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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
1) mit einer auswärtigen Regierung sich einlassen, oder
2) die ihnen vom Staate anvertraute Macht mißbrauchen, oder
3) Mannschaften anwerben oder in den Waffen einüben.

Der Sinn dieser Bestimmungen ist klar; nur darüber könnten etwa
Zweifel bestehen, was unter dem Mißbrauch der vom Staate anver-
trauten Macht (Nr. 2.) zu verstehen sei -- ob sich dieß nur auf mili-
tairische Verhältnisse oder auch auf Fälle des Civildienstes beziehen soll.
In dem vereinigten ständischen Ausschusse wurde dieser Zweifel in der
That geäußert, und von dem Landtags-Kommissar darauf erwiedert,
das Gesetz habe wohl an solche Fälle gedacht, wo Civilbeamte eine
Anzahl Unterbeamte befehligen. Er erinnere z. B. an einen Oberförster,
der seine Förster zusammenziehe, um ein solches Verbrechen zu begehen,
oder an einen Ober-Kontrolleur, der 40 bis 50. seiner Steuerbeamten
zu einem solchen Zwecke vereinige. v) Solche Fälle lassen sich nun sehr
wohl denken; der Mißbrauch der bewaffneten Macht durch Militair-
befehlshaber fällt jedoch ohne Zweifel ebenfalls unter die Vorschrift des
Gesetzes, und der Sinn, der in den Worten des Landtags-Kommissars
zu liegen scheint, daß dieß nicht beabsichtigt werde, wird nur auf einer
unvollkommenen Fassung des Berichtes beruhen.

Mit der gleichen Strafe des §. 63. ist für die in §. 64. begrif-
fenen Fälle übrigens auch die Möglichkeit gegeben, mildernde Umstände
in derselben Weise, wie dort zugelassen worden, zu berücksichtigen.

C. Oeffentliche Aufforderung zu einem hochverräthe-
rischen Unternehmen
.

Wenn die öffentliche Aufforderung zur Verübung eines Verbrechens die
Folge gehabt hat, daß das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch des-
selben begangen worden ist, so soll derjenige, welcher die Aufforderung
gemacht hat, als Theilnehmer betrachtet und bestraft werden. Diese
Bestimmung des §.36. Abs. 1., welche der Verordnung vom 30. Juni
1849. §. 13. über die Presse entlehnt ist, kommt auch bei dem Hoch-
verrath zur Anwendung. Der §. 65. hat zwar eine allgemeine Fassung
und bezieht sich nach einer bloß wörtlichen Auslegung auch auf den
Fall, wo die Aufforderung zum Hochverrath Erfolg gehabt hat. Aber
es liegt kein Grund vor, anzunehmen, daß die Anwendung der allge-
meinen Grundsätze über die Theilnahme an einem Verbrechen gerade
hier ausgeschlossen sein sollte; w) die gegenwärtige Feststellung des Straf-

v) Verhandlungen. III. S. 60. 61.
w) Vgl. Code penal. Art. 102. Seront punis comme coupables des
crimes et complots mentionnes dans la presente section, tous ceux qui,
soit par discours tenus dans les lieux ou reunions publics, soit par pla-
cards affiches, soit par des ecrits imprimes, auront excite directement les
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
1) mit einer auswärtigen Regierung ſich einlaſſen, oder
2) die ihnen vom Staate anvertraute Macht mißbrauchen, oder
3) Mannſchaften anwerben oder in den Waffen einüben.

Der Sinn dieſer Beſtimmungen iſt klar; nur darüber könnten etwa
Zweifel beſtehen, was unter dem Mißbrauch der vom Staate anver-
trauten Macht (Nr. 2.) zu verſtehen ſei — ob ſich dieß nur auf mili-
tairiſche Verhältniſſe oder auch auf Fälle des Civildienſtes beziehen ſoll.
In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſe wurde dieſer Zweifel in der
That geäußert, und von dem Landtags-Kommiſſar darauf erwiedert,
das Geſetz habe wohl an ſolche Fälle gedacht, wo Civilbeamte eine
Anzahl Unterbeamte befehligen. Er erinnere z. B. an einen Oberförſter,
der ſeine Förſter zuſammenziehe, um ein ſolches Verbrechen zu begehen,
oder an einen Ober-Kontrolleur, der 40 bis 50. ſeiner Steuerbeamten
zu einem ſolchen Zwecke vereinige. v) Solche Fälle laſſen ſich nun ſehr
wohl denken; der Mißbrauch der bewaffneten Macht durch Militair-
befehlshaber fällt jedoch ohne Zweifel ebenfalls unter die Vorſchrift des
Geſetzes, und der Sinn, der in den Worten des Landtags-Kommiſſars
zu liegen ſcheint, daß dieß nicht beabſichtigt werde, wird nur auf einer
unvollkommenen Faſſung des Berichtes beruhen.

Mit der gleichen Strafe des §. 63. iſt für die in §. 64. begrif-
fenen Fälle übrigens auch die Möglichkeit gegeben, mildernde Umſtände
in derſelben Weiſe, wie dort zugelaſſen worden, zu berückſichtigen.

C. Oeffentliche Aufforderung zu einem hochverräthe-
riſchen Unternehmen
.

Wenn die öffentliche Aufforderung zur Verübung eines Verbrechens die
Folge gehabt hat, daß das Verbrechen oder ein ſtrafbarer Verſuch des-
ſelben begangen worden iſt, ſo ſoll derjenige, welcher die Aufforderung
gemacht hat, als Theilnehmer betrachtet und beſtraft werden. Dieſe
Beſtimmung des §.36. Abſ. 1., welche der Verordnung vom 30. Juni
1849. §. 13. über die Preſſe entlehnt iſt, kommt auch bei dem Hoch-
verrath zur Anwendung. Der §. 65. hat zwar eine allgemeine Faſſung
und bezieht ſich nach einer bloß wörtlichen Auslegung auch auf den
Fall, wo die Aufforderung zum Hochverrath Erfolg gehabt hat. Aber
es liegt kein Grund vor, anzunehmen, daß die Anwendung der allge-
meinen Grundſätze über die Theilnahme an einem Verbrechen gerade
hier ausgeſchloſſen ſein ſollte; w) die gegenwärtige Feſtſtellung des Straf-

v) Verhandlungen. III. S. 60. 61.
w) Vgl. Code pénal. Art. 102. Seront punis comme coupables des
crimes et complots mentionnés dans la présente section, tous ceux qui,
soit par discours tenus dans les lieux ou réunions publics, soit par pla-
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[230/0240] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath. 1) mit einer auswärtigen Regierung ſich einlaſſen, oder 2) die ihnen vom Staate anvertraute Macht mißbrauchen, oder 3) Mannſchaften anwerben oder in den Waffen einüben. Der Sinn dieſer Beſtimmungen iſt klar; nur darüber könnten etwa Zweifel beſtehen, was unter dem Mißbrauch der vom Staate anver- trauten Macht (Nr. 2.) zu verſtehen ſei — ob ſich dieß nur auf mili- tairiſche Verhältniſſe oder auch auf Fälle des Civildienſtes beziehen ſoll. In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſe wurde dieſer Zweifel in der That geäußert, und von dem Landtags-Kommiſſar darauf erwiedert, das Geſetz habe wohl an ſolche Fälle gedacht, wo Civilbeamte eine Anzahl Unterbeamte befehligen. Er erinnere z. B. an einen Oberförſter, der ſeine Förſter zuſammenziehe, um ein ſolches Verbrechen zu begehen, oder an einen Ober-Kontrolleur, der 40 bis 50. ſeiner Steuerbeamten zu einem ſolchen Zwecke vereinige. v) Solche Fälle laſſen ſich nun ſehr wohl denken; der Mißbrauch der bewaffneten Macht durch Militair- befehlshaber fällt jedoch ohne Zweifel ebenfalls unter die Vorſchrift des Geſetzes, und der Sinn, der in den Worten des Landtags-Kommiſſars zu liegen ſcheint, daß dieß nicht beabſichtigt werde, wird nur auf einer unvollkommenen Faſſung des Berichtes beruhen. Mit der gleichen Strafe des §. 63. iſt für die in §. 64. begrif- fenen Fälle übrigens auch die Möglichkeit gegeben, mildernde Umſtände in derſelben Weiſe, wie dort zugelaſſen worden, zu berückſichtigen. C. Oeffentliche Aufforderung zu einem hochverräthe- riſchen Unternehmen. Wenn die öffentliche Aufforderung zur Verübung eines Verbrechens die Folge gehabt hat, daß das Verbrechen oder ein ſtrafbarer Verſuch des- ſelben begangen worden iſt, ſo ſoll derjenige, welcher die Aufforderung gemacht hat, als Theilnehmer betrachtet und beſtraft werden. Dieſe Beſtimmung des §.36. Abſ. 1., welche der Verordnung vom 30. Juni 1849. §. 13. über die Preſſe entlehnt iſt, kommt auch bei dem Hoch- verrath zur Anwendung. Der §. 65. hat zwar eine allgemeine Faſſung und bezieht ſich nach einer bloß wörtlichen Auslegung auch auf den Fall, wo die Aufforderung zum Hochverrath Erfolg gehabt hat. Aber es liegt kein Grund vor, anzunehmen, daß die Anwendung der allge- meinen Grundſätze über die Theilnahme an einem Verbrechen gerade hier ausgeſchloſſen ſein ſollte; w) die gegenwärtige Feſtſtellung des Straf- v) Verhandlungen. III. S. 60. 61. w) Vgl. Code pénal. Art. 102. Seront punis comme coupables des crimes et complots mentionnés dans la présente section, tous ceux qui, soit par discours tenus dans les lieux ou réunions publics, soit par pla- cards affichés, soit par des écrits imprimés, auront excité directement les

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/240>, abgerufen am 19.04.2024.