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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

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bey Ankunft Martin Opitzens.

Daraus man wohl sehen kan, wie gut sie
es mit ihren Göttern gemeinet. Letztlich ach-
te ich auch nicht, daß bey uns einiger Mensch
mehr gefunden wird, der nicht siehet die grosse
Blindheit, darinnen die armen Heyden ge-
steckt sind, daß sie auch ihre Sünden angebet-
tet, ihre Laster für Götter gehalten, Thiere
und Bestien in Himmel gesetzt, zu welchen un-
ter andern auch Sileni Esel, wie Aratus mel-
det, soll gelanget seyn. Wiewohl dasselbe
nicht sonderlich zu beklagen, weil ihr noch ein
ziemlich Theil auf der Erden blieben. Wel-
ches ich allein vor diejenigen setze, die mit der
Venus lieber umgehen, und sie so lieben als lo-
ben; und vor die so ohne Wissenschafft ih-
rem Urtheil folgen, wie sie dann auch urthei-
len nach ihrem Verstande. Jst demnach die-
se ausbündige Disciplin aus ihrer eigenen
Schuld von uns nicht hindan gesetzt worden.
So kan man auch keineswegs zugeben, es
sey unser Teutsches dermassen grob und hart,
daß es in diese gebundene Art zu schreiben nicht
könne füglich gebracht werden: weil noch biß
auf diese Stund im Helden-Buch und sonsten
dergleichen Gedichte und Reimen zu finden sind,
die auch viel andere Sprachen beschämen sol-
ten. Jhm sey aber doch wie ihm wolle, bin
ich die Bahn zu brechen, und durch diesen
Anfang unserer Sprache Glückseligkeit zu er-

wei-
bey Ankunft Martin Opitzens.

Daraus man wohl ſehen kan, wie gut ſie
es mit ihren Goͤttern gemeinet. Letztlich ach-
te ich auch nicht, daß bey uns einiger Menſch
mehr gefunden wird, der nicht ſiehet die groſſe
Blindheit, darinnen die armen Heyden ge-
ſteckt ſind, daß ſie auch ihre Suͤnden angebet-
tet, ihre Laſter fuͤr Goͤtter gehalten, Thiere
und Beſtien in Himmel geſetzt, zu welchen un-
ter andern auch Sileni Eſel, wie Aratus mel-
det, ſoll gelanget ſeyn. Wiewohl daſſelbe
nicht ſonderlich zu beklagen, weil ihr noch ein
ziemlich Theil auf der Erden blieben. Wel-
ches ich allein vor diejenigen ſetze, die mit der
Venus lieber umgehen, und ſie ſo lieben als lo-
ben; und vor die ſo ohne Wiſſenſchafft ih-
rem Urtheil folgen, wie ſie dann auch urthei-
len nach ihrem Verſtande. Jſt demnach die-
ſe ausbuͤndige Diſciplin aus ihrer eigenen
Schuld von uns nicht hindan geſetzt worden.
So kan man auch keineswegs zugeben, es
ſey unſer Teutſches dermaſſen grob und hart,
daß es in dieſe gebundene Art zu ſchreiben nicht
koͤnne fuͤglich gebracht werden: weil noch biß
auf dieſe Stund im Helden-Buch und ſonſten
dergleichen Gedichte und Reimen zu finden ſind,
die auch viel andere Sprachen beſchaͤmen ſol-
ten. Jhm ſey aber doch wie ihm wolle, bin
ich die Bahn zu brechen, und durch dieſen
Anfang unſerer Sprache Gluͤckſeligkeit zu er-

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[27/0027] bey Ankunft Martin Opitzens. Daraus man wohl ſehen kan, wie gut ſie es mit ihren Goͤttern gemeinet. Letztlich ach- te ich auch nicht, daß bey uns einiger Menſch mehr gefunden wird, der nicht ſiehet die groſſe Blindheit, darinnen die armen Heyden ge- ſteckt ſind, daß ſie auch ihre Suͤnden angebet- tet, ihre Laſter fuͤr Goͤtter gehalten, Thiere und Beſtien in Himmel geſetzt, zu welchen un- ter andern auch Sileni Eſel, wie Aratus mel- det, ſoll gelanget ſeyn. Wiewohl daſſelbe nicht ſonderlich zu beklagen, weil ihr noch ein ziemlich Theil auf der Erden blieben. Wel- ches ich allein vor diejenigen ſetze, die mit der Venus lieber umgehen, und ſie ſo lieben als lo- ben; und vor die ſo ohne Wiſſenſchafft ih- rem Urtheil folgen, wie ſie dann auch urthei- len nach ihrem Verſtande. Jſt demnach die- ſe ausbuͤndige Diſciplin aus ihrer eigenen Schuld von uns nicht hindan geſetzt worden. So kan man auch keineswegs zugeben, es ſey unſer Teutſches dermaſſen grob und hart, daß es in dieſe gebundene Art zu ſchreiben nicht koͤnne fuͤglich gebracht werden: weil noch biß auf dieſe Stund im Helden-Buch und ſonſten dergleichen Gedichte und Reimen zu finden ſind, die auch viel andere Sprachen beſchaͤmen ſol- ten. Jhm ſey aber doch wie ihm wolle, bin ich die Bahn zu brechen, und durch dieſen Anfang unſerer Sprache Gluͤckſeligkeit zu er- wei-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/27>, abgerufen am 24.04.2024.