Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

unter dem schwäbisch. Stamme.
ren einen Anschlag im Kopf, weil er sie im Ver-
dacht hatte, daß sie ihm Partenopier, seinen
Vetter, aufgefangen hätte. Das ist es, was
wir aus diesem kleinen erretteten Stücke erler-
nen können. Wir haben schon darinnen Erfin-
dung, Sitten, und poetische Farben: Erfin-
dung in Meliurens Worte, einen von den christ-
lichen oder den saracenischen Fürsten zum Gemahl
zu erwehlen, welches einige Aehnlichkeit mit Pe-
nelopens Versprechen hat, und vielleicht mit gleich-
mässigem Zwang, Bedingung, und Umständen,
wie bey dieser begleitet gewesen; in Parteno-
piers heimlichen Abschied, und heimlicher Wie-
derkunft, welche uns einen Knotten in dem Ge-
dichte zu vermuthen giebt; in der freundlichen
Vermischung der Saracenen und der Christen,
welche etwas neues und seltsames in sich hat.
Sitten haben wir in eben dieser Vermischung,
und ferner in dem freundschaftlichen Betragen Par-
tenopiers und Gaudins, in des Kerlinger-Kö-
nigs Hasse gegen Meliuren, un Meliurens Furcht
vor demselben. Poetische Farben finden sich in
der Beschreibung der Gegenden, der Kleidungen,
der Zurüstungen, der Eintheilung des Turnieres.
Die Sprache zur Ausdrükung aller dieser Din-
ge fehlte dem Verfasser nicht, und wann wir
sie als eine fremde oder gar als eine todte Spra-
che ansehen, und die Begriffe mit den Wör-
tern verknüpfen, welche zur Zeit, als sie noch ge-
redet ward, damit verknüpfet waren, so wer-
den wir keinen schlechten Geschmack darinnen
finden. Urtheilt selbst davon:

Geli-
C 3

unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme.
ren einen Anſchlag im Kopf, weil er ſie im Ver-
dacht hatte, daß ſie ihm Partenopier, ſeinen
Vetter, aufgefangen haͤtte. Das iſt es, was
wir aus dieſem kleinen erretteten Stuͤcke erler-
nen koͤnnen. Wir haben ſchon darinnen Erfin-
dung, Sitten, und poetiſche Farben: Erfin-
dung in Meliurens Worte, einen von den chriſt-
lichen oder den ſaraceniſchen Fuͤrſten zum Gemahl
zu erwehlen, welches einige Aehnlichkeit mit Pe-
nelopens Verſprechen hat, und vielleicht mit gleich-
maͤſſigem Zwang, Bedingung, und Umſtaͤnden,
wie bey dieſer begleitet geweſen; in Parteno-
piers heimlichen Abſchied, und heimlicher Wie-
derkunft, welche uns einen Knotten in dem Ge-
dichte zu vermuthen giebt; in der freundlichen
Vermiſchung der Saracenen und der Chriſten,
welche etwas neues und ſeltſames in ſich hat.
Sitten haben wir in eben dieſer Vermiſchung,
und ferner in dem freundſchaftlichen Betragen Par-
tenopiers und Gaudins, in des Kerlinger-Koͤ-
nigs Haſſe gegen Meliuren, un Meliurens Furcht
vor demſelben. Poetiſche Farben finden ſich in
der Beſchreibung der Gegenden, der Kleidungen,
der Zuruͤſtungen, der Eintheilung des Turnieres.
Die Sprache zur Ausdruͤkung aller dieſer Din-
ge fehlte dem Verfaſſer nicht, und wann wir
ſie als eine fremde oder gar als eine todte Spra-
che anſehen, und die Begriffe mit den Woͤr-
tern verknuͤpfen, welche zur Zeit, als ſie noch ge-
redet ward, damit verknuͤpfet waren, ſo wer-
den wir keinen ſchlechten Geſchmack darinnen
finden. Urtheilt ſelbſt davon:

Geli-
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="37"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">unter dem &#x017F;chwa&#x0364;bi&#x017F;ch. Stamme.</hi></fw><lb/>
ren einen An&#x017F;chlag im Kopf, weil er &#x017F;ie im Ver-<lb/>
dacht hatte, daß &#x017F;ie ihm Partenopier, &#x017F;einen<lb/>
Vetter, aufgefangen ha&#x0364;tte. Das i&#x017F;t es, was<lb/>
wir aus die&#x017F;em kleinen erretteten Stu&#x0364;cke erler-<lb/>
nen ko&#x0364;nnen. Wir haben &#x017F;chon darinnen Erfin-<lb/>
dung, Sitten, und poeti&#x017F;che Farben: Erfin-<lb/>
dung in Meliurens Worte, einen von den chri&#x017F;t-<lb/>
lichen oder den &#x017F;araceni&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;ten zum Gemahl<lb/>
zu erwehlen, welches einige Aehnlichkeit mit Pe-<lb/>
nelopens Ver&#x017F;prechen hat, und vielleicht mit gleich-<lb/>
ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igem Zwang, Bedingung, und Um&#x017F;ta&#x0364;nden,<lb/>
wie bey die&#x017F;er begleitet gewe&#x017F;en; in Parteno-<lb/>
piers heimlichen Ab&#x017F;chied, und heimlicher Wie-<lb/>
derkunft, welche uns einen Knotten in dem Ge-<lb/>
dichte zu vermuthen giebt; in der freundlichen<lb/>
Vermi&#x017F;chung der Saracenen und der Chri&#x017F;ten,<lb/>
welche etwas neues und &#x017F;elt&#x017F;ames in &#x017F;ich hat.<lb/>
Sitten haben wir in eben die&#x017F;er Vermi&#x017F;chung,<lb/>
und ferner in dem freund&#x017F;chaftlichen Betragen Par-<lb/>
tenopiers und Gaudins, in des Kerlinger-Ko&#x0364;-<lb/>
nigs Ha&#x017F;&#x017F;e gegen Meliuren, un Meliurens Furcht<lb/>
vor dem&#x017F;elben. Poeti&#x017F;che Farben finden &#x017F;ich in<lb/>
der Be&#x017F;chreibung der Gegenden, der Kleidungen,<lb/>
der Zuru&#x0364;&#x017F;tungen, der Eintheilung des Turnieres.<lb/>
Die Sprache zur Ausdru&#x0364;kung aller die&#x017F;er Din-<lb/>
ge fehlte dem Verfa&#x017F;&#x017F;er nicht, und wann wir<lb/>
&#x017F;ie als eine fremde oder gar als eine todte Spra-<lb/>
che an&#x017F;ehen, und die Begriffe mit den Wo&#x0364;r-<lb/>
tern verknu&#x0364;pfen, welche zur Zeit, als &#x017F;ie noch ge-<lb/>
redet ward, damit verknu&#x0364;pfet waren, &#x017F;o wer-<lb/>
den wir keinen &#x017F;chlechten Ge&#x017F;chmack darinnen<lb/>
finden. Urtheilt &#x017F;elb&#x017F;t davon:</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">C 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Geli-</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0037] unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme. ren einen Anſchlag im Kopf, weil er ſie im Ver- dacht hatte, daß ſie ihm Partenopier, ſeinen Vetter, aufgefangen haͤtte. Das iſt es, was wir aus dieſem kleinen erretteten Stuͤcke erler- nen koͤnnen. Wir haben ſchon darinnen Erfin- dung, Sitten, und poetiſche Farben: Erfin- dung in Meliurens Worte, einen von den chriſt- lichen oder den ſaraceniſchen Fuͤrſten zum Gemahl zu erwehlen, welches einige Aehnlichkeit mit Pe- nelopens Verſprechen hat, und vielleicht mit gleich- maͤſſigem Zwang, Bedingung, und Umſtaͤnden, wie bey dieſer begleitet geweſen; in Parteno- piers heimlichen Abſchied, und heimlicher Wie- derkunft, welche uns einen Knotten in dem Ge- dichte zu vermuthen giebt; in der freundlichen Vermiſchung der Saracenen und der Chriſten, welche etwas neues und ſeltſames in ſich hat. Sitten haben wir in eben dieſer Vermiſchung, und ferner in dem freundſchaftlichen Betragen Par- tenopiers und Gaudins, in des Kerlinger-Koͤ- nigs Haſſe gegen Meliuren, un Meliurens Furcht vor demſelben. Poetiſche Farben finden ſich in der Beſchreibung der Gegenden, der Kleidungen, der Zuruͤſtungen, der Eintheilung des Turnieres. Die Sprache zur Ausdruͤkung aller dieſer Din- ge fehlte dem Verfaſſer nicht, und wann wir ſie als eine fremde oder gar als eine todte Spra- che anſehen, und die Begriffe mit den Woͤr- tern verknuͤpfen, welche zur Zeit, als ſie noch ge- redet ward, damit verknuͤpfet waren, ſo wer- den wir keinen ſchlechten Geſchmack darinnen finden. Urtheilt ſelbſt davon: Geli- C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/37
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/37>, abgerufen am 29.03.2024.