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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 6. Aufl. Göttingen, 1799.

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§. 8.

Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem
Erkenntnißvermögen und selbst den Regeln aller
philosophischen Nachforschung*) weit angemeß-
ner, wenn man die Entstehung der neuerzeug-
ten organisirten Körper bloß durch allmähliche
Ausbildung (Epigenesis) des an sich zwar un-
geformten, aber unter den dazu erforderlichen Um-
ständen organisirbaren Zeugungsstoffes, erklärt.

Nur kommt es bey der vielfachen Vorstel-
lungsart, die man sich von einer solchen allmäh-
lichen Bildung machen kann und gemacht hat**),
darauf an, sie so zu bestimmen, wie sie dem
Begriff von organisirten Körpern, und dann
den Phänomenen, die uns die Beobachtung bey

*) "Causas rerum naturalium non plures admitti
debere, quam quae et verae sint et earum phae-
nomenis explicandis sufficiant
:"
ist ja die erste
von Newton's güldnen regulis philosophandi.
**) Denn wenn z. B. Mazini meinte, daß die Kin-
der bey ihrer Empfängniß in Mutterleibe bloß
anschössen (ungefähr wie der Candis-Zucker), so
war das auch eine Art Epigenese. Aber das schlechterdings unstatthafte aller sol-
chen bloß mechanischen Erklärungsarten der all-
mähligen Ausbildung organisirter Körper durch
eine sogenannte Vis plastica (wie es unsre ehrlichen
Alten nannten), als welche eben so gut im Mine-
ralteich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem
Begriff von organisirten Körpern, als weicher
durchaus zugleich Zweckmäßigkeit involvirt. -
s. Kant a. a. O. S. 292.
§. 8.

Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem
Erkenntnißvermögen und selbst den Regeln aller
philosophischen Nachforschung*) weit angemeß-
ner, wenn man die Entstehung der neuerzeug-
ten organisirten Körper bloß durch allmähliche
Ausbildung (Epigenesis) des an sich zwar un-
geformten, aber unter den dazu erforderlichen Um-
ständen organisirbaren Zeugungsstoffes, erklärt.

Nur kommt es bey der vielfachen Vorstel-
lungsart, die man sich von einer solchen allmäh-
lichen Bildung machen kann und gemacht hat**),
darauf an, sie so zu bestimmen, wie sie dem
Begriff von organisirten Körpern, und dann
den Phänomenen, die uns die Beobachtung bey

*) Causas rerum naturalium non plures admitti
debere, quam quae et verae sint et earum phae-
nomenis explicandis sufficiant
:”
ist ja die erste
von Newton's güldnen regulis philosophandi.
**) Denn wenn z. B. Mazini meinte, daß die Kin-
der bey ihrer Empfängniß in Mutterleibe bloß
anschössen (ungefähr wie der Candis-Zucker), so
war das auch eine Art Epigenese. Aber das schlechterdings unstatthafte aller sol-
chen bloß mechanischen Erklärungsarten der all-
mähligen Ausbildung organisirter Körper durch
eine sogenannte Vis plastica (wie es unsre ehrlichen
Alten nannten), als welche eben so gut im Mine-
ralteich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem
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durchaus zugleich Zweckmäßigkeit involvirt. –
s. Kant a. a. O. S. 292.
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[16/0040] §. 8. Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Erkenntnißvermögen und selbst den Regeln aller philosophischen Nachforschung *) weit angemeß- ner, wenn man die Entstehung der neuerzeug- ten organisirten Körper bloß durch allmähliche Ausbildung (Epigenesis) des an sich zwar un- geformten, aber unter den dazu erforderlichen Um- ständen organisirbaren Zeugungsstoffes, erklärt. Nur kommt es bey der vielfachen Vorstel- lungsart, die man sich von einer solchen allmäh- lichen Bildung machen kann und gemacht hat **), darauf an, sie so zu bestimmen, wie sie dem Begriff von organisirten Körpern, und dann den Phänomenen, die uns die Beobachtung bey *) „Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam quae et verae sint et earum phae- nomenis explicandis sufficiant:” ist ja die erste von Newton's güldnen regulis philosophandi. **) Denn wenn z. B. Mazini meinte, daß die Kin- der bey ihrer Empfängniß in Mutterleibe bloß anschössen (ungefähr wie der Candis-Zucker), so war das auch eine Art Epigenese. Aber das schlechterdings unstatthafte aller sol- chen bloß mechanischen Erklärungsarten der all- mähligen Ausbildung organisirter Körper durch eine sogenannte Vis plastica (wie es unsre ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im Mine- ralteich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem Begriff von organisirten Körpern, als weicher durchaus zugleich Zweckmäßigkeit involvirt. – s. Kant a. a. O. S. 292.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

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Dieses Werk stammt vom Projekt „Johann Friedrich Blumenbach – online“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

Herstellung der Imagedateien des Quelldokuments durch die Utrecht University Library und die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach dem von der Akademie gelieferten Dokument "Buchstabenmuster_Blumenbach.doc" modernisiert.

In Absprache mit der Akademie wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizeriung von titleParts verzeichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet. Eine Ausnahme bilden Zitate, bei denen das Anführungszeichen zu Beginn jeder Zeile wiederholt wird. Hier wurden die Wiederholungen des öffenenden Zeichens nicht übernommen, sondern jeweils nur das öffnende und das schließende Zeichen. Das umschließende Element q wurde für diese Zitate über das Attribut type mit dem Wert preline gekennzeichnet.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 6. Aufl. Göttingen, 1799, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1799/40>, abgerufen am 28.03.2024.