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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

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Von den poetischen Zeiten
haten sich gegestet
vnd an ir lip gebestet
tiure unde selzene vvat
der purpur unde der phat
der zendal unde das paldekin
die varen vvunneclichen schin
ir liehten ougen reine
das golt und das gesteine
das silber und das stahelvverc
mit glanze do tal unde berg


Wir müssen die Worte wunnesam, schone un-
de fiere,
nicht vor Flickwörter halten. Sie ha-
ben ihre nöthige Bedeutung, wo sie gesetzet wor-
den, und daß sie hinter ihrem substantivo stehen,
war der damahligen Sprachverfassung nicht ent-
gegen. Wer es probieren wollte, dieses Ueber-
bleibsel in unsre Sprache zu übersetzen, würde
die Trefflichkeit der Grundsprache bald an der
Mühe erkennen, welche er haben würde, die
Begriffe eben so kurtz, so natürlich und geschickt,
ohne Mattigkeit, und ohne Niedrigkeit, zu ge-
ben. Das Metrum ist demjenigen gantz gleich,
welches der Englische Schaser noch in dem 14ten
Saeculo gebraucht hat, da uns aber verborgen ist,
wie man es gelesen, oder gesungen habe. Scha-
ser schreibt zum Ex.

It stood upon so high a rock
Higher standeth none in Spayne,
What manner stone this rock was
For it was like a lymed glaß
But
Von den poetiſchen Zeiten
haten ſich gegeſtet
vnd an ir lip gebeſtet
tiure unde ſelzene vvat
der purpur unde der phat
der zendal unde das paldekin
die varen vvunneclichen ſchin
ir liehten ougen reine
das golt und das geſteine
das ſilber und das ſtahelvverc
mit glanze do tal unde berg


Wir muͤſſen die Worte wunneſam, ſchone un-
de fiere,
nicht vor Flickwoͤrter halten. Sie ha-
ben ihre noͤthige Bedeutung, wo ſie geſetzet wor-
den, und daß ſie hinter ihrem ſubſtantivo ſtehen,
war der damahligen Sprachverfaſſung nicht ent-
gegen. Wer es probieren wollte, dieſes Ueber-
bleibſel in unſre Sprache zu uͤberſetzen, wuͤrde
die Trefflichkeit der Grundſprache bald an der
Muͤhe erkennen, welche er haben wuͤrde, die
Begriffe eben ſo kurtz, ſo natuͤrlich und geſchickt,
ohne Mattigkeit, und ohne Niedrigkeit, zu ge-
ben. Das Metrum iſt demjenigen gantz gleich,
welches der Engliſche Schaſer noch in dem 14ten
Sæculo gebraucht hat, da uns aber verborgen iſt,
wie man es geleſen, oder geſungen habe. Scha-
ſer ſchreibt zum Ex.

It ſtood upon ſo high a rock
Higher ſtandeth none in Spayne,
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For it was like a lymed glaß
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[46/0046] Von den poetiſchen Zeiten haten ſich gegeſtet vnd an ir lip gebeſtet tiure unde ſelzene vvat der purpur unde der phat der zendal unde das paldekin die varen vvunneclichen ſchin ir liehten ougen reine das golt und das geſteine das ſilber und das ſtahelvverc mit glanze do tal unde berg Wir muͤſſen die Worte wunneſam, ſchone un- de fiere, nicht vor Flickwoͤrter halten. Sie ha- ben ihre noͤthige Bedeutung, wo ſie geſetzet wor- den, und daß ſie hinter ihrem ſubſtantivo ſtehen, war der damahligen Sprachverfaſſung nicht ent- gegen. Wer es probieren wollte, dieſes Ueber- bleibſel in unſre Sprache zu uͤberſetzen, wuͤrde die Trefflichkeit der Grundſprache bald an der Muͤhe erkennen, welche er haben wuͤrde, die Begriffe eben ſo kurtz, ſo natuͤrlich und geſchickt, ohne Mattigkeit, und ohne Niedrigkeit, zu ge- ben. Das Metrum iſt demjenigen gantz gleich, welches der Engliſche Schaſer noch in dem 14ten Sæculo gebraucht hat, da uns aber verborgen iſt, wie man es geleſen, oder geſungen habe. Scha- ſer ſchreibt zum Ex. It ſtood upon ſo high a rock Higher ſtandeth none in Spayne, What manner ſtone this rock was For it was like a lymed glaß But

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/46>, abgerufen am 28.03.2024.