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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

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von den deutschen Poeten.
jenigen unter ihnen, welche Geist haben, densel-
ben verabsäumen, und gemeiniglich verderben,
indem sie sich auf eitele Wissenschaften von elen-

dem
ter des deutschen Witzes, womit sie auf den Vorzug in ei-
nigen Theilen der Gelehrsamkeit, und auf die Fähigkeit,
witzig und geistreich zu werden, trotzen; z. Ex. wenn es in
dem Schreiben an den Verfasser der Beyträge Hrn. Gott-
sched, in dem XXIII. Stücke Bl. 518. heißt:
Dieß hat den deutschen Witz gedämpfet, nicht erstickt.
Desgleichen:
- - - - - - - Zum Baue größrer Wercke
Fehlt oft die Kühnheit nur, und nicht des Geistes Stärcke.
Ferner Bl. 520.
Sprich, ist der Erde drum ein Baum zur Last erzeuget,
Der noch die Aeste nicht voll reifer Früchte beuget:
Und wiederum Bl. 521.
Wenn mein Lied schallen wird; singst du vielleicht nicht
mehr.
Jn demselben Tone läßt sich der deutsche Lustigmacher Hr.
Schwabe in der Vorrede zu seinen Belustigungen Bl. 6.
vernehmen: "Jhr Vorzug ist, daß sie einige Jahre frü-
"her auf die Ausbreitung der schönen Wissenschaften ge-
"dacht haben, als wir; aber auch NB. einige Jahre frü-
"her, als wir, derselben Verfall sehen werden." Eine
Weissagung, die sich ohne Zweifel auf eine geheime Abrede
der deutschen Nation gründet, daß sie erst dann wolle an-
fangen witzig werden, wenn die Franzosen den guten Ge-
schmack verlieren. Und auf der 10ten Seite sagt eben die-
ser Vorredner: "Wären wir so zeitig, als andere, auf
"die Ausbreitung der schönen Wissenschaften in unsrer
"Muttersprache gerathen: So würden vielleicht diejenigen
"izo von uns lernen müssen, welche wir uns zu Mustern
"bey Beförderung der freyen Künste vorstellen." Man
giebt gerne zu, daß die Deutschen Geist und Witz haben,
und
C 2

von den deutſchen Poeten.
jenigen unter ihnen, welche Geiſt haben, denſel-
ben verabſaͤumen, und gemeiniglich verderben,
indem ſie ſich auf eitele Wiſſenſchaften von elen-

dem
ter des deutſchen Witzes, womit ſie auf den Vorzug in ei-
nigen Theilen der Gelehrſamkeit, und auf die Faͤhigkeit,
witzig und geiſtreich zu werden, trotzen; z. Ex. wenn es in
dem Schreiben an den Verfaſſer der Beytraͤge Hrn. Gott-
ſched, in dem XXIII. Stuͤcke Bl. 518. heißt:
Dieß hat den deutſchen Witz gedaͤmpfet, nicht erſtickt.
Desgleichen:
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Zum Baue groͤßrer Wercke
Fehlt oft die Kuͤhnheit nur, und nicht des Geiſtes Staͤrcke.
Ferner Bl. 520.
Sprich, iſt der Erde drum ein Baum zur Laſt erzeuget,
Der noch die Aeſte nicht voll reifer Fruͤchte beuget:
Und wiederum Bl. 521.
Wenn mein Lied ſchallen wird; ſingſt du vielleicht nicht
mehr.
Jn demſelben Tone laͤßt ſich der deutſche Luſtigmacher Hr.
Schwabe in der Vorrede zu ſeinen Beluſtigungen Bl. 6.
vernehmen: „Jhr Vorzug iſt, daß ſie einige Jahre fruͤ-
„her auf die Ausbreitung der ſchoͤnen Wiſſenſchaften ge-
„dacht haben, als wir; aber auch NB. einige Jahre fruͤ-
„her, als wir, derſelben Verfall ſehen werden.„ Eine
Weiſſagung, die ſich ohne Zweifel auf eine geheime Abrede
der deutſchen Nation gruͤndet, daß ſie erſt dann wolle an-
fangen witzig werden, wenn die Franzoſen den guten Ge-
ſchmack verlieren. Und auf der 10ten Seite ſagt eben die-
ſer Vorredner: „Waͤren wir ſo zeitig, als andere, auf
„die Ausbreitung der ſchoͤnen Wiſſenſchaften in unſrer
„Mutterſprache gerathen: So wuͤrden vielleicht diejenigen
„izo von uns lernen muͤſſen, welche wir uns zu Muſtern
„bey Befoͤrderung der freyen Kuͤnſte vorſtellen.„ Man
giebt gerne zu, daß die Deutſchen Geiſt und Witz haben,
und
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[35/0035] von den deutſchen Poeten. jenigen unter ihnen, welche Geiſt haben, denſel- ben verabſaͤumen, und gemeiniglich verderben, indem ſie ſich auf eitele Wiſſenſchaften von elen- dem ter des deutſchen Witzes, womit ſie auf den Vorzug in ei- nigen Theilen der Gelehrſamkeit, und auf die Faͤhigkeit, witzig und geiſtreich zu werden, trotzen; z. Ex. wenn es in dem Schreiben an den Verfaſſer der Beytraͤge Hrn. Gott- ſched, in dem XXIII. Stuͤcke Bl. 518. heißt: Dieß hat den deutſchen Witz gedaͤmpfet, nicht erſtickt. Desgleichen: ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Zum Baue groͤßrer Wercke Fehlt oft die Kuͤhnheit nur, und nicht des Geiſtes Staͤrcke. Ferner Bl. 520. Sprich, iſt der Erde drum ein Baum zur Laſt erzeuget, Der noch die Aeſte nicht voll reifer Fruͤchte beuget: Und wiederum Bl. 521. Wenn mein Lied ſchallen wird; ſingſt du vielleicht nicht mehr. Jn demſelben Tone laͤßt ſich der deutſche Luſtigmacher Hr. Schwabe in der Vorrede zu ſeinen Beluſtigungen Bl. 6. vernehmen: „Jhr Vorzug iſt, daß ſie einige Jahre fruͤ- „her auf die Ausbreitung der ſchoͤnen Wiſſenſchaften ge- „dacht haben, als wir; aber auch NB. einige Jahre fruͤ- „her, als wir, derſelben Verfall ſehen werden.„ Eine Weiſſagung, die ſich ohne Zweifel auf eine geheime Abrede der deutſchen Nation gruͤndet, daß ſie erſt dann wolle an- fangen witzig werden, wenn die Franzoſen den guten Ge- ſchmack verlieren. Und auf der 10ten Seite ſagt eben die- ſer Vorredner: „Waͤren wir ſo zeitig, als andere, auf „die Ausbreitung der ſchoͤnen Wiſſenſchaften in unſrer „Mutterſprache gerathen: So wuͤrden vielleicht diejenigen „izo von uns lernen muͤſſen, welche wir uns zu Muſtern „bey Befoͤrderung der freyen Kuͤnſte vorſtellen.„ Man giebt gerne zu, daß die Deutſchen Geiſt und Witz haben, und C 2

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/35>, abgerufen am 29.03.2024.