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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

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Martin Opitzens

Durch gegenwärtigen Druck kommen sie auch
nur in weniger und meistens nur solcher Leute Hän-
de, bey welchen Opitzens Verdienste ausser al-
lem Streit sind. Daneben sind sie hier ziemlich
versteckt, und fallen unter einer solchen Menge
verschiedener poetischer und critischer Schrifften
nicht so starck ins Auge. Jn der neuen Auflage
von Opitzens poetischen Wercken, die in unsrer
Stadt vorgenommen worden, hätten diese jugend-
liche Versuche desselben neben seinen reiffern und
stärckern Gedichten eine desto schlechtere Figur
gemacht. Man hat sie mit denselben nicht ver-
mengen, und doch auch nicht Ursache geben wol-
len zu klagen, daß man etwas von Opitzen hinter-
halten habe. Dieses hätten uns Leute nicht ver-
zeihen können, welche für Opitz eine so abergläu-
bige Hochachtung haben, wie einige Catholicken
für ihre Heiligen, so daß sie auch seinen Hut, seine
Feder, seinen Schreibzeug mit Gold erkauffen
würden.

Was den buhlerischen Jnnhalt derselben an-
langt, so hoffe ich, man werde ihn nur verliebt,
aber nicht zugleich schlüpferig oder unzüchtig finden.
Diejenigen, denen man vorgegeben, daß sein stärckster
Affect die Liebe zur Wollust gewesen, werden darin-
nen nichts finden, das diesen bösen Verdacht recht-
fertige, man wolle dann alle Poeten, die in dem
Affecte der äussersten Liebe geschrieben haben, der
Wollüstigkeit bezüchtigen.

Endlich düncket es mich für den Poeten ein
besonderer Ruhm, daß er den Muth gehabt, bes-
sere Gedancken zu verwerffen, als viel andere die

ihn
Martin Opitzens

Durch gegenwaͤrtigen Druck kommen ſie auch
nur in weniger und meiſtens nur ſolcher Leute Haͤn-
de, bey welchen Opitzens Verdienſte auſſer al-
lem Streit ſind. Daneben ſind ſie hier ziemlich
verſteckt, und fallen unter einer ſolchen Menge
verſchiedener poetiſcher und critiſcher Schrifften
nicht ſo ſtarck ins Auge. Jn der neuen Auflage
von Opitzens poetiſchen Wercken, die in unſrer
Stadt vorgenommen worden, haͤtten dieſe jugend-
liche Verſuche deſſelben neben ſeinen reiffern und
ſtaͤrckern Gedichten eine deſto ſchlechtere Figur
gemacht. Man hat ſie mit denſelben nicht ver-
mengen, und doch auch nicht Urſache geben wol-
len zu klagen, daß man etwas von Opitzen hinter-
halten habe. Dieſes haͤtten uns Leute nicht ver-
zeihen koͤnnen, welche fuͤr Opitz eine ſo aberglaͤu-
bige Hochachtung haben, wie einige Catholicken
fuͤr ihre Heiligen, ſo daß ſie auch ſeinen Hut, ſeine
Feder, ſeinen Schreibzeug mit Gold erkauffen
wuͤrden.

Was den buhleriſchen Jnnhalt derſelben an-
langt, ſo hoffe ich, man werde ihn nur verliebt,
aber nicht zugleich ſchluͤpferig oder unzuͤchtig finden.
Diejenigen, denen man vorgegeben, daß ſein ſtaͤrckſter
Affect die Liebe zur Wolluſt geweſen, werden darin-
nen nichts finden, das dieſen boͤſen Verdacht recht-
fertige, man wolle dann alle Poeten, die in dem
Affecte der aͤuſſerſten Liebe geſchrieben haben, der
Wolluͤſtigkeit bezuͤchtigen.

Endlich duͤncket es mich fuͤr den Poeten ein
beſonderer Ruhm, daß er den Muth gehabt, beſ-
ſere Gedancken zu verwerffen, als viel andere die

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[44/0044] Martin Opitzens Durch gegenwaͤrtigen Druck kommen ſie auch nur in weniger und meiſtens nur ſolcher Leute Haͤn- de, bey welchen Opitzens Verdienſte auſſer al- lem Streit ſind. Daneben ſind ſie hier ziemlich verſteckt, und fallen unter einer ſolchen Menge verſchiedener poetiſcher und critiſcher Schrifften nicht ſo ſtarck ins Auge. Jn der neuen Auflage von Opitzens poetiſchen Wercken, die in unſrer Stadt vorgenommen worden, haͤtten dieſe jugend- liche Verſuche deſſelben neben ſeinen reiffern und ſtaͤrckern Gedichten eine deſto ſchlechtere Figur gemacht. Man hat ſie mit denſelben nicht ver- mengen, und doch auch nicht Urſache geben wol- len zu klagen, daß man etwas von Opitzen hinter- halten habe. Dieſes haͤtten uns Leute nicht ver- zeihen koͤnnen, welche fuͤr Opitz eine ſo aberglaͤu- bige Hochachtung haben, wie einige Catholicken fuͤr ihre Heiligen, ſo daß ſie auch ſeinen Hut, ſeine Feder, ſeinen Schreibzeug mit Gold erkauffen wuͤrden. Was den buhleriſchen Jnnhalt derſelben an- langt, ſo hoffe ich, man werde ihn nur verliebt, aber nicht zugleich ſchluͤpferig oder unzuͤchtig finden. Diejenigen, denen man vorgegeben, daß ſein ſtaͤrckſter Affect die Liebe zur Wolluſt geweſen, werden darin- nen nichts finden, das dieſen boͤſen Verdacht recht- fertige, man wolle dann alle Poeten, die in dem Affecte der aͤuſſerſten Liebe geſchrieben haben, der Wolluͤſtigkeit bezuͤchtigen. Endlich duͤncket es mich fuͤr den Poeten ein beſonderer Ruhm, daß er den Muth gehabt, beſ- ſere Gedancken zu verwerffen, als viel andere die ihn

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/44>, abgerufen am 23.04.2024.