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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742.

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des deutschen Witzes.
eine recht ernsthafte richterliche Antung an die fre-
chen Schweitzer ergehen zu lassen. Er bestrafte
die neue critische Dichtkunst in Vergleichung mit
der Seinigen nicht allein einer Unform und Miß-
gestalt, und prophezeyhte derselben in Deutschland
einen schlechten Fortgang mit nicht geringerer Zu-
versicht, als einer der das Geschick derselben ledig-
lich in seiner Gewalt hätte; sondern er verfassete
auch einen besondern Artikel über Hrn. Prof. Bod-
mers
Vertheidigung des miltonischen Gedichtes,
in welchem er als der Vormund der gantzen deut-
schen Nation mit seiner gewohnten sächsischen Höf-
lichkeit links und rechts um sich schmieß, und sich
recht förchterlich machte. Die Vertheidigung des
verlohrnen Paradieses selbst läßt er unberührt,
einestheils weil das blosse Vorhaben etwas zu
vertheidigen, das ihm und in seiner Person der
gantzen deutschen Nation zu mißfallen das Unglük
hat, schon eine solche Verwegenheit ist, die sich
selbst lächerlich machet und ihre Widerlegung mit
sich führet; anderntheils weil die Vorrede ihm
Materie vollauf gab, seinen richterlichen Amtsei-
fer gegen diesen aufrührischen Schweitzer auszu-
üben, der sich erfrechet zu zweifeln, ob die deut-
sche Nation berechtiget sey, in Verwerffung des
miltonischen Gedichtes ihrem eigenen Kopf und Ge-
schmacke zu folgen. Einen Milton und Addisson
weiß er mit der feinesten Höflichkeit als die zween
ärmsten Stümper auszuhöhnen, und die gantze
engländische Nation als grundeinfältige Schepsen,
denen man weis machen kan, was man will, ab-
zuschildern: Hrn. Prof. Bodmer aber belänget

er

des deutſchen Witzes.
eine recht ernſthafte richterliche Antung an die fre-
chen Schweitzer ergehen zu laſſen. Er beſtrafte
die neue critiſche Dichtkunſt in Vergleichung mit
der Seinigen nicht allein einer Unform und Miß-
geſtalt, und prophezeyhte derſelben in Deutſchland
einen ſchlechten Fortgang mit nicht geringerer Zu-
verſicht, als einer der das Geſchick derſelben ledig-
lich in ſeiner Gewalt haͤtte; ſondern er verfaſſete
auch einen beſondern Artikel uͤber Hrn. Prof. Bod-
mers
Vertheidigung des miltoniſchen Gedichtes,
in welchem er als der Vormund der gantzen deut-
ſchen Nation mit ſeiner gewohnten ſaͤchſiſchen Hoͤf-
lichkeit links und rechts um ſich ſchmieß, und ſich
recht foͤrchterlich machte. Die Vertheidigung des
verlohrnen Paradieſes ſelbſt laͤßt er unberuͤhrt,
einestheils weil das bloſſe Vorhaben etwas zu
vertheidigen, das ihm und in ſeiner Perſon der
gantzen deutſchen Nation zu mißfallen das Ungluͤk
hat, ſchon eine ſolche Verwegenheit iſt, die ſich
ſelbſt laͤcherlich machet und ihre Widerlegung mit
ſich fuͤhret; anderntheils weil die Vorrede ihm
Materie vollauf gab, ſeinen richterlichen Amtsei-
fer gegen dieſen aufruͤhriſchen Schweitzer auszu-
uͤben, der ſich erfrechet zu zweifeln, ob die deut-
ſche Nation berechtiget ſey, in Verwerffung des
miltoniſchen Gedichtes ihrem eigenen Kopf und Ge-
ſchmacke zu folgen. Einen Milton und Addiſſon
weiß er mit der feineſten Hoͤflichkeit als die zween
aͤrmſten Stuͤmper auszuhoͤhnen, und die gantze
englaͤndiſche Nation als grundeinfaͤltige Schepſen,
denen man weis machen kan, was man will, ab-
zuſchildern: Hrn. Prof. Bodmer aber belaͤnget

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[27/0029] des deutſchen Witzes. eine recht ernſthafte richterliche Antung an die fre- chen Schweitzer ergehen zu laſſen. Er beſtrafte die neue critiſche Dichtkunſt in Vergleichung mit der Seinigen nicht allein einer Unform und Miß- geſtalt, und prophezeyhte derſelben in Deutſchland einen ſchlechten Fortgang mit nicht geringerer Zu- verſicht, als einer der das Geſchick derſelben ledig- lich in ſeiner Gewalt haͤtte; ſondern er verfaſſete auch einen beſondern Artikel uͤber Hrn. Prof. Bod- mers Vertheidigung des miltoniſchen Gedichtes, in welchem er als der Vormund der gantzen deut- ſchen Nation mit ſeiner gewohnten ſaͤchſiſchen Hoͤf- lichkeit links und rechts um ſich ſchmieß, und ſich recht foͤrchterlich machte. Die Vertheidigung des verlohrnen Paradieſes ſelbſt laͤßt er unberuͤhrt, einestheils weil das bloſſe Vorhaben etwas zu vertheidigen, das ihm und in ſeiner Perſon der gantzen deutſchen Nation zu mißfallen das Ungluͤk hat, ſchon eine ſolche Verwegenheit iſt, die ſich ſelbſt laͤcherlich machet und ihre Widerlegung mit ſich fuͤhret; anderntheils weil die Vorrede ihm Materie vollauf gab, ſeinen richterlichen Amtsei- fer gegen dieſen aufruͤhriſchen Schweitzer auszu- uͤben, der ſich erfrechet zu zweifeln, ob die deut- ſche Nation berechtiget ſey, in Verwerffung des miltoniſchen Gedichtes ihrem eigenen Kopf und Ge- ſchmacke zu folgen. Einen Milton und Addiſſon weiß er mit der feineſten Hoͤflichkeit als die zween aͤrmſten Stuͤmper auszuhoͤhnen, und die gantze englaͤndiſche Nation als grundeinfaͤltige Schepſen, denen man weis machen kan, was man will, ab- zuſchildern: Hrn. Prof. Bodmer aber belaͤnget er

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742/29>, abgerufen am 28.03.2024.