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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 61. 62. Der vollendete Hochverrath.
Versuch beim Hochverrath anders behandelt wird, wie bei den übrigen
Verbrechen; daß er nicht von dem vollendeten Verbrechen als die noch
unvollkommene Form der rechtswidrigen Thätigkeit getrennt und demsel-
ben gegenübergestellt wird, sondern daß vielmehr der Thatbestand des
Hochverraths weit genug ausgedehnt worden ist, um auch die Versuchs-
handlungen darunter zu befassen. Dieß ist namentlich auch nach dem
Vorgange des gemeinen Deutschen Kriminalrechts im Allgemeinen Land-
recht geschehen, b) indem auf die verschiedenen Abstufungen der Versuchs-
handlungen keine Rücksicht genommen, und, worauf es hier besonders
ankommt, der Hochverrath unbedingt mit der Todesstrafe bedroht wird.
-- Eine mildere Auffassung findet sich schon im Code penal. Hier
werden nicht alle Versuchshandlungen unter den Begriff des Hochver-
raths gestellt, sondern nur diejenigen, welche nach allgemeinen Grund-
sätzen schon strafbar sein würden, indem sie einen Anfang der Ausfüh-
rung enthalten, oder welche sich als eine Verschwörung zur Verübung
des Hochverraths darstellen. Darauf beruht die Bestimmung des Code
penal,
daß der Hochverrath das Attentat und das Komplott umfaßt,
und in beiden Fällen mit der gleichen Strafe bedroht ist. Ausgeschlossen
sind hier also von dem Begriff des Verbrechens die entfernteren Ver-
suchshandlungen, insofern sie nicht als eine Verschwörung aufgefaßt
werden können. c) Einen Schritt weiter ist noch das Französische Gesetz
vom 28. April 1832. gegangen, indem es auch das Komplott von dem
Begriff des Hauptverbrechens ausgeschieden und unter eine mildere
Strafe gestellt hat.

Die neueren Deutschen Strafgesetzbücher sind nun im Wesentlichen
der Französischen Gesetzgebung gefolgt, indem sie theils den Standpunkt
des Code penal festgehalten und das Komplott unter den Thatbestand
des Hochverraths aufgenommen, d) theils in Uebereinstimmung mit dem
Gesetz vom 28. April 1832. dasselbe abgesondert behandelt und mit ei-
ner milderen Strafe bedroht haben. e) Zu dieser letzteren Klasse gehört
auch das Strafgesetzbuch, indem seit der Revision von 1845. das Kom-
plott von dem Begriff des vollendeten Hochverraths ausgeschieden wor-

b) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 92. "Ein Unternehmen, welches auf eine ge-
waltsame Unnvälzung der Verfassung des Staats, oder gegen das Leben oder die
Freiheit seines Oberhaupts abzielt, ist Hochverrath."
c) Code penal. Art. 86-89.
d) Württemberg. Strafgesetzb. Art. 140. -- Hannov. Criminal-
gesetzb.
Art. 119. -- Hess. Strafgesetzb. Art. 129.
e) Sächs. Criminalgesetzb. Art. 81. 83. -- Braunschweig. Crimi-
nalgesetzb.
§. 81. 82. -- Badisch. Strafgesetzb. §. 586. 592. -- Thü-
ring. Strafgesetzb.
Art. 77-79.
15*

§§. 61. 62. Der vollendete Hochverrath.
Verſuch beim Hochverrath anders behandelt wird, wie bei den übrigen
Verbrechen; daß er nicht von dem vollendeten Verbrechen als die noch
unvollkommene Form der rechtswidrigen Thätigkeit getrennt und demſel-
ben gegenübergeſtellt wird, ſondern daß vielmehr der Thatbeſtand des
Hochverraths weit genug ausgedehnt worden iſt, um auch die Verſuchs-
handlungen darunter zu befaſſen. Dieß iſt namentlich auch nach dem
Vorgange des gemeinen Deutſchen Kriminalrechts im Allgemeinen Land-
recht geſchehen, b) indem auf die verſchiedenen Abſtufungen der Verſuchs-
handlungen keine Rückſicht genommen, und, worauf es hier beſonders
ankommt, der Hochverrath unbedingt mit der Todesſtrafe bedroht wird.
— Eine mildere Auffaſſung findet ſich ſchon im Code pénal. Hier
werden nicht alle Verſuchshandlungen unter den Begriff des Hochver-
raths geſtellt, ſondern nur diejenigen, welche nach allgemeinen Grund-
ſätzen ſchon ſtrafbar ſein würden, indem ſie einen Anfang der Ausfüh-
rung enthalten, oder welche ſich als eine Verſchwörung zur Verübung
des Hochverraths darſtellen. Darauf beruht die Beſtimmung des Code
pénal,
daß der Hochverrath das Attentat und das Komplott umfaßt,
und in beiden Fällen mit der gleichen Strafe bedroht iſt. Ausgeſchloſſen
ſind hier alſo von dem Begriff des Verbrechens die entfernteren Ver-
ſuchshandlungen, inſofern ſie nicht als eine Verſchwörung aufgefaßt
werden können. c) Einen Schritt weiter iſt noch das Franzöſiſche Geſetz
vom 28. April 1832. gegangen, indem es auch das Komplott von dem
Begriff des Hauptverbrechens ausgeſchieden und unter eine mildere
Strafe geſtellt hat.

Die neueren Deutſchen Strafgeſetzbücher ſind nun im Weſentlichen
der Franzöſiſchen Geſetzgebung gefolgt, indem ſie theils den Standpunkt
des Code pénal feſtgehalten und das Komplott unter den Thatbeſtand
des Hochverraths aufgenommen, d) theils in Uebereinſtimmung mit dem
Geſetz vom 28. April 1832. daſſelbe abgeſondert behandelt und mit ei-
ner milderen Strafe bedroht haben. e) Zu dieſer letzteren Klaſſe gehört
auch das Strafgeſetzbuch, indem ſeit der Reviſion von 1845. das Kom-
plott von dem Begriff des vollendeten Hochverraths ausgeſchieden wor-

b) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 92. „Ein Unternehmen, welches auf eine ge-
waltſame Unnvälzung der Verfaſſung des Staats, oder gegen das Leben oder die
Freiheit ſeines Oberhaupts abzielt, iſt Hochverrath.“
c) Code pénal. Art. 86-89.
d) Württemberg. Strafgeſetzb. Art. 140. — Hannov. Criminal-
geſetzb.
Art. 119. — Heſſ. Strafgeſetzb. Art. 129.
e) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 81. 83. — Braunſchweig. Crimi-
nalgeſetzb.
§. 81. 82. — Badiſch. Strafgeſetzb. §. 586. 592. — Thü-
ring. Strafgeſetzb.
Art. 77-79.
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[219/0229] §§. 61. 62. Der vollendete Hochverrath. Verſuch beim Hochverrath anders behandelt wird, wie bei den übrigen Verbrechen; daß er nicht von dem vollendeten Verbrechen als die noch unvollkommene Form der rechtswidrigen Thätigkeit getrennt und demſel- ben gegenübergeſtellt wird, ſondern daß vielmehr der Thatbeſtand des Hochverraths weit genug ausgedehnt worden iſt, um auch die Verſuchs- handlungen darunter zu befaſſen. Dieß iſt namentlich auch nach dem Vorgange des gemeinen Deutſchen Kriminalrechts im Allgemeinen Land- recht geſchehen, b) indem auf die verſchiedenen Abſtufungen der Verſuchs- handlungen keine Rückſicht genommen, und, worauf es hier beſonders ankommt, der Hochverrath unbedingt mit der Todesſtrafe bedroht wird. — Eine mildere Auffaſſung findet ſich ſchon im Code pénal. Hier werden nicht alle Verſuchshandlungen unter den Begriff des Hochver- raths geſtellt, ſondern nur diejenigen, welche nach allgemeinen Grund- ſätzen ſchon ſtrafbar ſein würden, indem ſie einen Anfang der Ausfüh- rung enthalten, oder welche ſich als eine Verſchwörung zur Verübung des Hochverraths darſtellen. Darauf beruht die Beſtimmung des Code pénal, daß der Hochverrath das Attentat und das Komplott umfaßt, und in beiden Fällen mit der gleichen Strafe bedroht iſt. Ausgeſchloſſen ſind hier alſo von dem Begriff des Verbrechens die entfernteren Ver- ſuchshandlungen, inſofern ſie nicht als eine Verſchwörung aufgefaßt werden können. c) Einen Schritt weiter iſt noch das Franzöſiſche Geſetz vom 28. April 1832. gegangen, indem es auch das Komplott von dem Begriff des Hauptverbrechens ausgeſchieden und unter eine mildere Strafe geſtellt hat. Die neueren Deutſchen Strafgeſetzbücher ſind nun im Weſentlichen der Franzöſiſchen Geſetzgebung gefolgt, indem ſie theils den Standpunkt des Code pénal feſtgehalten und das Komplott unter den Thatbeſtand des Hochverraths aufgenommen, d) theils in Uebereinſtimmung mit dem Geſetz vom 28. April 1832. daſſelbe abgeſondert behandelt und mit ei- ner milderen Strafe bedroht haben. e) Zu dieſer letzteren Klaſſe gehört auch das Strafgeſetzbuch, indem ſeit der Reviſion von 1845. das Kom- plott von dem Begriff des vollendeten Hochverraths ausgeſchieden wor- b) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 92. „Ein Unternehmen, welches auf eine ge- waltſame Unnvälzung der Verfaſſung des Staats, oder gegen das Leben oder die Freiheit ſeines Oberhaupts abzielt, iſt Hochverrath.“ c) Code pénal. Art. 86-89. d) Württemberg. Strafgeſetzb. Art. 140. — Hannov. Criminal- geſetzb. Art. 119. — Heſſ. Strafgeſetzb. Art. 129. e) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 81. 83. — Braunſchweig. Crimi- nalgeſetzb. §. 81. 82. — Badiſch. Strafgeſetzb. §. 586. 592. — Thü- ring. Strafgeſetzb. Art. 77-79. 15*

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/229>, abgerufen am 23.04.2024.