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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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I. Die Schutzwaffen.


1. Der Helm.

So heiss das Streben der Waffenschmiede in Jahrhunderten auch
war, den Mitteln des Angriffes wirksame der Abwehr und umge-
kehrt entgegenzustellen, so fand dasselbe doch stets seine Grenzen in dem
technischen Vermögen, und in dem allmählichen Zunehmen des
letzteren erkennen wir die Hauptursache der so häufigen und oft
drastisch erscheinenden Formenwandlungen. Am Ausgange der an-
tiken Zeit schien es, als hätten die Angriffsmittel jene der Abwehr
weit übertroffen. Das Schwert der Germanen, Gallier etc. wurde
kräftiger im Eisen, seine Klinge länger, die Stangenwaffe stärker und
wirksamer, die Schlagwaffen wurden allgemeiner, die Fernwaffen,
Bogen, Schleuder, Wurfspiess, gelangten zu grösserer Bedeutung. All
diesen furchtbaren Angriffswerkzeugen hatte man nur höchst un-
genügende Schutzmittel entgegenzustellen: einen kleinen Helm, der
in seiner Form noch ein Vermächtnis aus der späten römischen Zeit
darstellte, ein Lederkleid, mit Plättchen oder Schuppen von Eisen,
Bronze oder Horn besetzt, und einen Schild, den ein Axthieb trennen
konnte. Die eifrige Sorge, dieses empfindliche Missverhältnis zu
beheben, findet sich nirgends klarer vor Augen gestellt, als wenn wir
die Wandlungen verfolgen, welche der Helm vom frühen Mittelalter
bis in die Neuzeit in seiner Form erfahren hat.

Die Hauptbedeckung der italischen Krieger am Beginne des
Mittelalters bestand aus einer halbkugelförmigen, aus mehreren Stücken
zusammengenieteten Haube aus Bronze oder Eisenblech, an deren
Unterrande eine flache, schmale Krempe angesetzt war. Über die
Mitte von vorn nach rückwärts verbreitete sich ein blattartiger, be-
malter Kamm, eine dunkle Erinnerung an den alten Helm aus der
Blütezeit Roms. (Fig. 1.) Es ist dies mit geringen Veränderungen
dieselbe Form, wie wir sie von der Hallstattperiode her antreffen,
somit von einem Zeitraume, der fünf Jahrhunderte vor unserer Zeit-
rechnung zu setzen ist. Weit einfacher war die kriegerische Kopf-

I. Die Schutzwaffen.


1. Der Helm.

So heiſs das Streben der Waffenschmiede in Jahrhunderten auch
war, den Mitteln des Angriffes wirksame der Abwehr und umge-
kehrt entgegenzustellen, so fand dasselbe doch stets seine Grenzen in dem
technischen Vermögen, und in dem allmählichen Zunehmen des
letzteren erkennen wir die Hauptursache der so häufigen und oft
drastisch erscheinenden Formenwandlungen. Am Ausgange der an-
tiken Zeit schien es, als hätten die Angriffsmittel jene der Abwehr
weit übertroffen. Das Schwert der Germanen, Gallier etc. wurde
kräftiger im Eisen, seine Klinge länger, die Stangenwaffe stärker und
wirksamer, die Schlagwaffen wurden allgemeiner, die Fernwaffen,
Bogen, Schleuder, Wurfspieſs, gelangten zu gröſserer Bedeutung. All
diesen furchtbaren Angriffswerkzeugen hatte man nur höchst un-
genügende Schutzmittel entgegenzustellen: einen kleinen Helm, der
in seiner Form noch ein Vermächtnis aus der späten römischen Zeit
darstellte, ein Lederkleid, mit Plättchen oder Schuppen von Eisen,
Bronze oder Horn besetzt, und einen Schild, den ein Axthieb trennen
konnte. Die eifrige Sorge, dieses empfindliche Miſsverhältnis zu
beheben, findet sich nirgends klarer vor Augen gestellt, als wenn wir
die Wandlungen verfolgen, welche der Helm vom frühen Mittelalter
bis in die Neuzeit in seiner Form erfahren hat.

Die Hauptbedeckung der italischen Krieger am Beginne des
Mittelalters bestand aus einer halbkugelförmigen, aus mehreren Stücken
zusammengenieteten Haube aus Bronze oder Eisenblech, an deren
Unterrande eine flache, schmale Krempe angesetzt war. Über die
Mitte von vorn nach rückwärts verbreitete sich ein blattartiger, be-
malter Kamm, eine dunkle Erinnerung an den alten Helm aus der
Blütezeit Roms. (Fig. 1.) Es ist dies mit geringen Veränderungen
dieselbe Form, wie wir sie von der Hallstattperiode her antreffen,
somit von einem Zeitraume, der fünf Jahrhunderte vor unserer Zeit-
rechnung zu setzen ist. Weit einfacher war die kriegerische Kopf-

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[[23]/0041] I. Die Schutzwaffen. 1. Der Helm. So heiſs das Streben der Waffenschmiede in Jahrhunderten auch war, den Mitteln des Angriffes wirksame der Abwehr und umge- kehrt entgegenzustellen, so fand dasselbe doch stets seine Grenzen in dem technischen Vermögen, und in dem allmählichen Zunehmen des letzteren erkennen wir die Hauptursache der so häufigen und oft drastisch erscheinenden Formenwandlungen. Am Ausgange der an- tiken Zeit schien es, als hätten die Angriffsmittel jene der Abwehr weit übertroffen. Das Schwert der Germanen, Gallier etc. wurde kräftiger im Eisen, seine Klinge länger, die Stangenwaffe stärker und wirksamer, die Schlagwaffen wurden allgemeiner, die Fernwaffen, Bogen, Schleuder, Wurfspieſs, gelangten zu gröſserer Bedeutung. All diesen furchtbaren Angriffswerkzeugen hatte man nur höchst un- genügende Schutzmittel entgegenzustellen: einen kleinen Helm, der in seiner Form noch ein Vermächtnis aus der späten römischen Zeit darstellte, ein Lederkleid, mit Plättchen oder Schuppen von Eisen, Bronze oder Horn besetzt, und einen Schild, den ein Axthieb trennen konnte. Die eifrige Sorge, dieses empfindliche Miſsverhältnis zu beheben, findet sich nirgends klarer vor Augen gestellt, als wenn wir die Wandlungen verfolgen, welche der Helm vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit in seiner Form erfahren hat. Die Hauptbedeckung der italischen Krieger am Beginne des Mittelalters bestand aus einer halbkugelförmigen, aus mehreren Stücken zusammengenieteten Haube aus Bronze oder Eisenblech, an deren Unterrande eine flache, schmale Krempe angesetzt war. Über die Mitte von vorn nach rückwärts verbreitete sich ein blattartiger, be- malter Kamm, eine dunkle Erinnerung an den alten Helm aus der Blütezeit Roms. (Fig. 1.) Es ist dies mit geringen Veränderungen dieselbe Form, wie wir sie von der Hallstattperiode her antreffen, somit von einem Zeitraume, der fünf Jahrhunderte vor unserer Zeit- rechnung zu setzen ist. Weit einfacher war die kriegerische Kopf-

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. [23]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/41>, abgerufen am 28.03.2024.