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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

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Mauvillons Brief
chen. Jch will glauben, daß sie selbige reicher
machen werden, aber ich zweifle sehr, daß sie
ihre Natur ändern werder, die darinnen besteht,
daß sie rauh und barbarisch ist. Sonst fraget es
sich, mit was vor Recht diese Herrn ihre Aus-
sprüche vor Gesetze aufdringen wollen. Wer hat
sie zu Richtern über die deutsche Sprache gesetzet?
Niemand als sie selber. Auf was vor einen
Grund verlangen sie, daß man es auf ihre Ent-
scheidung ankommen lasse? Vielleicht wegen ih-
rer Geschicklichkeit, und weil sie uns sagen, daß
man in Sachsen besser (f) Deutsch redet, als
an andern Orten des deutschen Reiches? Aber

die
gefangen, schreiben in der Vorrede von der Absicht ihrer
Bemühungen, wie folget: "Sie schmeicheln sich nicht,
"daß sie dadurch die Ueberbleibsele des altfranckischen Ge-
"schmacks gäntzlich und auf einmahl ausrotten werden:
"Sie wollen nur nach dem Maasse ihres Vermögens auch
"etwas dazu beytragen. - - - - Man wird das
"allmählige Wachsthum der deutschen Sprache, den Fleiß
"unsrer Landesleute dieselbe zu bessern, die Vollkom-
"menheit, so sie schon erlanget, die Fehler, so einige von
"ihnen begangen, und die Mittel, selbige zu vermeiden,
"als in einem kurtzen Begriff beysammen antreffen."
(f) Critische Beyträge. Stück XV. Act. VII. Bl. 423.
Wenn alle Provinzen in Deutschland so buchstabieren sollen,
wie sie aussprechen, so wird die Anzahl der Rechtschrei-
bung unzählig seyn. Ein Meißner z. E. wird ein P. schrei-
ben, wo der Schlesier ein B. setzet; Ein Schwabe wird
ein J. setzen, wo der Obersachse ein ä. setzet; Ein Thu-
ringer wird ein O. schreiben, wo der Schlester ein A. schrei-
bet. Doch was braucht es mehr, als daß man im gemei-
nen Leben nur auf die verschiedenen Mundarten acht gebe?
Da

Mauvillons Brief
chen. Jch will glauben, daß ſie ſelbige reicher
machen werden, aber ich zweifle ſehr, daß ſie
ihre Natur aͤndern werder, die darinnen beſteht,
daß ſie rauh und barbariſch iſt. Sonſt fraget es
ſich, mit was vor Recht dieſe Herrn ihre Aus-
ſpruͤche vor Geſetze aufdringen wollen. Wer hat
ſie zu Richtern uͤber die deutſche Sprache geſetzet?
Niemand als ſie ſelber. Auf was vor einen
Grund verlangen ſie, daß man es auf ihre Ent-
ſcheidung ankommen laſſe? Vielleicht wegen ih-
rer Geſchicklichkeit, und weil ſie uns ſagen, daß
man in Sachſen beſſer (f) Deutſch redet, als
an andern Orten des deutſchen Reiches? Aber

die
gefangen, ſchreiben in der Vorrede von der Abſicht ihrer
Bemuͤhungen, wie folget: „Sie ſchmeicheln ſich nicht,
„daß ſie dadurch die Ueberbleibſele des altfranckiſchen Ge-
„ſchmacks gaͤntzlich und auf einmahl ausrotten werden:
„Sie wollen nur nach dem Maaſſe ihres Vermoͤgens auch
„etwas dazu beytragen. ‒ ‒ ‒ ‒ Man wird das
„allmaͤhlige Wachsthum der deutſchen Sprache, den Fleiß
„unſrer Landesleute dieſelbe zu beſſern, die Vollkom-
„menheit, ſo ſie ſchon erlanget, die Fehler, ſo einige von
„ihnen begangen, und die Mittel, ſelbige zu vermeiden,
„als in einem kurtzen Begriff beyſammen antreffen.„
(f) Critiſche Beytraͤge. Stuͤck XV. Act. VII. Bl. 423.
Wenn alle Provinzen in Deutſchland ſo buchſtabieren ſollen,
wie ſie ausſprechen, ſo wird die Anzahl der Rechtſchrei-
bung unzaͤhlig ſeyn. Ein Meißner z. E. wird ein P. ſchrei-
ben, wo der Schleſier ein B. ſetzet; Ein Schwabe wird
ein J. ſetzen, wo der Oberſachſe ein aͤ. ſetzet; Ein Thu-
ringer wird ein O. ſchreiben, wo der Schleſter ein A. ſchrei-
bet. Doch was braucht es mehr, als daß man im gemei-
nen Leben nur auf die verſchiedenen Mundarten acht gebe?
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[10/0010] Mauvillons Brief chen. Jch will glauben, daß ſie ſelbige reicher machen werden, aber ich zweifle ſehr, daß ſie ihre Natur aͤndern werder, die darinnen beſteht, daß ſie rauh und barbariſch iſt. Sonſt fraget es ſich, mit was vor Recht dieſe Herrn ihre Aus- ſpruͤche vor Geſetze aufdringen wollen. Wer hat ſie zu Richtern uͤber die deutſche Sprache geſetzet? Niemand als ſie ſelber. Auf was vor einen Grund verlangen ſie, daß man es auf ihre Ent- ſcheidung ankommen laſſe? Vielleicht wegen ih- rer Geſchicklichkeit, und weil ſie uns ſagen, daß man in Sachſen beſſer (f) Deutſch redet, als an andern Orten des deutſchen Reiches? Aber die (f) Critiſche Beytraͤge. Stuͤck XV. Act. VII. Bl. 423. Wenn alle Provinzen in Deutſchland ſo buchſtabieren ſollen, wie ſie ausſprechen, ſo wird die Anzahl der Rechtſchrei- bung unzaͤhlig ſeyn. Ein Meißner z. E. wird ein P. ſchrei- ben, wo der Schleſier ein B. ſetzet; Ein Schwabe wird ein J. ſetzen, wo der Oberſachſe ein aͤ. ſetzet; Ein Thu- ringer wird ein O. ſchreiben, wo der Schleſter ein A. ſchrei- bet. Doch was braucht es mehr, als daß man im gemei- nen Leben nur auf die verſchiedenen Mundarten acht gebe? Da gefangen, ſchreiben in der Vorrede von der Abſicht ihrer Bemuͤhungen, wie folget: „Sie ſchmeicheln ſich nicht, „daß ſie dadurch die Ueberbleibſele des altfranckiſchen Ge- „ſchmacks gaͤntzlich und auf einmahl ausrotten werden: „Sie wollen nur nach dem Maaſſe ihres Vermoͤgens auch „etwas dazu beytragen. ‒ ‒ ‒ ‒ Man wird das „allmaͤhlige Wachsthum der deutſchen Sprache, den Fleiß „unſrer Landesleute dieſelbe zu beſſern, die Vollkom- „menheit, ſo ſie ſchon erlanget, die Fehler, ſo einige von „ihnen begangen, und die Mittel, ſelbige zu vermeiden, „als in einem kurtzen Begriff beyſammen antreffen.„

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/10>, abgerufen am 28.03.2024.