Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitende Bestimmungen.
wolle, sei in dem Entwurf nach dessen ganzem Strafsysteme so scharf
ausgeprägt, daß eine künftige Gesetzgebung es nicht wohl werde ver-
kennen können. Vereinigten sich aber die drei Faktoren der Gesetzgebung
einmal darüber, es zu verlassen, so werde auch eine ausdrückliche Be-
stimmung des Strafgesetzbuchs dieß nicht hindern können. Was aber die
einzelnen Strafgesetze betreffe, die neben dem Gesetzbuch noch in Kraft
bleiben würden, so sei in dem Einführungsgesetz das Nöthige anzuord-
nen, um sie mit den in §. 1. aufgestellten Vorschriften in Einklang zu
bringen. Durch den beantragten Zusatz werde dieß aber nicht erreicht,
da sowohl das bisher geltende System der Freiheitsstrafen als auch die
Grundsätze, nach welchen bisher in der Form der Aberkennung der Na-
tionalkokarde die Ehrenstrafen ausgesprochen worden, von denen des
Strafgesetzbuchs wesentlich abwichen.

In Folge dieser Erörterungen und nachdem man sich darin ein-
verstanden gezeigt hatte, das im Gesetzbuch befolgte Princip über die
Aberkennung der Ehrenrechte, soweit es bei der Kommission stehe, kon-
sequent aufrecht zu erhalten und auch im Einführungsgesetz zur Geltung
zu bringen, wurde der Antrag auf eine Abänderung des §. 1. in dem
angegebenen Sinne abgelehnt. i)

III. In den älteren Entwürfen des Strafgesetzbuchs findet sich die
Bestimmung, daß unter der Bezeichnung: Handlungen, auch die
Unterlassungen begriffen seien; so im Entwurf von 1836.

§. 7. "Die in diesem Titel enthaltenen, allgemeinen Vorschriften
über verbrecherische Handlungen gelten auch von verbrecherischen Unter-
lassungen."

Später ließ man diese Vorschrift, die sich übrigens in den meisten
deutschen Strafgesetzbüchern findet, als sich von selbst verstehend weg,
und auch der §. 1 spricht nur von Handlungen. In der Kommission
der zweiten Kammer ward dieß zur Sprache gebracht, ohne daß man
eine Abänderung für nöthig hielt; auch in der Kommission der ersten
Kammer hielt man die Fassung für unverfänglich, indem man erwog,
daß die Bestimmung des §. 1 nur die sei, die Grenzen der Kompetenz
nach der Höhe der Strafen abzumessen, und daß auch an andern Stel-
len des Gesetzentwurfs der Ausdruck Handlung die entsprechende Unter-
lassung mit bezeichne. k)


i) S. den Bericht der Kommission der zweiten Kammer a. a. O. S. 56-59.
k) S. Sitzungsprotokoll der Kommission der zweiten Kammer
vom 10. Jan. 1851. sub Nr. V. -- Bericht der Kommission der ersten
Kammer
zu §. 1.

Einleitende Beſtimmungen.
wolle, ſei in dem Entwurf nach deſſen ganzem Strafſyſteme ſo ſcharf
ausgeprägt, daß eine künftige Geſetzgebung es nicht wohl werde ver-
kennen können. Vereinigten ſich aber die drei Faktoren der Geſetzgebung
einmal darüber, es zu verlaſſen, ſo werde auch eine ausdrückliche Be-
ſtimmung des Strafgeſetzbuchs dieß nicht hindern können. Was aber die
einzelnen Strafgeſetze betreffe, die neben dem Geſetzbuch noch in Kraft
bleiben würden, ſo ſei in dem Einführungsgeſetz das Nöthige anzuord-
nen, um ſie mit den in §. 1. aufgeſtellten Vorſchriften in Einklang zu
bringen. Durch den beantragten Zuſatz werde dieß aber nicht erreicht,
da ſowohl das bisher geltende Syſtem der Freiheitsſtrafen als auch die
Grundſätze, nach welchen bisher in der Form der Aberkennung der Na-
tionalkokarde die Ehrenſtrafen ausgeſprochen worden, von denen des
Strafgeſetzbuchs weſentlich abwichen.

In Folge dieſer Erörterungen und nachdem man ſich darin ein-
verſtanden gezeigt hatte, das im Geſetzbuch befolgte Princip über die
Aberkennung der Ehrenrechte, ſoweit es bei der Kommiſſion ſtehe, kon-
ſequent aufrecht zu erhalten und auch im Einführungsgeſetz zur Geltung
zu bringen, wurde der Antrag auf eine Abänderung des §. 1. in dem
angegebenen Sinne abgelehnt. i)

III. In den älteren Entwürfen des Strafgeſetzbuchs findet ſich die
Beſtimmung, daß unter der Bezeichnung: Handlungen, auch die
Unterlaſſungen begriffen ſeien; ſo im Entwurf von 1836.

§. 7. „Die in dieſem Titel enthaltenen, allgemeinen Vorſchriften
über verbrecheriſche Handlungen gelten auch von verbrecheriſchen Unter-
laſſungen.“

Später ließ man dieſe Vorſchrift, die ſich übrigens in den meiſten
deutſchen Strafgeſetzbüchern findet, als ſich von ſelbſt verſtehend weg,
und auch der §. 1 ſpricht nur von Handlungen. In der Kommiſſion
der zweiten Kammer ward dieß zur Sprache gebracht, ohne daß man
eine Abänderung für nöthig hielt; auch in der Kommiſſion der erſten
Kammer hielt man die Faſſung für unverfänglich, indem man erwog,
daß die Beſtimmung des §. 1 nur die ſei, die Grenzen der Kompetenz
nach der Höhe der Strafen abzumeſſen, und daß auch an andern Stel-
len des Geſetzentwurfs der Ausdruck Handlung die entſprechende Unter-
laſſung mit bezeichne. k)


i) S. den Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer a. a. O. S. 56-59.
k) S. Sitzungsprotokoll der Kommiſſion der zweiten Kammer
vom 10. Jan. 1851. sub Nr. V. — Bericht der Kommiſſion der erſten
Kammer
zu §. 1.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0076" n="66"/><fw place="top" type="header">Einleitende Be&#x017F;timmungen.</fw><lb/>
wolle,         &#x017F;ei in dem Entwurf nach de&#x017F;&#x017F;en ganzem         Straf&#x017F;y&#x017F;teme &#x017F;o &#x017F;charf<lb/>
ausgeprägt, daß eine         künftige Ge&#x017F;etzgebung es nicht wohl werde ver-<lb/>
kennen können. Vereinigten         &#x017F;ich aber die drei Faktoren der Ge&#x017F;etzgebung<lb/>
einmal darüber, es zu         verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o werde auch eine ausdrückliche         Be-<lb/>
&#x017F;timmung des Strafge&#x017F;etzbuchs dieß nicht hindern können. Was         aber die<lb/>
einzelnen Strafge&#x017F;etze betreffe, die neben dem Ge&#x017F;etzbuch         noch in Kraft<lb/>
bleiben würden, &#x017F;o &#x017F;ei in dem         Einführungsge&#x017F;etz das Nöthige anzuord-<lb/>
nen, um &#x017F;ie mit den in §.         1. aufge&#x017F;tellten Vor&#x017F;chriften in Einklang zu<lb/>
bringen. Durch den         beantragten Zu&#x017F;atz werde dieß aber nicht erreicht,<lb/>
da &#x017F;owohl das         bisher geltende Sy&#x017F;tem der Freiheits&#x017F;trafen als auch         die<lb/>
Grund&#x017F;ätze, nach welchen bisher in der Form der Aberkennung der         Na-<lb/>
tionalkokarde die Ehren&#x017F;trafen ausge&#x017F;prochen worden, von denen         des<lb/>
Strafge&#x017F;etzbuchs we&#x017F;entlich abwichen.</p><lb/>
              <p>In Folge die&#x017F;er Erörterungen und nachdem man &#x017F;ich darin         ein-<lb/>
ver&#x017F;tanden gezeigt hatte, das im Ge&#x017F;etzbuch befolgte Princip         über die<lb/>
Aberkennung der Ehrenrechte, &#x017F;oweit es bei der         Kommi&#x017F;&#x017F;ion &#x017F;tehe, kon-<lb/>
&#x017F;equent aufrecht zu         erhalten und auch im Einführungsge&#x017F;etz zur Geltung<lb/>
zu bringen, wurde der         Antrag auf eine Abänderung des §. 1. in dem<lb/>
angegebenen Sinne abgelehnt. <note place="foot" n="i)">S. <hi rendition="#g">den Bericht der Kommi&#x017F;&#x017F;ion           der zweiten Kammer</hi> a. a. O. S. 56-59.</note>        </p><lb/>
              <p>III. In den älteren Entwürfen des Strafge&#x017F;etzbuchs findet &#x017F;ich         die<lb/>
Be&#x017F;timmung, daß unter der Bezeichnung: <hi rendition="#g">Handlungen</hi>, auch die<lb/><hi rendition="#g">Unterla&#x017F;&#x017F;ungen</hi> begriffen &#x017F;eien; &#x017F;o im Entwurf von 1836.</p><lb/>
              <p>§. 7. &#x201E;Die in die&#x017F;em Titel enthaltenen, allgemeinen         Vor&#x017F;chriften<lb/>
über verbrecheri&#x017F;che Handlungen gelten auch von         verbrecheri&#x017F;chen Unter-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ungen.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Später ließ man die&#x017F;e Vor&#x017F;chrift, die &#x017F;ich übrigens in         den mei&#x017F;ten<lb/>
deut&#x017F;chen Strafge&#x017F;etzbüchern findet, als         &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;tehend weg,<lb/>
und auch der         §. 1 &#x017F;pricht nur von Handlungen. In der Kommi&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
der         zweiten Kammer ward dieß zur Sprache gebracht, ohne daß man<lb/>
eine Abänderung für nöthig         hielt; auch in der Kommi&#x017F;&#x017F;ion der er&#x017F;ten<lb/>
Kammer hielt         man die Fa&#x017F;&#x017F;ung für unverfänglich, indem man erwog,<lb/>
daß die         Be&#x017F;timmung des §. 1 nur die &#x017F;ei, die Grenzen der Kompetenz<lb/>
nach         der Höhe der Strafen abzume&#x017F;&#x017F;en, und daß auch an andern Stel-<lb/>
len         des Ge&#x017F;etzentwurfs der Ausdruck Handlung die ent&#x017F;prechende         Unter-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ung mit bezeichne. <note place="foot" n="k)">S. <hi rendition="#g">Sitzungsprotokoll der Kommi&#x017F;&#x017F;ion der zweiten           Kammer</hi><lb/>
vom 10. Jan. 1851. <hi rendition="#aq">sub</hi> Nr. V. &#x2014; <hi rendition="#g">Bericht der Kommi&#x017F;&#x017F;ion der er&#x017F;ten<lb/>
Kammer</hi> zu §. 1.</note>        </p>
            </div>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0076] Einleitende Beſtimmungen. wolle, ſei in dem Entwurf nach deſſen ganzem Strafſyſteme ſo ſcharf ausgeprägt, daß eine künftige Geſetzgebung es nicht wohl werde ver- kennen können. Vereinigten ſich aber die drei Faktoren der Geſetzgebung einmal darüber, es zu verlaſſen, ſo werde auch eine ausdrückliche Be- ſtimmung des Strafgeſetzbuchs dieß nicht hindern können. Was aber die einzelnen Strafgeſetze betreffe, die neben dem Geſetzbuch noch in Kraft bleiben würden, ſo ſei in dem Einführungsgeſetz das Nöthige anzuord- nen, um ſie mit den in §. 1. aufgeſtellten Vorſchriften in Einklang zu bringen. Durch den beantragten Zuſatz werde dieß aber nicht erreicht, da ſowohl das bisher geltende Syſtem der Freiheitsſtrafen als auch die Grundſätze, nach welchen bisher in der Form der Aberkennung der Na- tionalkokarde die Ehrenſtrafen ausgeſprochen worden, von denen des Strafgeſetzbuchs weſentlich abwichen. In Folge dieſer Erörterungen und nachdem man ſich darin ein- verſtanden gezeigt hatte, das im Geſetzbuch befolgte Princip über die Aberkennung der Ehrenrechte, ſoweit es bei der Kommiſſion ſtehe, kon- ſequent aufrecht zu erhalten und auch im Einführungsgeſetz zur Geltung zu bringen, wurde der Antrag auf eine Abänderung des §. 1. in dem angegebenen Sinne abgelehnt. i) III. In den älteren Entwürfen des Strafgeſetzbuchs findet ſich die Beſtimmung, daß unter der Bezeichnung: Handlungen, auch die Unterlaſſungen begriffen ſeien; ſo im Entwurf von 1836. §. 7. „Die in dieſem Titel enthaltenen, allgemeinen Vorſchriften über verbrecheriſche Handlungen gelten auch von verbrecheriſchen Unter- laſſungen.“ Später ließ man dieſe Vorſchrift, die ſich übrigens in den meiſten deutſchen Strafgeſetzbüchern findet, als ſich von ſelbſt verſtehend weg, und auch der §. 1 ſpricht nur von Handlungen. In der Kommiſſion der zweiten Kammer ward dieß zur Sprache gebracht, ohne daß man eine Abänderung für nöthig hielt; auch in der Kommiſſion der erſten Kammer hielt man die Faſſung für unverfänglich, indem man erwog, daß die Beſtimmung des §. 1 nur die ſei, die Grenzen der Kompetenz nach der Höhe der Strafen abzumeſſen, und daß auch an andern Stel- len des Geſetzentwurfs der Ausdruck Handlung die entſprechende Unter- laſſung mit bezeichne. k) i) S. den Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer a. a. O. S. 56-59. k) S. Sitzungsprotokoll der Kommiſſion der zweiten Kammer vom 10. Jan. 1851. sub Nr. V. — Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §. 1.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/76
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/76>, abgerufen am 29.03.2024.