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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

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Von dem Zustande der Poesie
Nun ihr Jungfrauen all, ihr müßt uns Platz verleihen,
Weicht die ihr führt die Braut, sie muß ein andern Reyen,
Nun tröst sie noch zuletzt, gebt ihr den letzten Kuß,
Das ander das ihr laßt, der Bräutigam thun muß.
Nun geht hin Jungfrau Braut, ich will euch Bürgen geben,
Daß ihr in diesem Streit behalten solt das Leben.
Nun fürcht euch nicht so sehr, es hat hie keine Noth,
Es ist nur Schimpf und Scherz, der Streit gilt nicht zum Tod.
Nun geht hin Jungfrau Braut, legt diesen Namen nieder,
Geht nun ein Jungfrau hin, und kommt ein Mutter wieder.
Geht doch, geht Jungfrau Braut, und laßt das Sorgen seyn,
Jch hoffe, daß gewiß morgen soll besser seyn.
Seht Venus selber kommt mit ihrem Volck gegangen,
Die fliegen hin und her, und tragen groß Verlangen,
Ein jeder wünschet ihm, daß er die Ehre hätt,
Daß er die neue Braut möcht führen erst zu Bett.
Der erste führt sie fort, der ander thut sehr traben,
Und macht ins Bett ein Grab, darinn er will begraben
Die Jungfrauschafft, die nun sehr traurig sich beweist,
Und soll in kurtzer Zeit aufgeben ihren Geist.
Der dritte trägt die Kertz, der vierte will auffangen
Die Thränen, die die Braut läßt rinnen von den Wangen.
Der fünfte löset ihr den Leibes-Gürtel auf,
Weil nun die Jungfrauschafft vollbracht hat ihren Lauff.
Die schöne Venus selbst lacht über diesen Dingen,
Und wünschet ihr viel Glück, und heißt ihr Kinder singen:
Komm Hymen, Hymen komm. Sie führet selbst die Braut,
Gibt ihr den letzten Kuß, und singet überlaut:
Nun geht, ihr Kinder, geht, und schmeckt die süsse Gaben,
Die Venus und ihr Sohn euch eingeschencket haben;
Geht hin, ihr Kinder geht, und euch holdselig paart,
Mit lieblichem Geküß nach einer Dauben Art.
Geht hin, ihr zwey, und kommt wiedrum mit euer dreyen,
Geht mit einander an den schönen Liebe-Reyen,
Und bringt herfür ein Thier, das durch der Götter Gunst
Voll sey der Mutter Treu, voll sey des Vaters Kunst.
Fol-
Von dem Zuſtande der Poeſie
Nun ihr Jungfrauen all, ihr muͤßt uns Platz verleihen,
Weicht die ihr fuͤhrt die Braut, ſie muß ein andern Reyen,
Nun troͤſt ſie noch zuletzt, gebt ihr den letzten Kuß,
Das ander das ihr laßt, der Braͤutigam thun muß.
Nun geht hin Jungfrau Braut, ich will euch Buͤrgen geben,
Daß ihr in dieſem Streit behalten ſolt das Leben.
Nun fuͤrcht euch nicht ſo ſehr, es hat hie keine Noth,
Es iſt nur Schimpf und Scherz, der Streit gilt nicht zum Tod.
Nun geht hin Jungfrau Braut, legt dieſen Namen nieder,
Geht nun ein Jungfrau hin, und kommt ein Mutter wieder.
Geht doch, geht Jungfrau Braut, und laßt das Sorgen ſeyn,
Jch hoffe, daß gewiß morgen ſoll beſſer ſeyn.
Seht Venus ſelber kommt mit ihrem Volck gegangen,
Die fliegen hin und her, und tragen groß Verlangen,
Ein jeder wuͤnſchet ihm, daß er die Ehre haͤtt,
Daß er die neue Braut moͤcht fuͤhren erſt zu Bett.
Der erſte fuͤhrt ſie fort, der ander thut ſehr traben,
Und macht ins Bett ein Grab, darinn er will begraben
Die Jungfrauſchafft, die nun ſehr traurig ſich beweiſt,
Und ſoll in kurtzer Zeit aufgeben ihren Geiſt.
Der dritte traͤgt die Kertz, der vierte will auffangen
Die Thraͤnen, die die Braut laͤßt rinnen von den Wangen.
Der fuͤnfte loͤſet ihr den Leibes-Guͤrtel auf,
Weil nun die Jungfrauſchafft vollbracht hat ihren Lauff.
Die ſchoͤne Venus ſelbſt lacht uͤber dieſen Dingen,
Und wuͤnſchet ihr viel Gluͤck, und heißt ihr Kinder ſingen:
Komm Hymen, Hymen komm. Sie fuͤhret ſelbſt die Braut,
Gibt ihr den letzten Kuß, und ſinget uͤberlaut:
Nun geht, ihr Kinder, geht, und ſchmeckt die ſuͤſſe Gaben,
Die Venus und ihr Sohn euch eingeſchencket haben;
Geht hin, ihr Kinder geht, und euch holdſelig paart,
Mit lieblichem Gekuͤß nach einer Dauben Art.
Geht hin, ihr zwey, und kommt wiedrum mit euer dreyen,
Geht mit einander an den ſchoͤnen Liebe-Reyen,
Und bringt herfuͤr ein Thier, das durch der Goͤtter Gunſt
Voll ſey der Mutter Treu, voll ſey des Vaters Kunſt.
Fol-
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[34/0034] Von dem Zuſtande der Poeſie Nun ihr Jungfrauen all, ihr muͤßt uns Platz verleihen, Weicht die ihr fuͤhrt die Braut, ſie muß ein andern Reyen, Nun troͤſt ſie noch zuletzt, gebt ihr den letzten Kuß, Das ander das ihr laßt, der Braͤutigam thun muß. Nun geht hin Jungfrau Braut, ich will euch Buͤrgen geben, Daß ihr in dieſem Streit behalten ſolt das Leben. Nun fuͤrcht euch nicht ſo ſehr, es hat hie keine Noth, Es iſt nur Schimpf und Scherz, der Streit gilt nicht zum Tod. Nun geht hin Jungfrau Braut, legt dieſen Namen nieder, Geht nun ein Jungfrau hin, und kommt ein Mutter wieder. Geht doch, geht Jungfrau Braut, und laßt das Sorgen ſeyn, Jch hoffe, daß gewiß morgen ſoll beſſer ſeyn. Seht Venus ſelber kommt mit ihrem Volck gegangen, Die fliegen hin und her, und tragen groß Verlangen, Ein jeder wuͤnſchet ihm, daß er die Ehre haͤtt, Daß er die neue Braut moͤcht fuͤhren erſt zu Bett. Der erſte fuͤhrt ſie fort, der ander thut ſehr traben, Und macht ins Bett ein Grab, darinn er will begraben Die Jungfrauſchafft, die nun ſehr traurig ſich beweiſt, Und ſoll in kurtzer Zeit aufgeben ihren Geiſt. Der dritte traͤgt die Kertz, der vierte will auffangen Die Thraͤnen, die die Braut laͤßt rinnen von den Wangen. Der fuͤnfte loͤſet ihr den Leibes-Guͤrtel auf, Weil nun die Jungfrauſchafft vollbracht hat ihren Lauff. Die ſchoͤne Venus ſelbſt lacht uͤber dieſen Dingen, Und wuͤnſchet ihr viel Gluͤck, und heißt ihr Kinder ſingen: Komm Hymen, Hymen komm. Sie fuͤhret ſelbſt die Braut, Gibt ihr den letzten Kuß, und ſinget uͤberlaut: Nun geht, ihr Kinder, geht, und ſchmeckt die ſuͤſſe Gaben, Die Venus und ihr Sohn euch eingeſchencket haben; Geht hin, ihr Kinder geht, und euch holdſelig paart, Mit lieblichem Gekuͤß nach einer Dauben Art. Geht hin, ihr zwey, und kommt wiedrum mit euer dreyen, Geht mit einander an den ſchoͤnen Liebe-Reyen, Und bringt herfuͤr ein Thier, das durch der Goͤtter Gunſt Voll ſey der Mutter Treu, voll ſey des Vaters Kunſt. Fol-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/34>, abgerufen am 28.03.2024.