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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

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unter dem schwäbisch. Stamme.
türliches Geschick gewiesen, herüber gehohlet
haben. Friederich der II. war selbst ein grosser
Liebhaber der Poesie, und man hat noch auf
diesen Tag einige von seinen Gedanken, wel-
che er in der Jtalienischen Sprache ausge-
bildet hat.

Die Nachrichten von diesen deutschen Sän-
gern geben, daß sie in dem Land herum reiseten,
und hier und dar an grossen Höfen ihre poe-
tischen Erfindungen vorlasen und sangen.

Jhre Gedichte waren gemachet, daß sie er-
zehlt oder vor einer Gesellschaft gesungrn, nicht
daß sie im Cabinet durchgangen, oder in einem
Buche gelesen würden. Wenig Leute konnten
damahls lesen.

Sie dorften nicht fürchten, daß sie nicht
allerorten willkommen wären, da sie solche
beliebte Geschiklichkeit mit sich brachten. Die-
ses mußte nothwendig eine gute Würkung in
ihren Schriften haben, weil sie so den Cha-
racter der grössesten Männer, und die inner-
sten Springfedern ihrer Handlungen erlernen
konnten. Sie konnten sie in ihrem Privat-
leben kennen lernen, ihren Umgang nach sei-
ner besondern Art, und ihre Manieren sich
zu unterhalten.

Diese Gewohnheit seine Muse in dem Lan-
de herumzuführen hatte daneben den wichti-
gen Nutzen, daß sie weder Concetti noch tief-
gelahrte Verse in einer unverständlichen Spra-
che sagen durften. Sie durften wohl wun-
derbare Geschichten erzehlen, aber sie muß-

ten

unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme.
tuͤrliches Geſchick gewieſen, heruͤber gehohlet
haben. Friederich der II. war ſelbſt ein groſſer
Liebhaber der Poeſie, und man hat noch auf
dieſen Tag einige von ſeinen Gedanken, wel-
che er in der Jtalieniſchen Sprache ausge-
bildet hat.

Die Nachrichten von dieſen deutſchen Saͤn-
gern geben, daß ſie in dem Land herum reiſeten,
und hier und dar an groſſen Hoͤfen ihre poe-
tiſchen Erfindungen vorlaſen und ſangen.

Jhre Gedichte waren gemachet, daß ſie er-
zehlt oder vor einer Geſellſchaft geſungrn, nicht
daß ſie im Cabinet durchgangen, oder in einem
Buche geleſen wuͤrden. Wenig Leute konnten
damahls leſen.

Sie dorften nicht fuͤrchten, daß ſie nicht
allerorten willkommen waͤren, da ſie ſolche
beliebte Geſchiklichkeit mit ſich brachten. Die-
ſes mußte nothwendig eine gute Wuͤrkung in
ihren Schriften haben, weil ſie ſo den Cha-
racter der groͤſſeſten Maͤnner, und die inner-
ſten Springfedern ihrer Handlungen erlernen
konnten. Sie konnten ſie in ihrem Privat-
leben kennen lernen, ihren Umgang nach ſei-
ner beſondern Art, und ihre Manieren ſich
zu unterhalten.

Dieſe Gewohnheit ſeine Muſe in dem Lan-
de herumzufuͤhren hatte daneben den wichti-
gen Nutzen, daß ſie weder Concetti noch tief-
gelahrte Verſe in einer unverſtaͤndlichen Spra-
che ſagen durften. Sie durften wohl wun-
derbare Geſchichten erzehlen, aber ſie muß-

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[31/0031] unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme. tuͤrliches Geſchick gewieſen, heruͤber gehohlet haben. Friederich der II. war ſelbſt ein groſſer Liebhaber der Poeſie, und man hat noch auf dieſen Tag einige von ſeinen Gedanken, wel- che er in der Jtalieniſchen Sprache ausge- bildet hat. Die Nachrichten von dieſen deutſchen Saͤn- gern geben, daß ſie in dem Land herum reiſeten, und hier und dar an groſſen Hoͤfen ihre poe- tiſchen Erfindungen vorlaſen und ſangen. Jhre Gedichte waren gemachet, daß ſie er- zehlt oder vor einer Geſellſchaft geſungrn, nicht daß ſie im Cabinet durchgangen, oder in einem Buche geleſen wuͤrden. Wenig Leute konnten damahls leſen. Sie dorften nicht fuͤrchten, daß ſie nicht allerorten willkommen waͤren, da ſie ſolche beliebte Geſchiklichkeit mit ſich brachten. Die- ſes mußte nothwendig eine gute Wuͤrkung in ihren Schriften haben, weil ſie ſo den Cha- racter der groͤſſeſten Maͤnner, und die inner- ſten Springfedern ihrer Handlungen erlernen konnten. Sie konnten ſie in ihrem Privat- leben kennen lernen, ihren Umgang nach ſei- ner beſondern Art, und ihre Manieren ſich zu unterhalten. Dieſe Gewohnheit ſeine Muſe in dem Lan- de herumzufuͤhren hatte daneben den wichti- gen Nutzen, daß ſie weder Concetti noch tief- gelahrte Verſe in einer unverſtaͤndlichen Spra- che ſagen durften. Sie durften wohl wun- derbare Geſchichten erzehlen, aber ſie muß- ten

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/31>, abgerufen am 28.03.2024.