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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Erstes Kapitel.
Folgen seyn. So wird schon im Jahre 1501, also sechs
Jahre nach Errichtung des Reichskammergerichts, in Baiern
eine landschaftliche Beschwerde über die zu große Anzahl der
Doctoren in den Hofgerichten dahin beantwortet:
"Item auf den ersten Artikel die Hofgerichte antreffend,
wäre den Landleuten zu antworten, daß Ew. Gnad. es
der Landleute und Doctoren halben ungefährlich bis-
her gehalten habe: will es füran auch thun. Daß aber
der Doctoren an den Hofgerichten so viel, ist die Ur-
sache, nachdem sie der Rechten mehr, denn die Layen,
verständig sind, daß desto förmlicher und rechtmäßiger
Urtheil gesprochen, und die Leute mit ungebührlichen
Urtheilen und wann die an das Kammergericht
wuchsen
, nicht beschwert und zu Schaden gebracht
werden."

Worin die Ungebührlichkeit der Urtheile bestanden, wel-
cher die Doctoren gegen den Wunsch und Willen der Bethei-
ligten abhelfen sollen, ist nicht schwer zu errathen. -- Nach
dem Vorbilde des Reichskammergerichts kamen auch die obern
Gerichtshöfe der einzelnen deutschen Länder bald ganz oder
doch zum großen Theil in die Hände der Romanisten, und da
man sich nun einmal des römischen Rechts nicht mehr erweh-
ren konnte, sahen sich die untern Gerichtsstellen und die Par-
teien fortwährend genöthigt, Rechtsbelehrungen einzuholen, die
man Anfangs gewöhnlich nur von einzelnen bewährten Juri-
sten, später meistens von den juristischen Facultäten sich geben
ließ. Daraus entwickelte sich für die letzteren, welche bis da-
hin geringen Antheil an der deutschen Rechtsentwicklung ge-
nommen hatten, ihre sehr wichtige und einflußreiche Stellung

Erſtes Kapitel.
Folgen ſeyn. So wird ſchon im Jahre 1501, alſo ſechs
Jahre nach Errichtung des Reichskammergerichts, in Baiern
eine landſchaftliche Beſchwerde uͤber die zu große Anzahl der
Doctoren in den Hofgerichten dahin beantwortet:
„Item auf den erſten Artikel die Hofgerichte antreffend,
waͤre den Landleuten zu antworten, daß Ew. Gnad. es
der Landleute und Doctoren halben ungefaͤhrlich bis-
her gehalten habe: will es fuͤran auch thun. Daß aber
der Doctoren an den Hofgerichten ſo viel, iſt die Ur-
ſache, nachdem ſie der Rechten mehr, denn die Layen,
verſtaͤndig ſind, daß deſto foͤrmlicher und rechtmaͤßiger
Urtheil geſprochen, und die Leute mit ungebuͤhrlichen
Urtheilen und wann die an das Kammergericht
wuchſen
, nicht beſchwert und zu Schaden gebracht
werden.“

Worin die Ungebuͤhrlichkeit der Urtheile beſtanden, wel-
cher die Doctoren gegen den Wunſch und Willen der Bethei-
ligten abhelfen ſollen, iſt nicht ſchwer zu errathen. — Nach
dem Vorbilde des Reichskammergerichts kamen auch die obern
Gerichtshoͤfe der einzelnen deutſchen Laͤnder bald ganz oder
doch zum großen Theil in die Haͤnde der Romaniſten, und da
man ſich nun einmal des roͤmiſchen Rechts nicht mehr erweh-
ren konnte, ſahen ſich die untern Gerichtsſtellen und die Par-
teien fortwaͤhrend genoͤthigt, Rechtsbelehrungen einzuholen, die
man Anfangs gewoͤhnlich nur von einzelnen bewaͤhrten Juri-
ſten, ſpaͤter meiſtens von den juriſtiſchen Facultaͤten ſich geben
ließ. Daraus entwickelte ſich fuͤr die letzteren, welche bis da-
hin geringen Antheil an der deutſchen Rechtsentwicklung ge-
nommen hatten, ihre ſehr wichtige und einflußreiche Stellung

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[38/0050] Erſtes Kapitel. Folgen ſeyn. So wird ſchon im Jahre 1501, alſo ſechs Jahre nach Errichtung des Reichskammergerichts, in Baiern eine landſchaftliche Beſchwerde uͤber die zu große Anzahl der Doctoren in den Hofgerichten dahin beantwortet: „Item auf den erſten Artikel die Hofgerichte antreffend, waͤre den Landleuten zu antworten, daß Ew. Gnad. es der Landleute und Doctoren halben ungefaͤhrlich bis- her gehalten habe: will es fuͤran auch thun. Daß aber der Doctoren an den Hofgerichten ſo viel, iſt die Ur- ſache, nachdem ſie der Rechten mehr, denn die Layen, verſtaͤndig ſind, daß deſto foͤrmlicher und rechtmaͤßiger Urtheil geſprochen, und die Leute mit ungebuͤhrlichen Urtheilen und wann die an das Kammergericht wuchſen, nicht beſchwert und zu Schaden gebracht werden.“ Worin die Ungebuͤhrlichkeit der Urtheile beſtanden, wel- cher die Doctoren gegen den Wunſch und Willen der Bethei- ligten abhelfen ſollen, iſt nicht ſchwer zu errathen. — Nach dem Vorbilde des Reichskammergerichts kamen auch die obern Gerichtshoͤfe der einzelnen deutſchen Laͤnder bald ganz oder doch zum großen Theil in die Haͤnde der Romaniſten, und da man ſich nun einmal des roͤmiſchen Rechts nicht mehr erweh- ren konnte, ſahen ſich die untern Gerichtsſtellen und die Par- teien fortwaͤhrend genoͤthigt, Rechtsbelehrungen einzuholen, die man Anfangs gewoͤhnlich nur von einzelnen bewaͤhrten Juri- ſten, ſpaͤter meiſtens von den juriſtiſchen Facultaͤten ſich geben ließ. Daraus entwickelte ſich fuͤr die letzteren, welche bis da- hin geringen Antheil an der deutſchen Rechtsentwicklung ge- nommen hatten, ihre ſehr wichtige und einflußreiche Stellung

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/50>, abgerufen am 20.04.2024.