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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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EINLEITUNG.


Die Entwickelung des Waffenwesens
in ihren Grundzügen.

Ringsumher alles vernichtend, brachen am Beginne des 4. Jahr-
hunderts die Hunnen in Italien ein. Durch sie gedrängt und
geschoben, wälzten sich die Germanen vor ihnen her, erfüllt von er-
erbtem Hasse gegen die Römer, voll Beutegier nach deren Schätzen.
Das germanische Volk hatte in Jahrhunderten römische Kultur vor
Augen gehabt, aber tiefe Gegensätze im nationalen Wesen waren Ur-
sache, dass ihm diese in ihrem Geiste stets fremd geblieben war. Von
den Urzeiten her war der germanische Mann eine Macht für sich,
er und seine Sippe waren in seinem Sinne ein Staat; erst als die
Römer ihn bedräuten, da übermannte ihn zum erstenmale das
Gefühl seiner Schwäche, da sah er sich widerwillig veranlasst, sich
mit den Stammesgenossen zu vereinigen und einen Herrn über sich
anzuerkennen, der ihn leitete und dem er um seiner selbst willen
gehorchen musste. Im hohen Norden Europas wohnten Völker-
schaften mit einer abgeschlossenen Cultur, die, an sich nicht unbe-
deutend, doch aus Mangel an Nahrung von aussen her zu erstarren
drohte. In ihren sozialen Verhältnissen ähnlich den Germanen, bildeten
sie nur eine Zahl von Familien, deren jede sich selbst regierte.
Zu ihrem Unterhalte grösstenteils auf die Jagd nach gefährlichem
Wilde angewiesen, waren sie gewandt in der Führung ihrer einfachen
Waffen, kräftig infolge der Mühseligkeiten des Erwerbes, mutig
durch die Gewohnheit der Gefahr. So waren auch die Waffen,
welche die Germanen gegen den Konsul Papirius gebrauchten, die-
selben, welche ihnen bisher zur Jagd nach dem Ur und dem Bären
gedient hatten, nur den Schild fügten sie bei, den sie bei den
Feinden erblickten; er war aber nicht von Erz oder Eisen, sondern
von Weidengeflecht und mit ungegerbtem Felle eines Tieres über-
zogen.


Böheim, Waffenkunde. 1
EINLEITUNG.


Die Entwickelung des Waffenwesens
in ihren Grundzügen.

Ringsumher alles vernichtend, brachen am Beginne des 4. Jahr-
hunderts die Hunnen in Italien ein. Durch sie gedrängt und
geschoben, wälzten sich die Germanen vor ihnen her, erfüllt von er-
erbtem Hasse gegen die Römer, voll Beutegier nach deren Schätzen.
Das germanische Volk hatte in Jahrhunderten römische Kultur vor
Augen gehabt, aber tiefe Gegensätze im nationalen Wesen waren Ur-
sache, daſs ihm diese in ihrem Geiste stets fremd geblieben war. Von
den Urzeiten her war der germanische Mann eine Macht für sich,
er und seine Sippe waren in seinem Sinne ein Staat; erst als die
Römer ihn bedräuten, da übermannte ihn zum erstenmale das
Gefühl seiner Schwäche, da sah er sich widerwillig veranlaſst, sich
mit den Stammesgenossen zu vereinigen und einen Herrn über sich
anzuerkennen, der ihn leitete und dem er um seiner selbst willen
gehorchen muſste. Im hohen Norden Europas wohnten Völker-
schaften mit einer abgeschlossenen Cultur, die, an sich nicht unbe-
deutend, doch aus Mangel an Nahrung von auſsen her zu erstarren
drohte. In ihren sozialen Verhältnissen ähnlich den Germanen, bildeten
sie nur eine Zahl von Familien, deren jede sich selbst regierte.
Zu ihrem Unterhalte gröſstenteils auf die Jagd nach gefährlichem
Wilde angewiesen, waren sie gewandt in der Führung ihrer einfachen
Waffen, kräftig infolge der Mühseligkeiten des Erwerbes, mutig
durch die Gewohnheit der Gefahr. So waren auch die Waffen,
welche die Germanen gegen den Konsul Papirius gebrauchten, die-
selben, welche ihnen bisher zur Jagd nach dem Ur und dem Bären
gedient hatten, nur den Schild fügten sie bei, den sie bei den
Feinden erblickten; er war aber nicht von Erz oder Eisen, sondern
von Weidengeflecht und mit ungegerbtem Felle eines Tieres über-
zogen.


Böheim, Waffenkunde. 1
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[[1]/0019] EINLEITUNG. Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen. Ringsumher alles vernichtend, brachen am Beginne des 4. Jahr- hunderts die Hunnen in Italien ein. Durch sie gedrängt und geschoben, wälzten sich die Germanen vor ihnen her, erfüllt von er- erbtem Hasse gegen die Römer, voll Beutegier nach deren Schätzen. Das germanische Volk hatte in Jahrhunderten römische Kultur vor Augen gehabt, aber tiefe Gegensätze im nationalen Wesen waren Ur- sache, daſs ihm diese in ihrem Geiste stets fremd geblieben war. Von den Urzeiten her war der germanische Mann eine Macht für sich, er und seine Sippe waren in seinem Sinne ein Staat; erst als die Römer ihn bedräuten, da übermannte ihn zum erstenmale das Gefühl seiner Schwäche, da sah er sich widerwillig veranlaſst, sich mit den Stammesgenossen zu vereinigen und einen Herrn über sich anzuerkennen, der ihn leitete und dem er um seiner selbst willen gehorchen muſste. Im hohen Norden Europas wohnten Völker- schaften mit einer abgeschlossenen Cultur, die, an sich nicht unbe- deutend, doch aus Mangel an Nahrung von auſsen her zu erstarren drohte. In ihren sozialen Verhältnissen ähnlich den Germanen, bildeten sie nur eine Zahl von Familien, deren jede sich selbst regierte. Zu ihrem Unterhalte gröſstenteils auf die Jagd nach gefährlichem Wilde angewiesen, waren sie gewandt in der Führung ihrer einfachen Waffen, kräftig infolge der Mühseligkeiten des Erwerbes, mutig durch die Gewohnheit der Gefahr. So waren auch die Waffen, welche die Germanen gegen den Konsul Papirius gebrauchten, die- selben, welche ihnen bisher zur Jagd nach dem Ur und dem Bären gedient hatten, nur den Schild fügten sie bei, den sie bei den Feinden erblickten; er war aber nicht von Erz oder Eisen, sondern von Weidengeflecht und mit ungegerbtem Felle eines Tieres über- zogen. Böheim, Waffenkunde. 1

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/19>, abgerufen am 29.03.2024.