Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
indem der alte Glanz des Namens, die herkömmliche Vertraut-
heit mit den Statsgeschäften, häufig auch groszes Vermögen
und ihre persönlichen Verbindungen ihnen das Ansehen ver-
liehen, welchem sie die Aufnahme in den Senat verdankten.
Aber auszer ihnen wurde die hohe Aristokratie stets erneuert
und erfrischt durch hervorragende Männer, welche als Kriegs-
führer, Statsmänner, Redner, Rechtsgelehrte oder in anderer
Weise sich auszeichneten, und denen in den Zeiten der Re-
publik öffentliche Aemter, welche die Aufnahme in die Listen
der Senatoren begründeten, übertragen, oder die später von den
Kaisern in den Senat berufen wurden. Das politische Ver-
dienst
und die nationale Auszeichnung waren somit
zum Princip des spätern römischen Adels erhoben worden, in
welchem selbst in den Zeiten der Entartung und des Verfalls noch
immer ein Rest der alten Freiheit und Würde erhalten blieb.

Die berühmte Rede von Mäcenas über den Principat ist
ein vortrefflicher Ausdruck der Grundgedanken, welche römische
Statsmänner von der Aristokratie in der Kaiserzeit hatten. Der
Freund des Kaisers gibt demselben den Rath, den Senat, in
den die Wirren der Bürgerkriege viele untaugliche Männer
hineingebracht, zu reinigen und durch neue sorgfältige Er-
nennungen zu ergänzen. Er empfiehlt, keinen Senator um seiner
Armuth willen auszustoszen, sondern eher unvermögliche, aber
taugliche Männer mit dem nöthigen Vermögen auszustatten.
Bei der Auswahl der neuen Senatoren möge der Kaiser nicht
blosz auf Italien, sondern ebenso auf die Bundesgenossen und
selbst die Provincialen Rücksicht nehmen, und je die Ersten
aus allen Völkern des Weltreiches
, die durch Ge-
schlecht, Tugend oder Reichthum als die Führer des Volkes
gelten, um sich her versammeln, und ihnen die Theilnahme an
der Sorge für den Stat und an der Weltherrschaft eröffnen.
Je mehr angesehene Männer so in Rom zum Senate versam-
melt werden, desto besser werde für das Bedürfnisz des States
und die Treue der Provinzen gesorgt sein.


Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
indem der alte Glanz des Namens, die herkömmliche Vertraut-
heit mit den Statsgeschäften, häufig auch groszes Vermögen
und ihre persönlichen Verbindungen ihnen das Ansehen ver-
liehen, welchem sie die Aufnahme in den Senat verdankten.
Aber auszer ihnen wurde die hohe Aristokratie stets erneuert
und erfrischt durch hervorragende Männer, welche als Kriegs-
führer, Statsmänner, Redner, Rechtsgelehrte oder in anderer
Weise sich auszeichneten, und denen in den Zeiten der Re-
publik öffentliche Aemter, welche die Aufnahme in die Listen
der Senatoren begründeten, übertragen, oder die später von den
Kaisern in den Senat berufen wurden. Das politische Ver-
dienst
und die nationale Auszeichnung waren somit
zum Princip des spätern römischen Adels erhoben worden, in
welchem selbst in den Zeiten der Entartung und des Verfalls noch
immer ein Rest der alten Freiheit und Würde erhalten blieb.

Die berühmte Rede von Mäcenas über den Principat ist
ein vortrefflicher Ausdruck der Grundgedanken, welche römische
Statsmänner von der Aristokratie in der Kaiserzeit hatten. Der
Freund des Kaisers gibt demselben den Rath, den Senat, in
den die Wirren der Bürgerkriege viele untaugliche Männer
hineingebracht, zu reinigen und durch neue sorgfältige Er-
nennungen zu ergänzen. Er empfiehlt, keinen Senator um seiner
Armuth willen auszustoszen, sondern eher unvermögliche, aber
taugliche Männer mit dem nöthigen Vermögen auszustatten.
Bei der Auswahl der neuen Senatoren möge der Kaiser nicht
blosz auf Italien, sondern ebenso auf die Bundesgenossen und
selbst die Provincialen Rücksicht nehmen, und je die Ersten
aus allen Völkern des Weltreiches
, die durch Ge-
schlecht, Tugend oder Reichthum als die Führer des Volkes
gelten, um sich her versammeln, und ihnen die Theilnahme an
der Sorge für den Stat und an der Weltherrschaft eröffnen.
Je mehr angesehene Männer so in Rom zum Senate versam-
melt werden, desto besser werde für das Bedürfnisz des States
und die Treue der Provinzen gesorgt sein.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0160" n="142"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.</fw><lb/>
indem der alte Glanz des Namens, die herkömmliche Vertraut-<lb/>
heit mit den Statsgeschäften, häufig auch groszes Vermögen<lb/>
und ihre persönlichen Verbindungen ihnen das Ansehen ver-<lb/>
liehen, welchem sie die Aufnahme in den Senat verdankten.<lb/>
Aber auszer ihnen wurde die hohe Aristokratie stets erneuert<lb/>
und erfrischt durch hervorragende Männer, welche als Kriegs-<lb/>
führer, Statsmänner, Redner, Rechtsgelehrte oder in anderer<lb/>
Weise sich auszeichneten, und denen in den Zeiten der Re-<lb/>
publik öffentliche Aemter, welche die Aufnahme in die Listen<lb/>
der Senatoren begründeten, übertragen, oder die später von den<lb/>
Kaisern in den Senat berufen wurden. Das <hi rendition="#g">politische Ver-<lb/>
dienst</hi> und die <hi rendition="#g">nationale Auszeichnung</hi> waren somit<lb/>
zum Princip des spätern römischen Adels erhoben worden, in<lb/>
welchem selbst in den Zeiten der Entartung und des Verfalls noch<lb/>
immer ein Rest der alten Freiheit und Würde erhalten blieb.</p><lb/>
          <p>Die berühmte Rede von <hi rendition="#g">Mäcenas</hi> über den Principat ist<lb/>
ein vortrefflicher Ausdruck der Grundgedanken, welche römische<lb/>
Statsmänner von der Aristokratie in der Kaiserzeit hatten. Der<lb/>
Freund des Kaisers gibt demselben den Rath, den Senat, in<lb/>
den die Wirren der Bürgerkriege viele untaugliche Männer<lb/>
hineingebracht, zu reinigen und durch neue sorgfältige Er-<lb/>
nennungen zu ergänzen. Er empfiehlt, keinen Senator um seiner<lb/>
Armuth willen auszustoszen, sondern eher unvermögliche, aber<lb/>
taugliche Männer mit dem nöthigen Vermögen auszustatten.<lb/>
Bei der Auswahl der neuen Senatoren möge der Kaiser nicht<lb/>
blosz auf Italien, sondern ebenso auf die Bundesgenossen und<lb/>
selbst die Provincialen Rücksicht nehmen, und je die <hi rendition="#g">Ersten<lb/>
aus allen Völkern des Weltreiches</hi>, die durch Ge-<lb/>
schlecht, Tugend oder Reichthum als die Führer des Volkes<lb/>
gelten, um sich her versammeln, und ihnen die Theilnahme an<lb/>
der Sorge für den Stat und an der Weltherrschaft eröffnen.<lb/>
Je mehr angesehene Männer so in Rom zum Senate versam-<lb/>
melt werden, desto besser werde für das Bedürfnisz des States<lb/>
und die Treue der Provinzen gesorgt sein.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0160] Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. indem der alte Glanz des Namens, die herkömmliche Vertraut- heit mit den Statsgeschäften, häufig auch groszes Vermögen und ihre persönlichen Verbindungen ihnen das Ansehen ver- liehen, welchem sie die Aufnahme in den Senat verdankten. Aber auszer ihnen wurde die hohe Aristokratie stets erneuert und erfrischt durch hervorragende Männer, welche als Kriegs- führer, Statsmänner, Redner, Rechtsgelehrte oder in anderer Weise sich auszeichneten, und denen in den Zeiten der Re- publik öffentliche Aemter, welche die Aufnahme in die Listen der Senatoren begründeten, übertragen, oder die später von den Kaisern in den Senat berufen wurden. Das politische Ver- dienst und die nationale Auszeichnung waren somit zum Princip des spätern römischen Adels erhoben worden, in welchem selbst in den Zeiten der Entartung und des Verfalls noch immer ein Rest der alten Freiheit und Würde erhalten blieb. Die berühmte Rede von Mäcenas über den Principat ist ein vortrefflicher Ausdruck der Grundgedanken, welche römische Statsmänner von der Aristokratie in der Kaiserzeit hatten. Der Freund des Kaisers gibt demselben den Rath, den Senat, in den die Wirren der Bürgerkriege viele untaugliche Männer hineingebracht, zu reinigen und durch neue sorgfältige Er- nennungen zu ergänzen. Er empfiehlt, keinen Senator um seiner Armuth willen auszustoszen, sondern eher unvermögliche, aber taugliche Männer mit dem nöthigen Vermögen auszustatten. Bei der Auswahl der neuen Senatoren möge der Kaiser nicht blosz auf Italien, sondern ebenso auf die Bundesgenossen und selbst die Provincialen Rücksicht nehmen, und je die Ersten aus allen Völkern des Weltreiches, die durch Ge- schlecht, Tugend oder Reichthum als die Führer des Volkes gelten, um sich her versammeln, und ihnen die Theilnahme an der Sorge für den Stat und an der Weltherrschaft eröffnen. Je mehr angesehene Männer so in Rom zum Senate versam- melt werden, desto besser werde für das Bedürfnisz des States und die Treue der Provinzen gesorgt sein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/160
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/160>, abgerufen am 28.03.2024.