lande gejagt worden wäre. Aber haſt Du eine Ahnung, was Staub iſt? Sieh dieſes kleine Plättchen hier, ſo klein, daß du es im Portemonnaie tragen kannſt. Ein Glasſtreifchen, auf das ein Zweites aufgeklebt iſt. Halte es gegen das Licht deiner Zigarre. Zwiſchen den Gläſern liegt ein Tropfen kanadiſchen Balſams und in dem Balſam liebevoll eingebettet gewahrſt du eine An¬ zahl winzigſter Pünktchen. Ein Pröbchen Staub, klein und arm¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/45
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/45>, abgerufen am 23.04.2024.