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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 67-71. Landesverrath.
so kommt die Vorschrift des §. 68. nicht zur Anwendung, und, wie
sich von selbst versteht, ebenso wenig umgekehrt, wenn der Bundesge-
nosse, gegen welchen der Preuße dient, nicht an dem Kriege Preußens
Theil nimmt. Wenn z. B. Oestreich der Bundesgenosse Preußens ist,
und einen Krieg gegen die Türkei führt, an welchem Preußen nicht
Theil nimmt, so kann ein Preußischer Unterthan im Türkischen Heere
fortdienen; und dieß würde dadurch nicht verändert werden, wenn
Preußen gleichzeitig einen Krieg etwa gegen Rußland führte, an wel-
chem sich wieder Oestreich nicht betheiligte. Der entscheidende Punkt ist,
daß ein Krieg gegen Preußen ausgebrochen ist, und daß in diesem
Kriege der Dienst im feindlichen Heere Landesverrath begründet, --
einerlei ob die Waffen gegen die Preußischen Fahnen unmittelbar oder
gegen die der Bundesgenossen getragen werden.

III. Ein Preuße, welcher während eines gegen Preußen ausge-
brochenen Krieges einer feindlichen Macht wissentlich Vorschub leistet,
oder den Truppen Preußens oder seiner Bundesgenossen, in dem so
eben entwickelten Sinn des Wortes, wissentlich Nachtheil zufügt, wird
mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft (§. 69.). In besonders
erschwerten Fällen, welche a. a. O. einzeln aufgeführt sind, tritt die
Todesstrafe ein. Der Entwurf von 1847. §. 89. hatte noch den Fall
hinzugefügt, wenn dem Feinde Wege oder Fuhrten nachgewiesen werden;
derselbe wurde aber mit Rücksicht auf den von feindlichen Heerführern
geübten Kriegsgebrauch, und auf die allgemeine Strafbestimmung des
Paragraphen, welche hier für den Fall des vorsätzlichen Landesverraths
ausreiche, weggelassen, und auch in der Kommission der zweiten Kammer
fand ein Antrag auf die Wiederherstellung keine Zustimmung. c)

IV. Nachdem der Landesverrath in Beziehung auf den Krieg in
seinen einzelnen Erscheinungen behandelt worden, folgt noch eine allge-
meine Bestimmung über den Fall, wenn eine solche Handlung von
einem Ausländer begangen worden ist (§. 70.) Nach den Bestimmun-
gen der §§. 3. und 4. würde sich die Sache so verhalten, daß, wenn
das Verbrechen in Preußen begangen worden, die Vorschriften des
Strafgesetzbuchs unbedingt zur Anwendung kommen, während, wenn es
im Auslande begangen worden ist, in Preußen keine Verfolgung und
Bestrafung desselben stattfindet. Unter den in §. 4. aufgeführten Aus-
nahmefällen sind nämlich wohl die hochverrätherischen, nicht aber die
landesverrätherischen Handlungen bezeichnet. Nach diesen Grundsätzen
wird nun auch zu verfahren sein, wenn der Landesverrath sich nicht auf

c) Verhandlungen a. a. O. S. 84 ff. -- Bericht der Kommission
der zweiten Kammer
zu §. 59. (69.)

§§. 67-71. Landesverrath.
ſo kommt die Vorſchrift des §. 68. nicht zur Anwendung, und, wie
ſich von ſelbſt verſteht, ebenſo wenig umgekehrt, wenn der Bundesge-
noſſe, gegen welchen der Preuße dient, nicht an dem Kriege Preußens
Theil nimmt. Wenn z. B. Oeſtreich der Bundesgenoſſe Preußens iſt,
und einen Krieg gegen die Türkei führt, an welchem Preußen nicht
Theil nimmt, ſo kann ein Preußiſcher Unterthan im Türkiſchen Heere
fortdienen; und dieß würde dadurch nicht verändert werden, wenn
Preußen gleichzeitig einen Krieg etwa gegen Rußland führte, an wel-
chem ſich wieder Oeſtreich nicht betheiligte. Der entſcheidende Punkt iſt,
daß ein Krieg gegen Preußen ausgebrochen iſt, und daß in dieſem
Kriege der Dienſt im feindlichen Heere Landesverrath begründet, —
einerlei ob die Waffen gegen die Preußiſchen Fahnen unmittelbar oder
gegen die der Bundesgenoſſen getragen werden.

III. Ein Preuße, welcher während eines gegen Preußen ausge-
brochenen Krieges einer feindlichen Macht wiſſentlich Vorſchub leiſtet,
oder den Truppen Preußens oder ſeiner Bundesgenoſſen, in dem ſo
eben entwickelten Sinn des Wortes, wiſſentlich Nachtheil zufügt, wird
mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren beſtraft (§. 69.). In beſonders
erſchwerten Fällen, welche a. a. O. einzeln aufgeführt ſind, tritt die
Todesſtrafe ein. Der Entwurf von 1847. §. 89. hatte noch den Fall
hinzugefügt, wenn dem Feinde Wege oder Fuhrten nachgewieſen werden;
derſelbe wurde aber mit Rückſicht auf den von feindlichen Heerführern
geübten Kriegsgebrauch, und auf die allgemeine Strafbeſtimmung des
Paragraphen, welche hier für den Fall des vorſätzlichen Landesverraths
ausreiche, weggelaſſen, und auch in der Kommiſſion der zweiten Kammer
fand ein Antrag auf die Wiederherſtellung keine Zuſtimmung. c)

IV. Nachdem der Landesverrath in Beziehung auf den Krieg in
ſeinen einzelnen Erſcheinungen behandelt worden, folgt noch eine allge-
meine Beſtimmung über den Fall, wenn eine ſolche Handlung von
einem Ausländer begangen worden iſt (§. 70.) Nach den Beſtimmun-
gen der §§. 3. und 4. würde ſich die Sache ſo verhalten, daß, wenn
das Verbrechen in Preußen begangen worden, die Vorſchriften des
Strafgeſetzbuchs unbedingt zur Anwendung kommen, während, wenn es
im Auslande begangen worden iſt, in Preußen keine Verfolgung und
Beſtrafung deſſelben ſtattfindet. Unter den in §. 4. aufgeführten Aus-
nahmefällen ſind nämlich wohl die hochverrätheriſchen, nicht aber die
landesverrätheriſchen Handlungen bezeichnet. Nach dieſen Grundſätzen
wird nun auch zu verfahren ſein, wenn der Landesverrath ſich nicht auf

c) Verhandlungen a. a. O. S. 84 ff. — Bericht der Kommiſſion
der zweiten Kammer
zu §. 59. (69.)
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[237/0247] §§. 67-71. Landesverrath. ſo kommt die Vorſchrift des §. 68. nicht zur Anwendung, und, wie ſich von ſelbſt verſteht, ebenſo wenig umgekehrt, wenn der Bundesge- noſſe, gegen welchen der Preuße dient, nicht an dem Kriege Preußens Theil nimmt. Wenn z. B. Oeſtreich der Bundesgenoſſe Preußens iſt, und einen Krieg gegen die Türkei führt, an welchem Preußen nicht Theil nimmt, ſo kann ein Preußiſcher Unterthan im Türkiſchen Heere fortdienen; und dieß würde dadurch nicht verändert werden, wenn Preußen gleichzeitig einen Krieg etwa gegen Rußland führte, an wel- chem ſich wieder Oeſtreich nicht betheiligte. Der entſcheidende Punkt iſt, daß ein Krieg gegen Preußen ausgebrochen iſt, und daß in dieſem Kriege der Dienſt im feindlichen Heere Landesverrath begründet, — einerlei ob die Waffen gegen die Preußiſchen Fahnen unmittelbar oder gegen die der Bundesgenoſſen getragen werden. III. Ein Preuße, welcher während eines gegen Preußen ausge- brochenen Krieges einer feindlichen Macht wiſſentlich Vorſchub leiſtet, oder den Truppen Preußens oder ſeiner Bundesgenoſſen, in dem ſo eben entwickelten Sinn des Wortes, wiſſentlich Nachtheil zufügt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren beſtraft (§. 69.). In beſonders erſchwerten Fällen, welche a. a. O. einzeln aufgeführt ſind, tritt die Todesſtrafe ein. Der Entwurf von 1847. §. 89. hatte noch den Fall hinzugefügt, wenn dem Feinde Wege oder Fuhrten nachgewieſen werden; derſelbe wurde aber mit Rückſicht auf den von feindlichen Heerführern geübten Kriegsgebrauch, und auf die allgemeine Strafbeſtimmung des Paragraphen, welche hier für den Fall des vorſätzlichen Landesverraths ausreiche, weggelaſſen, und auch in der Kommiſſion der zweiten Kammer fand ein Antrag auf die Wiederherſtellung keine Zuſtimmung. c) IV. Nachdem der Landesverrath in Beziehung auf den Krieg in ſeinen einzelnen Erſcheinungen behandelt worden, folgt noch eine allge- meine Beſtimmung über den Fall, wenn eine ſolche Handlung von einem Ausländer begangen worden iſt (§. 70.) Nach den Beſtimmun- gen der §§. 3. und 4. würde ſich die Sache ſo verhalten, daß, wenn das Verbrechen in Preußen begangen worden, die Vorſchriften des Strafgeſetzbuchs unbedingt zur Anwendung kommen, während, wenn es im Auslande begangen worden iſt, in Preußen keine Verfolgung und Beſtrafung deſſelben ſtattfindet. Unter den in §. 4. aufgeführten Aus- nahmefällen ſind nämlich wohl die hochverrätheriſchen, nicht aber die landesverrätheriſchen Handlungen bezeichnet. Nach dieſen Grundſätzen wird nun auch zu verfahren ſein, wenn der Landesverrath ſich nicht auf c) Verhandlungen a. a. O. S. 84 ff. — Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 59. (69.)

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/247>, abgerufen am 25.04.2024.