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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

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Von dem Zustande der Poesie
ner zu einer Probe angeführt, was die deutsche
Sprache in der Poesie vermögte. Er urtheilet
davon, ejus esse amoenitatis, ut nos poenitere ser-
monis nostri non debeat,
er beweinet aber zugleich,
tam felicem poetandi Spiritum plane interceptum
fuisse.
Er erwähnet dieser und einiger andern
Schrifften von diesem Alter auch mit vielem Lobe
in seiner Prosodie.

"Ueber dies, sagt er, sind
"eines ungenannten Freyherrns von Wengen,
"Juncker Winsbeckens, Reimars von Zweter,
"der ein Pfältzischer von Adel, und bey Käiser
"Friedrichen dem Ersten, und Heinrichen dem
"Sechsten aufgewartet hat, Marners, auch
"eines Edelmanns, Meister Sigeherrens, und
"anderer Sachen noch vorhanden, die manchen
"stattlichen lateinischen Poeten an Erfindung und
"Zier der Rede beschämen."

Und nach diesen
Worten setzet er aus Walter von der Vogelweide,
Kaiser Philippsen geheimen Rath, einen Ort, von
dem er sagt:

"Es werde daraus leichtlich zu se-
"hen seyn, wie hoch sich selbige vornehme Män-
"ner, ungeachtet ihrer adelichen Ankunft und
"Standes, der Poeterey angemasset."

Opitz fand vornehmlich zwo Ursachen, welche
die Deutschen gehindert, daß sie die Poesie in ih-
rer Sprache zu treiben, so schändlich verabsäumet
hatten. Erstlich die Vorurtheile, von welchen sie
eingenommen waren, daß die Poesie eine eitele,
unnöthige und vergebliche Wissenschaft sey, welche
über dies mit mythologischen Grillen, heydnischem
Göttertand, verliebten Ausschweissungen angefül-
let wäre. Hernach die Beschuldigungen, daß

das

Von dem Zuſtande der Poeſie
ner zu einer Probe angefuͤhrt, was die deutſche
Sprache in der Poeſie vermoͤgte. Er urtheilet
davon, ejus eſſe amœnitatis, ut nos pœnitere ſer-
monis noſtri non debeat,
er beweinet aber zugleich,
tam felicem poetandi Spiritum plane interceptum
fuiſſe.
Er erwaͤhnet dieſer und einiger andern
Schrifften von dieſem Alter auch mit vielem Lobe
in ſeiner Proſodie.

„Ueber dies, ſagt er, ſind
„eines ungenannten Freyherrns von Wengen,
„Juncker Winsbeckens, Reimars von Zweter,
„der ein Pfaͤltziſcher von Adel, und bey Kaͤiſer
„Friedrichen dem Erſten, und Heinrichen dem
„Sechsten aufgewartet hat, Marners, auch
„eines Edelmanns, Meiſter Sigeherrens, und
„anderer Sachen noch vorhanden, die manchen
„ſtattlichen lateiniſchen Poeten an Erfindung und
„Zier der Rede beſchaͤmen.„

Und nach dieſen
Worten ſetzet er aus Walter von der Vogelweide,
Kaiſer Philippſen geheimen Rath, einen Ort, von
dem er ſagt:

„Es werde daraus leichtlich zu ſe-
„hen ſeyn, wie hoch ſich ſelbige vornehme Maͤn-
„ner, ungeachtet ihrer adelichen Ankunft und
„Standes, der Poeterey angemaſſet.„

Opitz fand vornehmlich zwo Urſachen, welche
die Deutſchen gehindert, daß ſie die Poeſie in ih-
rer Sprache zu treiben, ſo ſchaͤndlich verabſaͤumet
hatten. Erſtlich die Vorurtheile, von welchen ſie
eingenommen waren, daß die Poeſie eine eitele,
unnoͤthige und vergebliche Wiſſenſchaft ſey, welche
uͤber dies mit mythologiſchen Grillen, heydniſchem
Goͤttertand, verliebten Ausſchweiſſungen angefuͤl-
let waͤre. Hernach die Beſchuldigungen, daß

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[20/0020] Von dem Zuſtande der Poeſie ner zu einer Probe angefuͤhrt, was die deutſche Sprache in der Poeſie vermoͤgte. Er urtheilet davon, ejus eſſe amœnitatis, ut nos pœnitere ſer- monis noſtri non debeat, er beweinet aber zugleich, tam felicem poetandi Spiritum plane interceptum fuiſſe. Er erwaͤhnet dieſer und einiger andern Schrifften von dieſem Alter auch mit vielem Lobe in ſeiner Proſodie. „Ueber dies, ſagt er, ſind „eines ungenannten Freyherrns von Wengen, „Juncker Winsbeckens, Reimars von Zweter, „der ein Pfaͤltziſcher von Adel, und bey Kaͤiſer „Friedrichen dem Erſten, und Heinrichen dem „Sechsten aufgewartet hat, Marners, auch „eines Edelmanns, Meiſter Sigeherrens, und „anderer Sachen noch vorhanden, die manchen „ſtattlichen lateiniſchen Poeten an Erfindung und „Zier der Rede beſchaͤmen.„ Und nach dieſen Worten ſetzet er aus Walter von der Vogelweide, Kaiſer Philippſen geheimen Rath, einen Ort, von dem er ſagt: „Es werde daraus leichtlich zu ſe- „hen ſeyn, wie hoch ſich ſelbige vornehme Maͤn- „ner, ungeachtet ihrer adelichen Ankunft und „Standes, der Poeterey angemaſſet.„ Opitz fand vornehmlich zwo Urſachen, welche die Deutſchen gehindert, daß ſie die Poeſie in ih- rer Sprache zu treiben, ſo ſchaͤndlich verabſaͤumet hatten. Erſtlich die Vorurtheile, von welchen ſie eingenommen waren, daß die Poeſie eine eitele, unnoͤthige und vergebliche Wiſſenſchaft ſey, welche uͤber dies mit mythologiſchen Grillen, heydniſchem Goͤttertand, verliebten Ausſchweiſſungen angefuͤl- let waͤre. Hernach die Beſchuldigungen, daß das

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/20>, abgerufen am 19.04.2024.