Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Kapitel.
Einflusses sich am Entschiedensten in der Regierung dieses ge-
waltigen Fürsten darstellt, dessen Schöpfungen die sicherste Ge-
währ der Dauer in sich trugen, weil sie dem Geiste der Zeit
und wahrhaft nationalen Bedürfnissen entsprachen.

Um nun die Stellung der Deutschen in der fränkischen
Monarchie richtig aufzufassen, muß die eigenthümliche Lage der
öffentlichen Verhältnisse gehörig gewürdigt, und namentlich der
Gegensatz, in welchem sich die rein deutschen Stämme zu den
in den römischen Provinzen angesiedelten befanden, bestimmt
hervorgehoben werden. Die letzteren, als deren Repräsentan-
ten die in Gallien ansässig gewordenen Franken genommen
werden können, waren früh christianisirt, der äußern Cultur
und mancher Verwaltungsformen der Provinzialen theilhaftig
geworden; sie waren ferner, was besonders zu erwägen, zum
großen Theile aus Gefolgschaften hervorgegangen, und deswe-
gen geneigt, in ein bestimmtes Dienstverhältniß zum Könige
zu treten, welches dem ursprünglichen Princip der gemeinen
Freiheit, wenn auch nicht geradezu widerstrebte, doch wesentli-
chen Abbruch that. Dieses tritt daher bei den Franken all-
mälig zurück, und die hohe Geistlichkeit und die vornehmen
Dienstmannen, in der Reichsversammlung vereinigt, erscheinen
neben dem Könige als der politisch berechtigte Theil der Na-
tion. Als nun nach und nach die in Deutschland gebliebenen
Völkerschaften unterworfen, und den Franken als freie Ge-
nossen zugesellt wurden, so kam zu dem fränkischen Dienst-
mannenrecht, welches schon das Lehenwesen im Keime in sich
trug, die alte germanische Volksfreiheit hinzu, welche in der
Heimath treu bewahrt worden war. Daraus ergab sich nun
ein doppeltes Element der Verfassung, welches wir unter den
ersten Karolingern, und namentlich unter Karl dem Großen

Erſtes Kapitel.
Einfluſſes ſich am Entſchiedenſten in der Regierung dieſes ge-
waltigen Fuͤrſten darſtellt, deſſen Schoͤpfungen die ſicherſte Ge-
waͤhr der Dauer in ſich trugen, weil ſie dem Geiſte der Zeit
und wahrhaft nationalen Beduͤrfniſſen entſprachen.

Um nun die Stellung der Deutſchen in der fraͤnkiſchen
Monarchie richtig aufzufaſſen, muß die eigenthuͤmliche Lage der
oͤffentlichen Verhaͤltniſſe gehoͤrig gewuͤrdigt, und namentlich der
Gegenſatz, in welchem ſich die rein deutſchen Staͤmme zu den
in den roͤmiſchen Provinzen angeſiedelten befanden, beſtimmt
hervorgehoben werden. Die letzteren, als deren Repraͤſentan-
ten die in Gallien anſaͤſſig gewordenen Franken genommen
werden koͤnnen, waren fruͤh chriſtianiſirt, der aͤußern Cultur
und mancher Verwaltungsformen der Provinzialen theilhaftig
geworden; ſie waren ferner, was beſonders zu erwaͤgen, zum
großen Theile aus Gefolgſchaften hervorgegangen, und deswe-
gen geneigt, in ein beſtimmtes Dienſtverhaͤltniß zum Koͤnige
zu treten, welches dem urſpruͤnglichen Princip der gemeinen
Freiheit, wenn auch nicht geradezu widerſtrebte, doch weſentli-
chen Abbruch that. Dieſes tritt daher bei den Franken all-
maͤlig zuruͤck, und die hohe Geiſtlichkeit und die vornehmen
Dienſtmannen, in der Reichsverſammlung vereinigt, erſcheinen
neben dem Koͤnige als der politiſch berechtigte Theil der Na-
tion. Als nun nach und nach die in Deutſchland gebliebenen
Voͤlkerſchaften unterworfen, und den Franken als freie Ge-
noſſen zugeſellt wurden, ſo kam zu dem fraͤnkiſchen Dienſt-
mannenrecht, welches ſchon das Lehenweſen im Keime in ſich
trug, die alte germaniſche Volksfreiheit hinzu, welche in der
Heimath treu bewahrt worden war. Daraus ergab ſich nun
ein doppeltes Element der Verfaſſung, welches wir unter den
erſten Karolingern, und namentlich unter Karl dem Großen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0020" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Kapitel</hi>.</fw><lb/>
Einflu&#x017F;&#x017F;es &#x017F;ich am Ent&#x017F;chieden&#x017F;ten in der Regierung die&#x017F;es ge-<lb/>
waltigen Fu&#x0364;r&#x017F;ten dar&#x017F;tellt, de&#x017F;&#x017F;en Scho&#x0364;pfungen die &#x017F;icher&#x017F;te Ge-<lb/>
wa&#x0364;hr der Dauer in &#x017F;ich trugen, weil &#x017F;ie dem Gei&#x017F;te der Zeit<lb/>
und wahrhaft nationalen Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;en ent&#x017F;prachen.</p><lb/>
          <p>Um nun die Stellung der Deut&#x017F;chen in der fra&#x0364;nki&#x017F;chen<lb/>
Monarchie richtig aufzufa&#x017F;&#x017F;en, muß die eigenthu&#x0364;mliche Lage der<lb/>
o&#x0364;ffentlichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e geho&#x0364;rig gewu&#x0364;rdigt, und namentlich der<lb/>
Gegen&#x017F;atz, in welchem &#x017F;ich die rein deut&#x017F;chen Sta&#x0364;mme zu den<lb/>
in den ro&#x0364;mi&#x017F;chen Provinzen ange&#x017F;iedelten befanden, be&#x017F;timmt<lb/>
hervorgehoben werden. Die letzteren, als deren Repra&#x0364;&#x017F;entan-<lb/>
ten die in Gallien an&#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig gewordenen Franken genommen<lb/>
werden ko&#x0364;nnen, waren fru&#x0364;h chri&#x017F;tiani&#x017F;irt, der a&#x0364;ußern Cultur<lb/>
und mancher Verwaltungsformen der Provinzialen theilhaftig<lb/>
geworden; &#x017F;ie waren ferner, was be&#x017F;onders zu erwa&#x0364;gen, zum<lb/>
großen Theile aus Gefolg&#x017F;chaften hervorgegangen, und deswe-<lb/>
gen geneigt, in ein be&#x017F;timmtes Dien&#x017F;tverha&#x0364;ltniß zum Ko&#x0364;nige<lb/>
zu treten, welches dem ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Princip der gemeinen<lb/>
Freiheit, wenn auch nicht geradezu wider&#x017F;trebte, doch we&#x017F;entli-<lb/>
chen Abbruch that. Die&#x017F;es tritt daher bei den Franken all-<lb/>
ma&#x0364;lig zuru&#x0364;ck, und die hohe Gei&#x017F;tlichkeit und die vornehmen<lb/>
Dien&#x017F;tmannen, in der Reichsver&#x017F;ammlung vereinigt, er&#x017F;cheinen<lb/>
neben dem Ko&#x0364;nige als der politi&#x017F;ch berechtigte Theil der Na-<lb/>
tion. Als nun nach und nach die in Deut&#x017F;chland gebliebenen<lb/>
Vo&#x0364;lker&#x017F;chaften unterworfen, und den Franken als freie Ge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en zuge&#x017F;ellt wurden, &#x017F;o kam zu dem fra&#x0364;nki&#x017F;chen Dien&#x017F;t-<lb/>
mannenrecht, welches &#x017F;chon das Lehenwe&#x017F;en im Keime in &#x017F;ich<lb/>
trug, die alte germani&#x017F;che Volksfreiheit hinzu, welche in der<lb/>
Heimath treu bewahrt worden war. Daraus ergab &#x017F;ich nun<lb/>
ein doppeltes Element der Verfa&#x017F;&#x017F;ung, welches wir unter den<lb/>
er&#x017F;ten Karolingern, und namentlich unter Karl dem Großen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0020] Erſtes Kapitel. Einfluſſes ſich am Entſchiedenſten in der Regierung dieſes ge- waltigen Fuͤrſten darſtellt, deſſen Schoͤpfungen die ſicherſte Ge- waͤhr der Dauer in ſich trugen, weil ſie dem Geiſte der Zeit und wahrhaft nationalen Beduͤrfniſſen entſprachen. Um nun die Stellung der Deutſchen in der fraͤnkiſchen Monarchie richtig aufzufaſſen, muß die eigenthuͤmliche Lage der oͤffentlichen Verhaͤltniſſe gehoͤrig gewuͤrdigt, und namentlich der Gegenſatz, in welchem ſich die rein deutſchen Staͤmme zu den in den roͤmiſchen Provinzen angeſiedelten befanden, beſtimmt hervorgehoben werden. Die letzteren, als deren Repraͤſentan- ten die in Gallien anſaͤſſig gewordenen Franken genommen werden koͤnnen, waren fruͤh chriſtianiſirt, der aͤußern Cultur und mancher Verwaltungsformen der Provinzialen theilhaftig geworden; ſie waren ferner, was beſonders zu erwaͤgen, zum großen Theile aus Gefolgſchaften hervorgegangen, und deswe- gen geneigt, in ein beſtimmtes Dienſtverhaͤltniß zum Koͤnige zu treten, welches dem urſpruͤnglichen Princip der gemeinen Freiheit, wenn auch nicht geradezu widerſtrebte, doch weſentli- chen Abbruch that. Dieſes tritt daher bei den Franken all- maͤlig zuruͤck, und die hohe Geiſtlichkeit und die vornehmen Dienſtmannen, in der Reichsverſammlung vereinigt, erſcheinen neben dem Koͤnige als der politiſch berechtigte Theil der Na- tion. Als nun nach und nach die in Deutſchland gebliebenen Voͤlkerſchaften unterworfen, und den Franken als freie Ge- noſſen zugeſellt wurden, ſo kam zu dem fraͤnkiſchen Dienſt- mannenrecht, welches ſchon das Lehenweſen im Keime in ſich trug, die alte germaniſche Volksfreiheit hinzu, welche in der Heimath treu bewahrt worden war. Daraus ergab ſich nun ein doppeltes Element der Verfaſſung, welches wir unter den erſten Karolingern, und namentlich unter Karl dem Großen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/20
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/20>, abgerufen am 28.03.2024.