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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Einleitende Bestimmungen.
ten singulairen Vorschriften für strafbare Handlungen, die nicht den mi-
litairischen Verbrechen beizuzählen sind, bisher ihre volle Wirksamkeit
behalten, wie sich aus §. 192. Thl. I. des Militair-Strafgesetzbuchs
deutlich ergiebt. Diese Vorschriften beziehen sich hauptsächlich auf den
Diebstahl, die Unterschlagung, den Betrug, die Fälschung, sowie auf
Schlägereien, leichte Körperverletzungen und auf die mit zehnjähriger
Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechen. Sie sind enthalten in dem letzten
Theile der Kriegsartikel (Art. 60. u. folgde.) und in den §§. 60.
u. folgde. der Verordnung vom 27. Juni 1844. Dabei bleibt zu berück-
sichtigen, daß sie nur auf Unteroffiziere und Soldaten Anwendung fin-
den, weil die Kriegsartikel nicht für alle Militairpersonen, sondern nur
für Unteroffiziere und Soldaten ertheilt sind.

Der erste Theil des Militair-Strafgesetzbuchs dagegen enthält im
1. Titel die singulairen Vorschriften über die bei der Verurtheilung der
Militairpersonen von den Gerichten anzuwendenden Strafarten und über
das Verhältniß der bürgerlichen und militairischen Strafen zu einander.

Da, wie bereits erwähnt worden, der vorstehende §. 5. das seit-
her schon bestandene Verhältniß der allgemeinen Strafgesetze zu den
Militairgesetzen nicht ändert, so könnte es den Anschein gewinnen, als
ob die Militairgesetze durch die Vorschriften des allgemeinen Strafgesetz-
buchs gar nicht alterirt würden, indem letztere nur an die Stelle der
bisher bestandenen allgemeinen Strafgesetze treten und ebenso wie diese
erst dann auf Militairpersonen Anwendung finden sollen, wenn die Mi-
litairgesetze nicht ein Anderes bestimmen. Insoweit die Militair-Straf-
gesetze ein Spezialrecht bilden, ist dieß auch fast durchgehends richtig;
anders dagegen verhält es sich mit denjenigen Vorschriften der Militair-
gesetze die als Singularrecht, den allgemeinen Strafgesetzen gegenüber,
zu betrachten sind. Diese Vorschriften sind durch die bis jetzt gültig ge-
wesenen allgemeinen Strafgesetze, namentlich durch die Bestimmungen
des Tit. 20. Th. II. des Allgemeinen Landrechts hervorgerufen und ste-
hen mit denselben insofern in einem genauen Zusammenhange, als sie
an diese Bestimmungen sich anschließen und die durch die Militair-
verhältnisse bedingten Modifikationen derselben enthalten. Die Aufhe-
bung jener Gesetze, insbesondere des Tit. 20. Th. II. des Allgemeinen
Landrechts würde daher nur dann auf jene singulairen Vorschriften der
Militairgesetze ohne Einfluß sein, wenn die Bestimmungen, durch welche
sie hervorgerufen sind, in das allgemeine Strafgesetzbuch aufgenommen
worden wären. Dies ist jedoch nicht geschehen. Das allgemeine Straf-
gesetzbuch hat diese Bestimmungen theils gar nicht, theils nur unter we-
sentlichen Aenderungen beibehalten. Deshalb verlieren mit der Einfüh-
rung des allgemeinen Strafgesetzbuchs jene singulairen Vorschriften der

Einleitende Beſtimmungen.
ten ſingulairen Vorſchriften für ſtrafbare Handlungen, die nicht den mi-
litairiſchen Verbrechen beizuzählen ſind, bisher ihre volle Wirkſamkeit
behalten, wie ſich aus §. 192. Thl. I. des Militair-Strafgeſetzbuchs
deutlich ergiebt. Dieſe Vorſchriften beziehen ſich hauptſächlich auf den
Diebſtahl, die Unterſchlagung, den Betrug, die Fälſchung, ſowie auf
Schlägereien, leichte Körperverletzungen und auf die mit zehnjähriger
Freiheitsſtrafe bedrohten Verbrechen. Sie ſind enthalten in dem letzten
Theile der Kriegsartikel (Art. 60. u. folgde.) und in den §§. 60.
u. folgde. der Verordnung vom 27. Juni 1844. Dabei bleibt zu berück-
ſichtigen, daß ſie nur auf Unteroffiziere und Soldaten Anwendung fin-
den, weil die Kriegsartikel nicht für alle Militairperſonen, ſondern nur
für Unteroffiziere und Soldaten ertheilt ſind.

Der erſte Theil des Militair-Strafgeſetzbuchs dagegen enthält im
1. Titel die ſingulairen Vorſchriften über die bei der Verurtheilung der
Militairperſonen von den Gerichten anzuwendenden Strafarten und über
das Verhältniß der bürgerlichen und militairiſchen Strafen zu einander.

Da, wie bereits erwähnt worden, der vorſtehende §. 5. das ſeit-
her ſchon beſtandene Verhältniß der allgemeinen Strafgeſetze zu den
Militairgeſetzen nicht ändert, ſo könnte es den Anſchein gewinnen, als
ob die Militairgeſetze durch die Vorſchriften des allgemeinen Strafgeſetz-
buchs gar nicht alterirt würden, indem letztere nur an die Stelle der
bisher beſtandenen allgemeinen Strafgeſetze treten und ebenſo wie dieſe
erſt dann auf Militairperſonen Anwendung finden ſollen, wenn die Mi-
litairgeſetze nicht ein Anderes beſtimmen. Inſoweit die Militair-Straf-
geſetze ein Spezialrecht bilden, iſt dieß auch faſt durchgehends richtig;
anders dagegen verhält es ſich mit denjenigen Vorſchriften der Militair-
geſetze die als Singularrecht, den allgemeinen Strafgeſetzen gegenüber,
zu betrachten ſind. Dieſe Vorſchriften ſind durch die bis jetzt gültig ge-
weſenen allgemeinen Strafgeſetze, namentlich durch die Beſtimmungen
des Tit. 20. Th. II. des Allgemeinen Landrechts hervorgerufen und ſte-
hen mit denſelben inſofern in einem genauen Zuſammenhange, als ſie
an dieſe Beſtimmungen ſich anſchließen und die durch die Militair-
verhältniſſe bedingten Modifikationen derſelben enthalten. Die Aufhe-
bung jener Geſetze, insbeſondere des Tit. 20. Th. II. des Allgemeinen
Landrechts würde daher nur dann auf jene ſingulairen Vorſchriften der
Militairgeſetze ohne Einfluß ſein, wenn die Beſtimmungen, durch welche
ſie hervorgerufen ſind, in das allgemeine Strafgeſetzbuch aufgenommen
worden wären. Dies iſt jedoch nicht geſchehen. Das allgemeine Straf-
geſetzbuch hat dieſe Beſtimmungen theils gar nicht, theils nur unter we-
ſentlichen Aenderungen beibehalten. Deshalb verlieren mit der Einfüh-
rung des allgemeinen Strafgeſetzbuchs jene ſingulairen Vorſchriften der

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[80/0090] Einleitende Beſtimmungen. ten ſingulairen Vorſchriften für ſtrafbare Handlungen, die nicht den mi- litairiſchen Verbrechen beizuzählen ſind, bisher ihre volle Wirkſamkeit behalten, wie ſich aus §. 192. Thl. I. des Militair-Strafgeſetzbuchs deutlich ergiebt. Dieſe Vorſchriften beziehen ſich hauptſächlich auf den Diebſtahl, die Unterſchlagung, den Betrug, die Fälſchung, ſowie auf Schlägereien, leichte Körperverletzungen und auf die mit zehnjähriger Freiheitsſtrafe bedrohten Verbrechen. Sie ſind enthalten in dem letzten Theile der Kriegsartikel (Art. 60. u. folgde.) und in den §§. 60. u. folgde. der Verordnung vom 27. Juni 1844. Dabei bleibt zu berück- ſichtigen, daß ſie nur auf Unteroffiziere und Soldaten Anwendung fin- den, weil die Kriegsartikel nicht für alle Militairperſonen, ſondern nur für Unteroffiziere und Soldaten ertheilt ſind. Der erſte Theil des Militair-Strafgeſetzbuchs dagegen enthält im 1. Titel die ſingulairen Vorſchriften über die bei der Verurtheilung der Militairperſonen von den Gerichten anzuwendenden Strafarten und über das Verhältniß der bürgerlichen und militairiſchen Strafen zu einander. Da, wie bereits erwähnt worden, der vorſtehende §. 5. das ſeit- her ſchon beſtandene Verhältniß der allgemeinen Strafgeſetze zu den Militairgeſetzen nicht ändert, ſo könnte es den Anſchein gewinnen, als ob die Militairgeſetze durch die Vorſchriften des allgemeinen Strafgeſetz- buchs gar nicht alterirt würden, indem letztere nur an die Stelle der bisher beſtandenen allgemeinen Strafgeſetze treten und ebenſo wie dieſe erſt dann auf Militairperſonen Anwendung finden ſollen, wenn die Mi- litairgeſetze nicht ein Anderes beſtimmen. Inſoweit die Militair-Straf- geſetze ein Spezialrecht bilden, iſt dieß auch faſt durchgehends richtig; anders dagegen verhält es ſich mit denjenigen Vorſchriften der Militair- geſetze die als Singularrecht, den allgemeinen Strafgeſetzen gegenüber, zu betrachten ſind. Dieſe Vorſchriften ſind durch die bis jetzt gültig ge- weſenen allgemeinen Strafgeſetze, namentlich durch die Beſtimmungen des Tit. 20. Th. II. des Allgemeinen Landrechts hervorgerufen und ſte- hen mit denſelben inſofern in einem genauen Zuſammenhange, als ſie an dieſe Beſtimmungen ſich anſchließen und die durch die Militair- verhältniſſe bedingten Modifikationen derſelben enthalten. Die Aufhe- bung jener Geſetze, insbeſondere des Tit. 20. Th. II. des Allgemeinen Landrechts würde daher nur dann auf jene ſingulairen Vorſchriften der Militairgeſetze ohne Einfluß ſein, wenn die Beſtimmungen, durch welche ſie hervorgerufen ſind, in das allgemeine Strafgeſetzbuch aufgenommen worden wären. Dies iſt jedoch nicht geſchehen. Das allgemeine Straf- geſetzbuch hat dieſe Beſtimmungen theils gar nicht, theils nur unter we- ſentlichen Aenderungen beibehalten. Deshalb verlieren mit der Einfüh- rung des allgemeinen Strafgeſetzbuchs jene ſingulairen Vorſchriften der

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/90>, abgerufen am 19.04.2024.