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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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Stücke der Schutzvorrede
liche Mann vor ein greuliches Lermen[:]


Mit
175.
rufung. Er drückt dadurch seine Empfindlichkeit und
innigste Wehmuth, nicht über die ihm angethane Un-
bill; sondern über die schwere Versündigung des Ver-
fassers der neuen Critischen Dichtkunst, sehr lebhaft
aus. Man kan im übrigen von dieser poetischen An-
rufung Hrn. G-ttsch-ds Critische Dichtkunst nachse-
hen.
Dieser ehrliche Mann) Er meinet den Schweitze-
rischen Verfasser der neuen Critischen Dichtkunst: Er
nennet ihn einen ehrlichen Mann, nicht per antiphra-
sin,
wie etwann die Spötter meinen mögten; son-
dern damit er zeige, daß ihn die empfangene Unbill
nicht hindere, auch von seinen Feinden gutes zu reden,
nach dem bekannten Axiomate, & in hoste laudanda
Virtus.
Und wenn wir dem Seneca glauben wollen,
so ist der Ruhm eines ehrlichen Manns allem andern
Ruhm, auch dem Ruhm eines grossen Dichters, ei-
nes scharfsinnigen Kunstrichters etc. weit weit vorzuzie-
hen: Magno impendio temporis, magna alienarum
aurium molestia laudatio haec constat, o Hominem Li-
teratum! Simus hoc titulo rusticiore contenti, o VI-
RUM BONUM.
Und in diesen Gedancken stehet
auch unser Verfasser, daher er sich diesen Titel alsofort
selbst beyleget, wenn er sagt: Wichtige Ursachen ...
ehrliche Leute so unbändig anzugreiffen!
Wo dieses
Beywort ja unmöglich antiphrastice kan verstanden wer-
den.
Was erhebet er nicht vor ein greuliches Lermen[:])
Da er nemlich in dem siebenden Abschnitte seiner Criti-
schen Dichtkunst, wo er von der Esopischen Fabel aus-
führlich handelt, sich daran nicht begnüget, die Tr-ll-ri-
sche Untersuchung von der Natur der Fabel, Bl. 173.

Stuͤcke der Schutzvorrede
liche Mann vor ein greuliches Lermen[:]


Mit
175.
rufung. Er druͤckt dadurch ſeine Empfindlichkeit und
innigſte Wehmuth, nicht uͤber die ihm angethane Un-
bill; ſondern uͤber die ſchwere Verſuͤndigung des Ver-
faſſers der neuen Critiſchen Dichtkunſt, ſehr lebhaft
aus. Man kan im uͤbrigen von dieſer poetiſchen An-
rufung Hrn. G-ttſch-ds Critiſche Dichtkunſt nachſe-
hen.
Dieſer ehrliche Mann) Er meinet den Schweitze-
riſchen Verfaſſer der neuen Critiſchen Dichtkunſt: Er
nennet ihn einen ehrlichen Mann, nicht per antiphra-
ſin,
wie etwann die Spoͤtter meinen moͤgten; ſon-
dern damit er zeige, daß ihn die empfangene Unbill
nicht hindere, auch von ſeinen Feinden gutes zu reden,
nach dem bekannten Axiomate, & in hoſte laudanda
Virtus.
Und wenn wir dem Seneca glauben wollen,
ſo iſt der Ruhm eines ehrlichen Manns allem andern
Ruhm, auch dem Ruhm eines groſſen Dichters, ei-
nes ſcharfſinnigen Kunſtrichters ꝛc. weit weit vorzuzie-
hen: Magno impendio temporis, magna alienarum
aurium moleſtia laudatio hæc conſtat, ô Hominem Li-
teratum! Simus hoc titulo ruſticiore contenti, ô VI-
RUM BONUM.
Und in dieſen Gedancken ſtehet
auch unſer Verfaſſer, daher er ſich dieſen Titel alſofort
ſelbſt beyleget, wenn er ſagt: Wichtige Urſachen ...
ehrliche Leute ſo unbaͤndig anzugreiffen!
Wo dieſes
Beywort ja unmoͤglich antiphraſtice kan verſtanden wer-
den.
Was erhebet er nicht vor ein greuliches Lermen[:])
Da er nemlich in dem ſiebenden Abſchnitte ſeiner Criti-
ſchen Dichtkunſt, wo er von der Eſopiſchen Fabel aus-
fuͤhrlich handelt, ſich daran nicht begnuͤget, die Tr-ll-ri-
ſche Unterſuchung von der Natur der Fabel, Bl. 173.
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[26/0028] Stuͤcke der Schutzvorrede liche Mann vor ein greuliches Lermen: Mit 175. rufung. Er druͤckt dadurch ſeine Empfindlichkeit und innigſte Wehmuth, nicht uͤber die ihm angethane Un- bill; ſondern uͤber die ſchwere Verſuͤndigung des Ver- faſſers der neuen Critiſchen Dichtkunſt, ſehr lebhaft aus. Man kan im uͤbrigen von dieſer poetiſchen An- rufung Hrn. G-ttſch-ds Critiſche Dichtkunſt nachſe- hen. Dieſer ehrliche Mann) Er meinet den Schweitze- riſchen Verfaſſer der neuen Critiſchen Dichtkunſt: Er nennet ihn einen ehrlichen Mann, nicht per antiphra- ſin, wie etwann die Spoͤtter meinen moͤgten; ſon- dern damit er zeige, daß ihn die empfangene Unbill nicht hindere, auch von ſeinen Feinden gutes zu reden, nach dem bekannten Axiomate, & in hoſte laudanda Virtus. Und wenn wir dem Seneca glauben wollen, ſo iſt der Ruhm eines ehrlichen Manns allem andern Ruhm, auch dem Ruhm eines groſſen Dichters, ei- nes ſcharfſinnigen Kunſtrichters ꝛc. weit weit vorzuzie- hen: Magno impendio temporis, magna alienarum aurium moleſtia laudatio hæc conſtat, ô Hominem Li- teratum! Simus hoc titulo ruſticiore contenti, ô VI- RUM BONUM. Und in dieſen Gedancken ſtehet auch unſer Verfaſſer, daher er ſich dieſen Titel alſofort ſelbſt beyleget, wenn er ſagt: Wichtige Urſachen ... ehrliche Leute ſo unbaͤndig anzugreiffen! Wo dieſes Beywort ja unmoͤglich antiphraſtice kan verſtanden wer- den. Was erhebet er nicht vor ein greuliches Lermen:) Da er nemlich in dem ſiebenden Abſchnitte ſeiner Criti- ſchen Dichtkunſt, wo er von der Eſopiſchen Fabel aus- fuͤhrlich handelt, ſich daran nicht begnuͤget, die Tr-ll-ri- ſche Unterſuchung von der Natur der Fabel, Bl. 173.

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/28>, abgerufen am 18.04.2024.