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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 5. Aufl. Göttingen, 1797.

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den, und gemeynt, es werde gar kein Mensch,
und kein andres Thier, und keine Pflanze er-
zeugt, - sondern sie lägen alle schon seit der ersten
Schöpfung als völlig präformirte Keime*)
bey ihren Eltern und Vorfahren längstens vor-
räthig: die verschiednen Generationen steckten,
gleichsam wie eingepackte Schachteln, in einan-
der; und würden nur nach und nach, so wie
die Reihe an sie käme, durch die Befruchtung
entwickelt und aus Licht gebracht. - Eine Mey-
nung, die doch schon sowohl durch den dabey
erforderlichen Aufwand von übernatürlichen (hy-
perphysischen) Anstalten**), als durch die,
allen Gesetzen einer philosophischen Naturfor-
schung zuwiderlaufende unnütze Vervielfältigung

*) "Denn" (so sagt Haller, das Haupt der neuern.
Evolutionisten -) "alle Eingeweide und die Kno-
chen selbst waren schon im unsichtbaren Keim vor-
hero gebaut gegenwärtig, obgleich in einem fast
flüssigen Zustande."
Und das ist doch wenigstens bestimmte Sprache.Wenn hingegen einige Neuere, um die Evolu-
tionshypothese mit der Lehre von der allmähligen
Bildung in vereinbaren, zwar zugeben, daß der
Zeugungsstoff nicht präformirt sey, aber doch mey-
nen, daß er demohngeachtet einen Keim enthalte,
der dennoch was anders sey, als ungeformter Zeu-
gungsstoff etc. so sind das unbestimmte, leere Aus-
drücke. Wenigstens geht mir es dann mit solchen
Quasi-Keimen, wie dem Cicero mit dem quasi
corpus
des Gottes der Epicuräer, wovon er sagt:
"corpus quid sit, intelligo: quasi corpus quid sit,
nullo prorsus modo intelligo
."
**) s. Kant's Critik der Urtheilskraft S. 372.

den, und gemeynt, es werde gar kein Mensch,
und kein andres Thier, und keine Pflanze er-
zeugt, – sondern sie lägen alle schon seit der ersten
Schöpfung als völlig präformirte Keime*)
bey ihren Eltern und Vorfahren längstens vor-
räthig: die verschiednen Generationen steckten,
gleichsam wie eingepackte Schachteln, in einan-
der; und würden nur nach und nach, so wie
die Reihe an sie käme, durch die Befruchtung
entwickelt und aus Licht gebracht. – Eine Mey-
nung, die doch schon sowohl durch den dabey
erforderlichen Aufwand von übernatürlichen (hy-
perphysischen) Anstalten**), als durch die,
allen Gesetzen einer philosophischen Naturfor-
schung zuwiderlaufende unnütze Vervielfältigung

*) „Denn“ (so sagt Haller, das Haupt der neuern.
Evolutionisten –) „alle Eingeweide und die Kno-
chen selbst waren schon im unsichtbaren Keim vor-
hero gebaut gegenwärtig, obgleich in einem fast
flüssigen Zustande.“
Und das ist doch wenigstens bestimmte Sprache.Wenn hingegen einige Neuere, um die Evolu-
tionshypothese mit der Lehre von der allmähligen
Bildung in vereinbaren, zwar zugeben, daß der
Zeugungsstoff nicht präformirt sey, aber doch mey-
nen, daß er demohngeachtet einen Keim enthalte,
der dennoch was anders sey, als ungeformter Zeu-
gungsstoff ꝛc. so sind das unbestimmte, leere Aus-
drücke. Wenigstens geht mir es dann mit solchen
Quasi-Keimen, wie dem Cicero mit dem quasi
corpus
des Gottes der Epicuräer, wovon er sagt:
"corpus quid sit, intelligo: quasi corpus quid sit,
nullo prorsus modo intelligo
.“
**) s. Kant's Critik der Urtheilskraft S. 372.
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[13/0035] den, und gemeynt, es werde gar kein Mensch, und kein andres Thier, und keine Pflanze er- zeugt, – sondern sie lägen alle schon seit der ersten Schöpfung als völlig präformirte Keime *) bey ihren Eltern und Vorfahren längstens vor- räthig: die verschiednen Generationen steckten, gleichsam wie eingepackte Schachteln, in einan- der; und würden nur nach und nach, so wie die Reihe an sie käme, durch die Befruchtung entwickelt und aus Licht gebracht. – Eine Mey- nung, die doch schon sowohl durch den dabey erforderlichen Aufwand von übernatürlichen (hy- perphysischen) Anstalten **), als durch die, allen Gesetzen einer philosophischen Naturfor- schung zuwiderlaufende unnütze Vervielfältigung *) „Denn“ (so sagt Haller, das Haupt der neuern. Evolutionisten –) „alle Eingeweide und die Kno- chen selbst waren schon im unsichtbaren Keim vor- hero gebaut gegenwärtig, obgleich in einem fast flüssigen Zustande.“ Und das ist doch wenigstens bestimmte Sprache. Wenn hingegen einige Neuere, um die Evolu- tionshypothese mit der Lehre von der allmähligen Bildung in vereinbaren, zwar zugeben, daß der Zeugungsstoff nicht präformirt sey, aber doch mey- nen, daß er demohngeachtet einen Keim enthalte, der dennoch was anders sey, als ungeformter Zeu- gungsstoff ꝛc. so sind das unbestimmte, leere Aus- drücke. Wenigstens geht mir es dann mit solchen Quasi-Keimen, wie dem Cicero mit dem quasi corpus des Gottes der Epicuräer, wovon er sagt: "corpus quid sit, intelligo: quasi corpus quid sit, nullo prorsus modo intelligo.“ **) s. Kant's Critik der Urtheilskraft S. 372.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 5. Aufl. Göttingen, 1797, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1797/35>, abgerufen am 18.04.2024.