Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite
"Ausländer daher Anlaß nehmen, so gar
"nachtheilige Meinungen von dem Geschma-
"ke und dem Wize der Deutschen überhaupt
"zu fassen, wie neulich der Autor der Briefe
"über die Franzosen und Deutschen mit einem
"triumphierenden Thone an den Tag gegeben,
"und dem gesammten geistreichen Deutsch-
"land Hohn gesprochen hat."

Die Höflich-
keit ist fürwahr liebenswerth, sie macht die
Wahrheit angenehm, und versüsset das Bit-
tere, so die Vorrükung unsrer geringern Ein-
sicht mit sich führt; aber sie wird zu einer nie-
derträchtigen Unbilligkeit, wenn sie die bessere
Wissenschaft in hoher Würde stehnden Schmie-
rern aufopfert: es ist eine verrätherische Zag-
heit, die Wahrheit, die man erkennet, zu
verleugnen, zumahl wenn es weder das Glük
noch den Kopf gilt. Fürchtet man, daß es
den Ruhm kosten mögte, als der in der Ge-
walt derjenigen stehe, welche izo Beyfall und
Ansehen haben, und die über die Pressen,
über die Buchhändler, und die gelehrten Mo-
natschriften meister sind, so sezt man zu viel
Mißtrauen in das Vermögen der Geschicklich-
keit, die sich bloß mit ihrer eignen Stärke oh-
ne die Hülfe mechanischer Triebräder zu erhal-
ten vermag. Jndem man auf diese Weise
das Lob derer, mit welchen man umgehet,
zu unbedachtsam suchet, verscherzt man den

Bey-
„Auslaͤnder daher Anlaß nehmen, ſo gar
„nachtheilige Meinungen von dem Geſchma-
„ke und dem Wize der Deutſchen uͤberhaupt
„zu faſſen, wie neulich der Autor der Briefe
„uͤber die Franzoſen und Deutſchen mit einem
„triumphierenden Thone an den Tag gegeben,
„und dem geſammten geiſtreichen Deutſch-
„land Hohn geſprochen hat.„

Die Hoͤflich-
keit iſt fuͤrwahr liebenswerth, ſie macht die
Wahrheit angenehm, und verſuͤſſet das Bit-
tere, ſo die Vorruͤkung unſrer geringern Ein-
ſicht mit ſich fuͤhrt; aber ſie wird zu einer nie-
dertraͤchtigen Unbilligkeit, wenn ſie die beſſere
Wiſſenſchaft in hoher Wuͤrde ſtehnden Schmie-
rern aufopfert: es iſt eine verraͤtheriſche Zag-
heit, die Wahrheit, die man erkennet, zu
verleugnen, zumahl wenn es weder das Gluͤk
noch den Kopf gilt. Fuͤrchtet man, daß es
den Ruhm koſten moͤgte, als der in der Ge-
walt derjenigen ſtehe, welche izo Beyfall und
Anſehen haben, und die uͤber die Preſſen,
uͤber die Buchhaͤndler, und die gelehrten Mo-
natſchriften meiſter ſind, ſo ſezt man zu viel
Mißtrauen in das Vermoͤgen der Geſchicklich-
keit, die ſich bloß mit ihrer eignen Staͤrke oh-
ne die Huͤlfe mechaniſcher Triebraͤder zu erhal-
ten vermag. Jndem man auf dieſe Weiſe
das Lob derer, mit welchen man umgehet,
zu unbedachtſam ſuchet, verſcherzt man den

Bey-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote><pb facs="#f0008"/>
&#x201E;Ausla&#x0364;nder daher Anlaß nehmen, &#x017F;o gar<lb/>
&#x201E;nachtheilige Meinungen von dem Ge&#x017F;chma-<lb/>
&#x201E;ke und dem Wize der Deut&#x017F;chen u&#x0364;berhaupt<lb/>
&#x201E;zu fa&#x017F;&#x017F;en, wie neulich der Autor der Briefe<lb/>
&#x201E;u&#x0364;ber die Franzo&#x017F;en und Deut&#x017F;chen mit einem<lb/>
&#x201E;triumphierenden Thone an den Tag gegeben,<lb/>
&#x201E;und dem ge&#x017F;ammten gei&#x017F;treichen Deut&#x017F;ch-<lb/>
&#x201E;land Hohn ge&#x017F;prochen hat.&#x201E;</quote>
        </cit>
        <p>Die Ho&#x0364;flich-<lb/>
keit i&#x017F;t fu&#x0364;rwahr liebenswerth, &#x017F;ie macht die<lb/>
Wahrheit angenehm, und ver&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;et das Bit-<lb/>
tere, &#x017F;o die Vorru&#x0364;kung un&#x017F;rer geringern Ein-<lb/>
&#x017F;icht mit &#x017F;ich fu&#x0364;hrt; aber &#x017F;ie wird zu einer nie-<lb/>
dertra&#x0364;chtigen Unbilligkeit, wenn &#x017F;ie die be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft in hoher Wu&#x0364;rde &#x017F;tehnden Schmie-<lb/>
rern aufopfert: es i&#x017F;t eine verra&#x0364;theri&#x017F;che Zag-<lb/>
heit, die Wahrheit, die man erkennet, zu<lb/>
verleugnen, zumahl wenn es weder das Glu&#x0364;k<lb/>
noch den Kopf gilt. Fu&#x0364;rchtet man, daß es<lb/>
den Ruhm ko&#x017F;ten mo&#x0364;gte, als der in der Ge-<lb/>
walt derjenigen &#x017F;tehe, welche izo Beyfall und<lb/>
An&#x017F;ehen haben, und die u&#x0364;ber die Pre&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
u&#x0364;ber die Buchha&#x0364;ndler, und die gelehrten Mo-<lb/>
nat&#x017F;chriften mei&#x017F;ter &#x017F;ind, &#x017F;o &#x017F;ezt man zu viel<lb/>
Mißtrauen in das Vermo&#x0364;gen der Ge&#x017F;chicklich-<lb/>
keit, die &#x017F;ich bloß mit ihrer eignen Sta&#x0364;rke oh-<lb/>
ne die Hu&#x0364;lfe mechani&#x017F;cher Triebra&#x0364;der zu erhal-<lb/>
ten vermag. Jndem man auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e<lb/>
das Lob derer, mit welchen man umgehet,<lb/>
zu unbedacht&#x017F;am &#x017F;uchet, ver&#x017F;cherzt man den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Bey-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0008] „Auslaͤnder daher Anlaß nehmen, ſo gar „nachtheilige Meinungen von dem Geſchma- „ke und dem Wize der Deutſchen uͤberhaupt „zu faſſen, wie neulich der Autor der Briefe „uͤber die Franzoſen und Deutſchen mit einem „triumphierenden Thone an den Tag gegeben, „und dem geſammten geiſtreichen Deutſch- „land Hohn geſprochen hat.„ Die Hoͤflich- keit iſt fuͤrwahr liebenswerth, ſie macht die Wahrheit angenehm, und verſuͤſſet das Bit- tere, ſo die Vorruͤkung unſrer geringern Ein- ſicht mit ſich fuͤhrt; aber ſie wird zu einer nie- dertraͤchtigen Unbilligkeit, wenn ſie die beſſere Wiſſenſchaft in hoher Wuͤrde ſtehnden Schmie- rern aufopfert: es iſt eine verraͤtheriſche Zag- heit, die Wahrheit, die man erkennet, zu verleugnen, zumahl wenn es weder das Gluͤk noch den Kopf gilt. Fuͤrchtet man, daß es den Ruhm koſten moͤgte, als der in der Ge- walt derjenigen ſtehe, welche izo Beyfall und Anſehen haben, und die uͤber die Preſſen, uͤber die Buchhaͤndler, und die gelehrten Mo- natſchriften meiſter ſind, ſo ſezt man zu viel Mißtrauen in das Vermoͤgen der Geſchicklich- keit, die ſich bloß mit ihrer eignen Staͤrke oh- ne die Huͤlfe mechaniſcher Triebraͤder zu erhal- ten vermag. Jndem man auf dieſe Weiſe das Lob derer, mit welchen man umgehet, zu unbedachtſam ſuchet, verſcherzt man den Bey-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/8
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/8>, abgerufen am 23.04.2024.