Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Mauvillons Brief
sten. Bey einigen von den grössesten ist es eine
recht einträgliche Bedienung, der föderste Hof-
narre, wie im türckischen Serraglio das Haupt
der Verschnittenen zu seyn. Die Freyherrn und
die blossen Edelleute in diesem Lande haben ins-
gemeine einen Lakey, der bey ihnen die Stelle
eines Hofnarren vertritt, wiewohl er eben die-
sen Titel nicht führt; denn die herrschenden Für-
sten behalten das Recht vor sich, Patenten für
einen Hofnarren zu ertheilen.

Auf was vor hohe Gedancken können Leute
von diesem Schrote, die nicht wissen, was den-
ken ist, die in den Tag hinein plaudern, und
mit lauter Salbadereyen angestochen kommen,
vornehme Herren führen? Werden sie diesel-
ben lehren, wie man gerecht, großmüthig, mil-
de, nüchtern, sittsam, seyn soll? Ach nein. Sie
wissen von diesen Eigenschaften allzu wenig, als
daß sie sich eine Ehre darinnen suchen sollten, je-
manden dazu anzuführen.

Ein geistreicher Mann ist in Deutschland ein
Mensch, der zu einem Hofnarren gebohren ist;
und ein Hofnarre ist ein Thier, das mehr Stock-
schläge kriegt, als ein Hund, den man zu klei-
nen Künsten abrichten will. Das ist izo die Nei-
gung der deutschen Herren, sie brauchen den
Stock gerne, und man muß bekennen, daß sie
geschickt damit umzugehen wissen. - - -
- - - - - - - - -
Hiervon nimmt nun der Verfasser Anlaß, mit etlichen E-
rempeln zu beweisen, daß die deutschen Fürsten eine rechte
Freude daran haben, die Leute bis auf den Tod zu prügeln.

Jhr

Mauvillons Brief
ſten. Bey einigen von den groͤſſeſten iſt es eine
recht eintraͤgliche Bedienung, der foͤderſte Hof-
narre, wie im tuͤrckiſchen Serraglio das Haupt
der Verſchnittenen zu ſeyn. Die Freyherrn und
die bloſſen Edelleute in dieſem Lande haben ins-
gemeine einen Lakey, der bey ihnen die Stelle
eines Hofnarren vertritt, wiewohl er eben die-
ſen Titel nicht fuͤhrt; denn die herrſchenden Fuͤr-
ſten behalten das Recht vor ſich, Patenten fuͤr
einen Hofnarren zu ertheilen.

Auf was vor hohe Gedancken koͤnnen Leute
von dieſem Schrote, die nicht wiſſen, was den-
ken iſt, die in den Tag hinein plaudern, und
mit lauter Salbadereyen angeſtochen kommen,
vornehme Herren fuͤhren? Werden ſie dieſel-
ben lehren, wie man gerecht, großmuͤthig, mil-
de, nuͤchtern, ſittſam, ſeyn ſoll? Ach nein. Sie
wiſſen von dieſen Eigenſchaften allzu wenig, als
daß ſie ſich eine Ehre darinnen ſuchen ſollten, je-
manden dazu anzufuͤhren.

Ein geiſtreicher Mann iſt in Deutſchland ein
Menſch, der zu einem Hofnarren gebohren iſt;
und ein Hofnarre iſt ein Thier, das mehr Stock-
ſchlaͤge kriegt, als ein Hund, den man zu klei-
nen Kuͤnſten abrichten will. Das iſt izo die Nei-
gung der deutſchen Herren, ſie brauchen den
Stock gerne, und man muß bekennen, daß ſie
geſchickt damit umzugehen wiſſen. ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Hiervon nimmt nun der Verfaſſer Anlaß, mit etlichen E-
rempeln zu beweiſen, daß die deutſchen Fuͤrſten eine rechte
Freude daran haben, die Leute bis auf den Tod zu pruͤgeln.

Jhr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0042" n="42"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mauvillons Brief</hi></fw><lb/>
&#x017F;ten. Bey einigen von den gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten i&#x017F;t es eine<lb/>
recht eintra&#x0364;gliche Bedienung, der fo&#x0364;der&#x017F;te Hof-<lb/>
narre, wie im tu&#x0364;rcki&#x017F;chen Serraglio das Haupt<lb/>
der Ver&#x017F;chnittenen zu &#x017F;eyn. Die Freyherrn und<lb/>
die blo&#x017F;&#x017F;en Edelleute in die&#x017F;em Lande haben ins-<lb/>
gemeine einen Lakey, der bey ihnen die Stelle<lb/>
eines Hofnarren vertritt, wiewohl er eben die-<lb/>
&#x017F;en Titel nicht fu&#x0364;hrt; denn die herr&#x017F;chenden Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten behalten das Recht vor &#x017F;ich, Patenten fu&#x0364;r<lb/>
einen Hofnarren zu ertheilen.</p><lb/>
          <p>Auf was vor hohe Gedancken ko&#x0364;nnen Leute<lb/>
von die&#x017F;em Schrote, die nicht wi&#x017F;&#x017F;en, was den-<lb/>
ken i&#x017F;t, die in den Tag hinein plaudern, und<lb/>
mit lauter Salbadereyen ange&#x017F;tochen kommen,<lb/>
vornehme Herren fu&#x0364;hren? Werden &#x017F;ie die&#x017F;el-<lb/>
ben lehren, wie man gerecht, großmu&#x0364;thig, mil-<lb/>
de, nu&#x0364;chtern, &#x017F;itt&#x017F;am, &#x017F;eyn &#x017F;oll? Ach nein. Sie<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en von die&#x017F;en Eigen&#x017F;chaften allzu wenig, als<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich eine Ehre darinnen &#x017F;uchen &#x017F;ollten, je-<lb/>
manden dazu anzufu&#x0364;hren.</p><lb/>
          <p>Ein gei&#x017F;treicher Mann i&#x017F;t in Deut&#x017F;chland ein<lb/>
Men&#x017F;ch, der zu einem Hofnarren gebohren i&#x017F;t;<lb/>
und ein Hofnarre i&#x017F;t ein Thier, das mehr Stock-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ge kriegt, als ein Hund, den man zu klei-<lb/>
nen Ku&#x0364;n&#x017F;ten abrichten will. Das i&#x017F;t izo die Nei-<lb/>
gung der deut&#x017F;chen Herren, &#x017F;ie brauchen den<lb/>
Stock gerne, und man muß bekennen, daß &#x017F;ie<lb/>
ge&#x017F;chickt damit umzugehen wi&#x017F;&#x017F;en. &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/>
&#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/><hi rendition="#et">Hiervon nimmt nun der Verfa&#x017F;&#x017F;er Anlaß, mit etlichen E-<lb/>
rempeln zu bewei&#x017F;en, daß die deut&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;ten eine rechte<lb/>
Freude daran haben, die Leute bis auf den Tod zu pru&#x0364;geln.</hi></p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Jhr</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0042] Mauvillons Brief ſten. Bey einigen von den groͤſſeſten iſt es eine recht eintraͤgliche Bedienung, der foͤderſte Hof- narre, wie im tuͤrckiſchen Serraglio das Haupt der Verſchnittenen zu ſeyn. Die Freyherrn und die bloſſen Edelleute in dieſem Lande haben ins- gemeine einen Lakey, der bey ihnen die Stelle eines Hofnarren vertritt, wiewohl er eben die- ſen Titel nicht fuͤhrt; denn die herrſchenden Fuͤr- ſten behalten das Recht vor ſich, Patenten fuͤr einen Hofnarren zu ertheilen. Auf was vor hohe Gedancken koͤnnen Leute von dieſem Schrote, die nicht wiſſen, was den- ken iſt, die in den Tag hinein plaudern, und mit lauter Salbadereyen angeſtochen kommen, vornehme Herren fuͤhren? Werden ſie dieſel- ben lehren, wie man gerecht, großmuͤthig, mil- de, nuͤchtern, ſittſam, ſeyn ſoll? Ach nein. Sie wiſſen von dieſen Eigenſchaften allzu wenig, als daß ſie ſich eine Ehre darinnen ſuchen ſollten, je- manden dazu anzufuͤhren. Ein geiſtreicher Mann iſt in Deutſchland ein Menſch, der zu einem Hofnarren gebohren iſt; und ein Hofnarre iſt ein Thier, das mehr Stock- ſchlaͤge kriegt, als ein Hund, den man zu klei- nen Kuͤnſten abrichten will. Das iſt izo die Nei- gung der deutſchen Herren, ſie brauchen den Stock gerne, und man muß bekennen, daß ſie geſchickt damit umzugehen wiſſen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Hiervon nimmt nun der Verfaſſer Anlaß, mit etlichen E- rempeln zu beweiſen, daß die deutſchen Fuͤrſten eine rechte Freude daran haben, die Leute bis auf den Tod zu pruͤgeln. Jhr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/42
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/42>, abgerufen am 25.04.2024.