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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestrafung etc. Tit. IV. Ausschließung oder Milderung d. Strafe.
man sich, die Vorschrift der Kriminalordnung §. 602. in einer etwas
bestimmteren Fassung zu wiederholen. c) Erst der Entwurf von 1836.
§. 96. gab ausführlichere Bestimmungen, welche die Veranlassung weit-
läuftiger Erörterungen und einer umfassenderen Behandlung des Gegen-
standes in den späteren Entwürfen wurden. d) Der Entwurf von 1850.
hatte dagegen gar keine allgemeinen Bestimmungen über die Privat-
strafanträge; sie wurden aber von der Kommission der zweiten Kammer
nach dem Vorbilde des Entwurfs von 1847. hinzugefügt, was uner-
läßlich erschien, nachdem man für die Bestrafung der Ehrverletzungen
wieder zu dem Princip der Privatstrafanträge zurückgekehrt war. e)

I. Im Allgemeinen ist zu bemerken, daß es sich hier von dem
Fall handelt, wenn ein Verbrechen oder Vergehen nur auf den Antrag
einer Privatperson bestraft wird. Es gehört also, genau genommen, der
Fall nicht hierher, wenn nicht der Antrag auf Bestrafung, sondern um-
gekehrt der auf Nichtbestrafung von einer Privatperson ausgehen muß,
wie beim Ehebruch (§. 140.). Auch auf die Strafanträge auswärtiger
Regierungen und Gesandten (§. 81.), welche doch nicht zu den Privat-
personen gerechnet werden können, sind die oben angeführten Bestim-
mungen nicht zu beziehen, und eben so wenig auf die, §. 102. und 103.
behandelten Ehrverletzungen, bei denen ein Verfahren von Amtswegen
die Regel bildet. Es kommen hier vielmehr nur folgende Stellen in
Betracht:

§. 149. 160. 161. 162. 189. 198. 209. 229. 271. 343.

II. Die Frist für die Anbringung der Privatstrafanträge beträgt drei
Monate, welche von der Zeit an berechnet werden, zu welcher der zum
Antrag Berechtigte Kenntniß von der That und der Person des Thäters
erhalten hat (§. 50.). Nur bei den wechselseitigen Ehrverletzungen findet
unter Umständen eine Verlängerung der Frist statt (§. 161.). -- In
den früheren Entwürfen war noch ausdrücklich bestimmt, daß jedenfalls
Straflosigkeit eintrete, wenn nach den allgemeinen Grundsätzen des Straf-
gesetzbuchs die Verjährung bereits abgelaufen sei; allein diese Bestim-
mung konnte füglich weggelassen werden, da die Unterlassung des Straf-
antrags nicht an die Stelle der Verjährung getreten ist, sondern neben
dieser besteht. Andere Deutsche Strafgesetzbücher haben für die Ver-

c) Entwurf von 1827. §. 135. -- Entw. von 1830. §. 92. -- Entw.
von
1833. §. 93. -- Motive zum ersten Entwurf. I. S. 191.
d) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission I.
S. 115-118. -- Staatsraths-Protokolle, Sitzung vom 22. Jan. 1840.
und 19. Juni 1841. -- Verhandlungen der Staatsraths-Kommission
von
1846. S. 49. 50. -- Entw. v. 1843. §. 102-104. Entw. v. 1847.
§. 66-70.
e) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 46a-46e.
(§. 50-54.)

Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe.
man ſich, die Vorſchrift der Kriminalordnung §. 602. in einer etwas
beſtimmteren Faſſung zu wiederholen. c) Erſt der Entwurf von 1836.
§. 96. gab ausführlichere Beſtimmungen, welche die Veranlaſſung weit-
läuftiger Erörterungen und einer umfaſſenderen Behandlung des Gegen-
ſtandes in den ſpäteren Entwürfen wurden. d) Der Entwurf von 1850.
hatte dagegen gar keine allgemeinen Beſtimmungen über die Privat-
ſtrafanträge; ſie wurden aber von der Kommiſſion der zweiten Kammer
nach dem Vorbilde des Entwurfs von 1847. hinzugefügt, was uner-
läßlich erſchien, nachdem man für die Beſtrafung der Ehrverletzungen
wieder zu dem Princip der Privatſtrafanträge zurückgekehrt war. e)

I. Im Allgemeinen iſt zu bemerken, daß es ſich hier von dem
Fall handelt, wenn ein Verbrechen oder Vergehen nur auf den Antrag
einer Privatperſon beſtraft wird. Es gehört alſo, genau genommen, der
Fall nicht hierher, wenn nicht der Antrag auf Beſtrafung, ſondern um-
gekehrt der auf Nichtbeſtrafung von einer Privatperſon ausgehen muß,
wie beim Ehebruch (§. 140.). Auch auf die Strafanträge auswärtiger
Regierungen und Geſandten (§. 81.), welche doch nicht zu den Privat-
perſonen gerechnet werden können, ſind die oben angeführten Beſtim-
mungen nicht zu beziehen, und eben ſo wenig auf die, §. 102. und 103.
behandelten Ehrverletzungen, bei denen ein Verfahren von Amtswegen
die Regel bildet. Es kommen hier vielmehr nur folgende Stellen in
Betracht:

§. 149. 160. 161. 162. 189. 198. 209. 229. 271. 343.

II. Die Friſt für die Anbringung der Privatſtrafanträge beträgt drei
Monate, welche von der Zeit an berechnet werden, zu welcher der zum
Antrag Berechtigte Kenntniß von der That und der Perſon des Thäters
erhalten hat (§. 50.). Nur bei den wechſelſeitigen Ehrverletzungen findet
unter Umſtänden eine Verlängerung der Friſt ſtatt (§. 161.). — In
den früheren Entwürfen war noch ausdrücklich beſtimmt, daß jedenfalls
Strafloſigkeit eintrete, wenn nach den allgemeinen Grundſätzen des Straf-
geſetzbuchs die Verjährung bereits abgelaufen ſei; allein dieſe Beſtim-
mung konnte füglich weggelaſſen werden, da die Unterlaſſung des Straf-
antrags nicht an die Stelle der Verjährung getreten iſt, ſondern neben
dieſer beſteht. Andere Deutſche Strafgeſetzbücher haben für die Ver-

c) Entwurf von 1827. §. 135. — Entw. von 1830. §. 92. — Entw.
von
1833. §. 93. — Motive zum erſten Entwurf. I. S. 191.
d) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion I.
S. 115-118. — Staatsraths-Protokolle, Sitzung vom 22. Jan. 1840.
und 19. Juni 1841. — Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion
von
1846. S. 49. 50. — Entw. v. 1843. §. 102-104. Entw. v. 1847.
§. 66-70.
e) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 46a-46e.
(§. 50-54.)
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[204/0214] Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe. man ſich, die Vorſchrift der Kriminalordnung §. 602. in einer etwas beſtimmteren Faſſung zu wiederholen. c) Erſt der Entwurf von 1836. §. 96. gab ausführlichere Beſtimmungen, welche die Veranlaſſung weit- läuftiger Erörterungen und einer umfaſſenderen Behandlung des Gegen- ſtandes in den ſpäteren Entwürfen wurden. d) Der Entwurf von 1850. hatte dagegen gar keine allgemeinen Beſtimmungen über die Privat- ſtrafanträge; ſie wurden aber von der Kommiſſion der zweiten Kammer nach dem Vorbilde des Entwurfs von 1847. hinzugefügt, was uner- läßlich erſchien, nachdem man für die Beſtrafung der Ehrverletzungen wieder zu dem Princip der Privatſtrafanträge zurückgekehrt war. e) I. Im Allgemeinen iſt zu bemerken, daß es ſich hier von dem Fall handelt, wenn ein Verbrechen oder Vergehen nur auf den Antrag einer Privatperſon beſtraft wird. Es gehört alſo, genau genommen, der Fall nicht hierher, wenn nicht der Antrag auf Beſtrafung, ſondern um- gekehrt der auf Nichtbeſtrafung von einer Privatperſon ausgehen muß, wie beim Ehebruch (§. 140.). Auch auf die Strafanträge auswärtiger Regierungen und Geſandten (§. 81.), welche doch nicht zu den Privat- perſonen gerechnet werden können, ſind die oben angeführten Beſtim- mungen nicht zu beziehen, und eben ſo wenig auf die, §. 102. und 103. behandelten Ehrverletzungen, bei denen ein Verfahren von Amtswegen die Regel bildet. Es kommen hier vielmehr nur folgende Stellen in Betracht: §. 149. 160. 161. 162. 189. 198. 209. 229. 271. 343. II. Die Friſt für die Anbringung der Privatſtrafanträge beträgt drei Monate, welche von der Zeit an berechnet werden, zu welcher der zum Antrag Berechtigte Kenntniß von der That und der Perſon des Thäters erhalten hat (§. 50.). Nur bei den wechſelſeitigen Ehrverletzungen findet unter Umſtänden eine Verlängerung der Friſt ſtatt (§. 161.). — In den früheren Entwürfen war noch ausdrücklich beſtimmt, daß jedenfalls Strafloſigkeit eintrete, wenn nach den allgemeinen Grundſätzen des Straf- geſetzbuchs die Verjährung bereits abgelaufen ſei; allein dieſe Beſtim- mung konnte füglich weggelaſſen werden, da die Unterlaſſung des Straf- antrags nicht an die Stelle der Verjährung getreten iſt, ſondern neben dieſer beſteht. Andere Deutſche Strafgeſetzbücher haben für die Ver- c) Entwurf von 1827. §. 135. — Entw. von 1830. §. 92. — Entw. von 1833. §. 93. — Motive zum erſten Entwurf. I. S. 191. d) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion I. S. 115-118. — Staatsraths-Protokolle, Sitzung vom 22. Jan. 1840. und 19. Juni 1841. — Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 49. 50. — Entw. v. 1843. §. 102-104. Entw. v. 1847. §. 66-70. e) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 46a-46e. (§. 50-54.)

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/214>, abgerufen am 25.04.2024.