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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
der Amtsgewalt hierher gehören, das läßt sich nur bei genauer Erwä-
gung des einzelnen Falles feststellen; es wird namentlich darauf ankom-
men, "ob das Unternehmen des Thäters auf eine, wenigstens im letzten
Augenblick der Entscheidung durch Gewalt zu bewirkende Umwälzung
abzweckt." Das allgemeine Merkmal der Gewaltsamkeit durfte in dem
Gesetzbuch aber nicht aufgegeben werden, wenn nicht insbesondere bei
den, den Hochverrath vorbereitenden Handlungen in der Anwendung der
Strafgesetze der Willkühr die Thore geöffnet werden sollten. o)

Der Gegenstand des Angriffs ist die Staatsverfassung Preußens,
wie sie in der Urkunde vom 31. Januar 1850. festgestellt worden.
Diese enthält auch Art. 53. eine ausdrückliche Vorschrift über die Thron-
folge, so daß es nicht einmal nothwendig war, derselben ausdrücklich zu
erwähnen. Auf den Umfang der bezweckten Aenderung der Verfassung
kommt es aber nach §. 61. nicht an.

III. Das Unternehmen zielt darauf ab, das Gebiet des Preußi-
schen Staats ganz oder theilweise einem fremden Staate einzuverleiben,
oder einen Theil des Gebiets vom Ganzen loszureißen. Vergleicht man
mit dieser Bestimmung die Vorschriften über den Landesverrath, nament-
lich in §. 69., so stellt sich zwischen diesem und dem hier behandelten
Fall des Hochverraths folgender Unterschied heraus. Bei dem letzteren
waltet die Absicht vor, die Existenz oder Integrität des Preußischen
Staates aufzuheben, das Verbrechen ist unmittelbar darauf gerichtet;
der Landesverräher gefährdet auch sein Vaterland, dem Feinde gegenüber;
er kann sogar den Verrath begehen, indem er Festungen, Pässe, besetzte
Plätze in feindliche Gewalt bringt, und also dahin wirkt, einen Theil
des Gebiets, wenn auch nur vorübergehend, vom Ganzen loszureißen.
Aber darin liegt doch zunächst nicht das ihn bestimmende Motiv, der
Zweck seiner Handlung; er will der feindlichen Macht Vorschub leisten
und zu diesem Behuf überliefert er ihr die Festung oder andere Verthei-
digungsposten. Geht sein Plan weiter, bezweckte er durch den Verrath
die Abreißung eines Gebietstheiles zu bewirken, dann liegt ein Hoch-
verrath vor. Es ist daher eine ganz richtige Bemerkung, wenn der
Bericht der Kommission der zweiten Kammer sagt, mit dem veränder-
ten Zweck gehe die landesverrätherische Handlung in den Hochverrath

o) Zu weit geht in dieser Beziehung Abegg, Der Entwurf des Strafgesetzbuchs
von 1850. S. 47. 48. Gegen eigenmächtige Verfassungsänderungen, welche nicht
unter den Begriff des Hochverraths oder eines anderen bestimmten Verbrechens oder
Vergehens fallen, muß das Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister die Straf-
bestimmungen enthalten. -- Auch scheint a. a. O. der Zweifel doch unbegründet, wenn
ein solcher überhaupt hat ausgedrückt werden sollen, ob in der Aufhebung der Staats-
verfassung auch eine Aenderung im Sinne des §. 61. des Gesetzbuchs liege.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
der Amtsgewalt hierher gehören, das läßt ſich nur bei genauer Erwä-
gung des einzelnen Falles feſtſtellen; es wird namentlich darauf ankom-
men, „ob das Unternehmen des Thäters auf eine, wenigſtens im letzten
Augenblick der Entſcheidung durch Gewalt zu bewirkende Umwälzung
abzweckt.“ Das allgemeine Merkmal der Gewaltſamkeit durfte in dem
Geſetzbuch aber nicht aufgegeben werden, wenn nicht insbeſondere bei
den, den Hochverrath vorbereitenden Handlungen in der Anwendung der
Strafgeſetze der Willkühr die Thore geöffnet werden ſollten. o)

Der Gegenſtand des Angriffs iſt die Staatsverfaſſung Preußens,
wie ſie in der Urkunde vom 31. Januar 1850. feſtgeſtellt worden.
Dieſe enthält auch Art. 53. eine ausdrückliche Vorſchrift über die Thron-
folge, ſo daß es nicht einmal nothwendig war, derſelben ausdrücklich zu
erwähnen. Auf den Umfang der bezweckten Aenderung der Verfaſſung
kommt es aber nach §. 61. nicht an.

III. Das Unternehmen zielt darauf ab, das Gebiet des Preußi-
ſchen Staats ganz oder theilweiſe einem fremden Staate einzuverleiben,
oder einen Theil des Gebiets vom Ganzen loszureißen. Vergleicht man
mit dieſer Beſtimmung die Vorſchriften über den Landesverrath, nament-
lich in §. 69., ſo ſtellt ſich zwiſchen dieſem und dem hier behandelten
Fall des Hochverraths folgender Unterſchied heraus. Bei dem letzteren
waltet die Abſicht vor, die Exiſtenz oder Integrität des Preußiſchen
Staates aufzuheben, das Verbrechen iſt unmittelbar darauf gerichtet;
der Landesverräher gefährdet auch ſein Vaterland, dem Feinde gegenüber;
er kann ſogar den Verrath begehen, indem er Feſtungen, Päſſe, beſetzte
Plätze in feindliche Gewalt bringt, und alſo dahin wirkt, einen Theil
des Gebiets, wenn auch nur vorübergehend, vom Ganzen loszureißen.
Aber darin liegt doch zunächſt nicht das ihn beſtimmende Motiv, der
Zweck ſeiner Handlung; er will der feindlichen Macht Vorſchub leiſten
und zu dieſem Behuf überliefert er ihr die Feſtung oder andere Verthei-
digungspoſten. Geht ſein Plan weiter, bezweckte er durch den Verrath
die Abreißung eines Gebietstheiles zu bewirken, dann liegt ein Hoch-
verrath vor. Es iſt daher eine ganz richtige Bemerkung, wenn der
Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer ſagt, mit dem veränder-
ten Zweck gehe die landesverrätheriſche Handlung in den Hochverrath

o) Zu weit geht in dieſer Beziehung Abegg, Der Entwurf des Strafgeſetzbuchs
von 1850. S. 47. 48. Gegen eigenmächtige Verfaſſungsänderungen, welche nicht
unter den Begriff des Hochverraths oder eines anderen beſtimmten Verbrechens oder
Vergehens fallen, muß das Geſetz über die Verantwortlichkeit der Miniſter die Straf-
beſtimmungen enthalten. — Auch ſcheint a. a. O. der Zweifel doch unbegründet, wenn
ein ſolcher überhaupt hat ausgedrückt werden ſollen, ob in der Aufhebung der Staats-
verfaſſung auch eine Aenderung im Sinne des §. 61. des Geſetzbuchs liege.
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[224/0234] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath. der Amtsgewalt hierher gehören, das läßt ſich nur bei genauer Erwä- gung des einzelnen Falles feſtſtellen; es wird namentlich darauf ankom- men, „ob das Unternehmen des Thäters auf eine, wenigſtens im letzten Augenblick der Entſcheidung durch Gewalt zu bewirkende Umwälzung abzweckt.“ Das allgemeine Merkmal der Gewaltſamkeit durfte in dem Geſetzbuch aber nicht aufgegeben werden, wenn nicht insbeſondere bei den, den Hochverrath vorbereitenden Handlungen in der Anwendung der Strafgeſetze der Willkühr die Thore geöffnet werden ſollten. o) Der Gegenſtand des Angriffs iſt die Staatsverfaſſung Preußens, wie ſie in der Urkunde vom 31. Januar 1850. feſtgeſtellt worden. Dieſe enthält auch Art. 53. eine ausdrückliche Vorſchrift über die Thron- folge, ſo daß es nicht einmal nothwendig war, derſelben ausdrücklich zu erwähnen. Auf den Umfang der bezweckten Aenderung der Verfaſſung kommt es aber nach §. 61. nicht an. III. Das Unternehmen zielt darauf ab, das Gebiet des Preußi- ſchen Staats ganz oder theilweiſe einem fremden Staate einzuverleiben, oder einen Theil des Gebiets vom Ganzen loszureißen. Vergleicht man mit dieſer Beſtimmung die Vorſchriften über den Landesverrath, nament- lich in §. 69., ſo ſtellt ſich zwiſchen dieſem und dem hier behandelten Fall des Hochverraths folgender Unterſchied heraus. Bei dem letzteren waltet die Abſicht vor, die Exiſtenz oder Integrität des Preußiſchen Staates aufzuheben, das Verbrechen iſt unmittelbar darauf gerichtet; der Landesverräher gefährdet auch ſein Vaterland, dem Feinde gegenüber; er kann ſogar den Verrath begehen, indem er Feſtungen, Päſſe, beſetzte Plätze in feindliche Gewalt bringt, und alſo dahin wirkt, einen Theil des Gebiets, wenn auch nur vorübergehend, vom Ganzen loszureißen. Aber darin liegt doch zunächſt nicht das ihn beſtimmende Motiv, der Zweck ſeiner Handlung; er will der feindlichen Macht Vorſchub leiſten und zu dieſem Behuf überliefert er ihr die Feſtung oder andere Verthei- digungspoſten. Geht ſein Plan weiter, bezweckte er durch den Verrath die Abreißung eines Gebietstheiles zu bewirken, dann liegt ein Hoch- verrath vor. Es iſt daher eine ganz richtige Bemerkung, wenn der Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer ſagt, mit dem veränder- ten Zweck gehe die landesverrätheriſche Handlung in den Hochverrath o) Zu weit geht in dieſer Beziehung Abegg, Der Entwurf des Strafgeſetzbuchs von 1850. S. 47. 48. Gegen eigenmächtige Verfaſſungsänderungen, welche nicht unter den Begriff des Hochverraths oder eines anderen beſtimmten Verbrechens oder Vergehens fallen, muß das Geſetz über die Verantwortlichkeit der Miniſter die Straf- beſtimmungen enthalten. — Auch ſcheint a. a. O. der Zweifel doch unbegründet, wenn ein ſolcher überhaupt hat ausgedrückt werden ſollen, ob in der Aufhebung der Staats- verfaſſung auch eine Aenderung im Sinne des §. 61. des Geſetzbuchs liege.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/234>, abgerufen am 19.04.2024.