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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
nahme des Adels an dem Nationalrathe war, weil dieser
selbst nicht zu fester und regelmäsziger Gestaltung kam, nicht
erheblich. Der alte Lehensadel wurde so in einen bloszen
Hofadel verwandelt. Sein Wesen bestand eher in äuszer-
lichem Rang und Ehren, als in politischen Rechten.
Heinrich IV. hatte den Adel angewiesen, auf seinen Gü-
tern zu leben. Aber Ludwig XIV. zog denselben im Gegen-
theil an den Hof, um ihn durch den Schein des Hofglanzes
völlig dienstbar zu machen. 11

Am höchsten standen die Pairs de France, anfänglich
XII, sechs geistliche Herren, sechs weltliche Kronvasallen und
später durch die königlichen Prinzen und eine Anzahl anderer
weltlicher Groszen vermehrt. Die Pairschaft war erblich.
Freier Zutritt zu dem Könige und zu dem Parlament in Paris,
von dem sie allein zur Verantwortung gezogen werden durften,
zeichnete sie aus. Bei der Krönung der Könige trugen sie
die Insignien der königlichen Gewalt.

Auf die Pairs folgten in der Rangordnung die Herzoge,
die Marquis, die Grafen, die Fürsten, Barone, Vi-
comtes
, Chatelains. Titel und Wappen waren die äuszern
Kennzeichen des Ranges. Dann folgte der niedere Adel
der Ecuyers
und der einfachen Gentilshommes.

In dem alten Adel war die Geburt zunächst entschei-
dend, die Verbindung mit Grundherrschaft aber daneben
von Einflusz. Dem alten Adel trat nun aber ein neuer an
die Seite, der vornehmlich von königlicher Verleihung
abgeleitet wurde. Dahin gehörte voraus der Adel, der mit
der Ernennung zu höhern Civil- und Militärämtern ver-
bunden war, vorzüglich der Parlamentsadel der Räthe an
den souveränen Gerichtshöfen (noblesse de robe). Diese Stellen
waren nun nicht mehr wie in der Lehensverfassung an den
Boden geknüpft, noch erbliche Familienrechte, und es erhielt

11 De Parieu Polit. 100 ff.

Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
nahme des Adels an dem Nationalrathe war, weil dieser
selbst nicht zu fester und regelmäsziger Gestaltung kam, nicht
erheblich. Der alte Lehensadel wurde so in einen bloszen
Hofadel verwandelt. Sein Wesen bestand eher in äuszer-
lichem Rang und Ehren, als in politischen Rechten.
Heinrich IV. hatte den Adel angewiesen, auf seinen Gü-
tern zu leben. Aber Ludwig XIV. zog denselben im Gegen-
theil an den Hof, um ihn durch den Schein des Hofglanzes
völlig dienstbar zu machen. 11

Am höchsten standen die Pairs de France, anfänglich
XII, sechs geistliche Herren, sechs weltliche Kronvasallen und
später durch die königlichen Prinzen und eine Anzahl anderer
weltlicher Groszen vermehrt. Die Pairschaft war erblich.
Freier Zutritt zu dem Könige und zu dem Parlament in Paris,
von dem sie allein zur Verantwortung gezogen werden durften,
zeichnete sie aus. Bei der Krönung der Könige trugen sie
die Insignien der königlichen Gewalt.

Auf die Pairs folgten in der Rangordnung die Herzoge,
die Marquis, die Grafen, die Fürsten, Barone, Vi-
comtes
, Chatelains. Titel und Wappen waren die äuszern
Kennzeichen des Ranges. Dann folgte der niedere Adel
der Écuyers
und der einfachen Gentilshommes.

In dem alten Adel war die Geburt zunächst entschei-
dend, die Verbindung mit Grundherrschaft aber daneben
von Einflusz. Dem alten Adel trat nun aber ein neuer an
die Seite, der vornehmlich von königlicher Verleihung
abgeleitet wurde. Dahin gehörte voraus der Adel, der mit
der Ernennung zu höhern Civil- und Militärämtern ver-
bunden war, vorzüglich der Parlamentsadel der Räthe an
den souveränen Gerichtshöfen (noblesse de robe). Diese Stellen
waren nun nicht mehr wie in der Lehensverfassung an den
Boden geknüpft, noch erbliche Familienrechte, und es erhielt

11 De Parieu Polit. 100 ff.
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[150/0168] Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. nahme des Adels an dem Nationalrathe war, weil dieser selbst nicht zu fester und regelmäsziger Gestaltung kam, nicht erheblich. Der alte Lehensadel wurde so in einen bloszen Hofadel verwandelt. Sein Wesen bestand eher in äuszer- lichem Rang und Ehren, als in politischen Rechten. Heinrich IV. hatte den Adel angewiesen, auf seinen Gü- tern zu leben. Aber Ludwig XIV. zog denselben im Gegen- theil an den Hof, um ihn durch den Schein des Hofglanzes völlig dienstbar zu machen. 11 Am höchsten standen die Pairs de France, anfänglich XII, sechs geistliche Herren, sechs weltliche Kronvasallen und später durch die königlichen Prinzen und eine Anzahl anderer weltlicher Groszen vermehrt. Die Pairschaft war erblich. Freier Zutritt zu dem Könige und zu dem Parlament in Paris, von dem sie allein zur Verantwortung gezogen werden durften, zeichnete sie aus. Bei der Krönung der Könige trugen sie die Insignien der königlichen Gewalt. Auf die Pairs folgten in der Rangordnung die Herzoge, die Marquis, die Grafen, die Fürsten, Barone, Vi- comtes, Chatelains. Titel und Wappen waren die äuszern Kennzeichen des Ranges. Dann folgte der niedere Adel der Écuyers und der einfachen Gentilshommes. In dem alten Adel war die Geburt zunächst entschei- dend, die Verbindung mit Grundherrschaft aber daneben von Einflusz. Dem alten Adel trat nun aber ein neuer an die Seite, der vornehmlich von königlicher Verleihung abgeleitet wurde. Dahin gehörte voraus der Adel, der mit der Ernennung zu höhern Civil- und Militärämtern ver- bunden war, vorzüglich der Parlamentsadel der Räthe an den souveränen Gerichtshöfen (noblesse de robe). Diese Stellen waren nun nicht mehr wie in der Lehensverfassung an den Boden geknüpft, noch erbliche Familienrechte, und es erhielt 11 De Parieu Polit. 100 ff.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/168>, abgerufen am 28.03.2024.