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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Einleitende Bestimmungen.
die auch später von Seiten der Staatsregierung vorgelegt und vom
Ausschusse genehmigt wurde, und daraus ist die gegenwärtige Fassung
des Gesetzbuchs hervorgegangen. f) Dieselbe ist aber enger, als die
damals angenommene, und auch ein zweiter Fall, in welchem nach je-
nem Entwurf die Bestrafung einer im Auslande von einem Ausländer
begangenen Handlung in Preußen statt finden sollte, -- nämlich wenn
ein Preußischer Unterthan dadurch verletzt wird, -- ist jetzt weggeblie-
ben. Dieß beruht nach den Motiven auf der Erwägung, daß einerseits
bei gemeinen Verbrechen keine Gesetzgebung unterscheidet, ob sie gegen
Inländer oder Ausländer begangen sind, also von Seiten des auslän-
dischen Staats die Bestrafung wegen solcher gegen einen Preußen ver-
übten Verbrechen und Vergehen eintreten wird, andererseits aber der
Begriff der gegen eine Person begangenen Verbrechen sehr unbestimmt
ist, indem beispielsweise es zweifelhaft sein würde, ob Zweikampf und
Wucher unter diese Kategorie von Verbrechen zu zählen seien oder
nicht. g)

Auf das Bedenken aber, daß nach dem angenommenen Grundsatze
schlimme Uebelstände eintreten könnten, und Preußen, uneingedenk seiner
völkerrechtlichen Verpflichtungen, Verbrecher ungestraft bei sich dulden
würde, ist schon früher von Seiten des Ministeriums für die Gesetz-
Revision treffend geantwortet worden: daß wir den ausländischen Ver-
brecher, den wir nicht bestrafen können, entweder ausliefern oder bloß
ausweisen oder ihn ein Asyl bei uns finden lassen und ihn allenfalls
nur polizeilich überwachen. Mit den meisten benachbarten Staaten
seien auch Reziprozitätsverträge über Auslieferung der Verbrecher abge-
schlossen. h)

Die Verfolgung und Bestrafung ist ferner zulässig

2. wenn ein Preuße im Auslande gegen Preußen eine hoch-
verrätherische oder eine landesverrätherische Handlung, eine Majestäts-
beleidigung oder ein Münzverbrechen begangen hat, so wie

3. wenn ein Preuße im Auslande eine Handlung begangen
hat, welche nach Preußischen Gesetzen als ein Verbrechen oder ein Ver-
gehen bestraft wird. Für diesen dritten Ausnahmefall sind aber noch
besondere Bestimmungen hinzugefügt worden.

a. Die Handlung soll nur bestraft werden, wenn sie auch durch
die Gesetze des Orts, wo sie begangen wurde, mit Strafe bedroht ist.


f) Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses. I.
S. 174. II. S. 55. -- I. S. 361. IV. S. 704. Die hier genannten Verbrechen
sind: Hochverrath, Landesverrath, Majestätsbeleidigung in den Fällen der §§. 99-104.
und 106. und Münzfälschung.
g) Motive zum Entwurf von 1850. §. 4.
h) Revision von 1845. I. S. 12.

Einleitende Beſtimmungen.
die auch ſpäter von Seiten der Staatsregierung vorgelegt und vom
Ausſchuſſe genehmigt wurde, und daraus iſt die gegenwärtige Faſſung
des Geſetzbuchs hervorgegangen. f) Dieſelbe iſt aber enger, als die
damals angenommene, und auch ein zweiter Fall, in welchem nach je-
nem Entwurf die Beſtrafung einer im Auslande von einem Ausländer
begangenen Handlung in Preußen ſtatt finden ſollte, — nämlich wenn
ein Preußiſcher Unterthan dadurch verletzt wird, — iſt jetzt weggeblie-
ben. Dieß beruht nach den Motiven auf der Erwägung, daß einerſeits
bei gemeinen Verbrechen keine Geſetzgebung unterſcheidet, ob ſie gegen
Inländer oder Ausländer begangen ſind, alſo von Seiten des auslän-
diſchen Staats die Beſtrafung wegen ſolcher gegen einen Preußen ver-
übten Verbrechen und Vergehen eintreten wird, andererſeits aber der
Begriff der gegen eine Perſon begangenen Verbrechen ſehr unbeſtimmt
iſt, indem beiſpielsweiſe es zweifelhaft ſein würde, ob Zweikampf und
Wucher unter dieſe Kategorie von Verbrechen zu zählen ſeien oder
nicht. g)

Auf das Bedenken aber, daß nach dem angenommenen Grundſatze
ſchlimme Uebelſtände eintreten könnten, und Preußen, uneingedenk ſeiner
völkerrechtlichen Verpflichtungen, Verbrecher ungeſtraft bei ſich dulden
würde, iſt ſchon früher von Seiten des Miniſteriums für die Geſetz-
Reviſion treffend geantwortet worden: daß wir den ausländiſchen Ver-
brecher, den wir nicht beſtrafen können, entweder ausliefern oder bloß
ausweiſen oder ihn ein Aſyl bei uns finden laſſen und ihn allenfalls
nur polizeilich überwachen. Mit den meiſten benachbarten Staaten
ſeien auch Reziprozitätsverträge über Auslieferung der Verbrecher abge-
ſchloſſen. h)

Die Verfolgung und Beſtrafung iſt ferner zuläſſig

2. wenn ein Preuße im Auslande gegen Preußen eine hoch-
verrätheriſche oder eine landesverrätheriſche Handlung, eine Majeſtäts-
beleidigung oder ein Münzverbrechen begangen hat, ſo wie

3. wenn ein Preuße im Auslande eine Handlung begangen
hat, welche nach Preußiſchen Geſetzen als ein Verbrechen oder ein Ver-
gehen beſtraft wird. Für dieſen dritten Ausnahmefall ſind aber noch
beſondere Beſtimmungen hinzugefügt worden.

a. Die Handlung ſoll nur beſtraft werden, wenn ſie auch durch
die Geſetze des Orts, wo ſie begangen wurde, mit Strafe bedroht iſt.


f) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. I.
S. 174. II. S. 55. — I. S. 361. IV. S. 704. Die hier genannten Verbrechen
ſind: Hochverrath, Landesverrath, Majeſtätsbeleidigung in den Fällen der §§. 99-104.
und 106. und Münzfälſchung.
g) Motive zum Entwurf von 1850. §. 4.
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[76/0086] Einleitende Beſtimmungen. die auch ſpäter von Seiten der Staatsregierung vorgelegt und vom Ausſchuſſe genehmigt wurde, und daraus iſt die gegenwärtige Faſſung des Geſetzbuchs hervorgegangen. f) Dieſelbe iſt aber enger, als die damals angenommene, und auch ein zweiter Fall, in welchem nach je- nem Entwurf die Beſtrafung einer im Auslande von einem Ausländer begangenen Handlung in Preußen ſtatt finden ſollte, — nämlich wenn ein Preußiſcher Unterthan dadurch verletzt wird, — iſt jetzt weggeblie- ben. Dieß beruht nach den Motiven auf der Erwägung, daß einerſeits bei gemeinen Verbrechen keine Geſetzgebung unterſcheidet, ob ſie gegen Inländer oder Ausländer begangen ſind, alſo von Seiten des auslän- diſchen Staats die Beſtrafung wegen ſolcher gegen einen Preußen ver- übten Verbrechen und Vergehen eintreten wird, andererſeits aber der Begriff der gegen eine Perſon begangenen Verbrechen ſehr unbeſtimmt iſt, indem beiſpielsweiſe es zweifelhaft ſein würde, ob Zweikampf und Wucher unter dieſe Kategorie von Verbrechen zu zählen ſeien oder nicht. g) Auf das Bedenken aber, daß nach dem angenommenen Grundſatze ſchlimme Uebelſtände eintreten könnten, und Preußen, uneingedenk ſeiner völkerrechtlichen Verpflichtungen, Verbrecher ungeſtraft bei ſich dulden würde, iſt ſchon früher von Seiten des Miniſteriums für die Geſetz- Reviſion treffend geantwortet worden: daß wir den ausländiſchen Ver- brecher, den wir nicht beſtrafen können, entweder ausliefern oder bloß ausweiſen oder ihn ein Aſyl bei uns finden laſſen und ihn allenfalls nur polizeilich überwachen. Mit den meiſten benachbarten Staaten ſeien auch Reziprozitätsverträge über Auslieferung der Verbrecher abge- ſchloſſen. h) Die Verfolgung und Beſtrafung iſt ferner zuläſſig 2. wenn ein Preuße im Auslande gegen Preußen eine hoch- verrätheriſche oder eine landesverrätheriſche Handlung, eine Majeſtäts- beleidigung oder ein Münzverbrechen begangen hat, ſo wie 3. wenn ein Preuße im Auslande eine Handlung begangen hat, welche nach Preußiſchen Geſetzen als ein Verbrechen oder ein Ver- gehen beſtraft wird. Für dieſen dritten Ausnahmefall ſind aber noch beſondere Beſtimmungen hinzugefügt worden. a. Die Handlung ſoll nur beſtraft werden, wenn ſie auch durch die Geſetze des Orts, wo ſie begangen wurde, mit Strafe bedroht iſt. f) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. I. S. 174. II. S. 55. — I. S. 361. IV. S. 704. Die hier genannten Verbrechen ſind: Hochverrath, Landesverrath, Majeſtätsbeleidigung in den Fällen der §§. 99-104. und 106. und Münzfälſchung. g) Motive zum Entwurf von 1850. §. 4. h) Reviſion von 1845. I. S. 12.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/86>, abgerufen am 25.04.2024.