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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestrafung etc. Tit. IV. Ausschließung oder Milderung d. Strafe.
durch jeden Antrag und jede sonstige Handlung der Staatsan-
waltschaft, so wie durch jeden Beschluß und jede sonstige Hand-
lung des Richters, welche entweder die Eröffnung, Fortsetzung
oder Beendigung der gegen den Angeschuldigten gerichteten Un-
tersuchung oder die Verhaftung desselben betrifft.

V. Trotz dieser Unterbrechung kann aber die Verjährung statt fin-
den, wenn nämlich die Untersuchung nicht zu einer rechtskräftigen Ver-
urtheilung geführt hat. Es beginnt dann aber eine neue Verjährung,
und zwar nach der letzten gerichtlichen Handlung (§. 47.).

a. Die Handlungen, welche auf die Verhaftung des Angeschul-
digten gerichtet sind, werden hier nicht besonders erwähnt. Wenn sie
keinen Erfolg gehabt haben, so ist dieß entweder der Fall gewesen, weil
der Angeschuldigte entflohen ist, und dann kommt §. 47. Abs. 2. zur
Anwendung; oder weil die Untersuchung aufgegeben ist, von der die
Verhaftung nur ein einzelner Akt war.
b. Die neue Verjährung hat dieselben Fristen, wie die erste, so
daß die Bestimmungen des §. 46. auch hier zur Anwendung kommen.
c. Die neue Verjährung kommt demjenigen nicht zu Statten,
welcher sich der gegen ihn eingeleiteten Untersuchung durch die Flucht
entzogen hat. Diese aus der Kriminalordnung §. 599. herübergenom-
mene Bestimmung z) findet sich unter allen neueren Gesetzgebungen nur
noch im Hannoverschen Kriminalgesetzbuch Art. 88; sie entspricht auch
nicht dem Princip, welches der Verjährung zum Grunde liegt, daß nach
Ablauf einer bestimmten Zeit eine Verfolgung nicht mehr statt finden soll.
Auch wird sich die Schwierigkeit der Ermittelung von Thatsachen hier so gut
wie in allen andern Fällen geltend machen. Ein in der Kommission der
zweiten Kammer gestellter Antrag, den Absatz des §. 47. zu streichen,
ward aber abgelehnt, und zwar aus dem Grunde, weil die Verjährung
dem nicht zu Gute kommen dürfe, welcher es durch seine Flucht selbst
der Staatsgewalt unmöglich gemacht habe, ihn zur Untersuchung zu
ziehen. a)

VI. Ueber das Verhältniß der Verjährung zum Rückfall wird unten
zu §. 60. gehandelt werden.


z) Die Kriminalordnung geht jedoch noch weiter, indem sie auch durch die Flucht
vor eingeleiteter Untersuchung die Verjährung ausschließen läßt. Vgl. Revision
von
1845. I. S. 217.
a) Protokolle der Kommission der zweiten Kammer, Sitzung vom
17. Jan. 1851.

Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe.
durch jeden Antrag und jede ſonſtige Handlung der Staatsan-
waltſchaft, ſo wie durch jeden Beſchluß und jede ſonſtige Hand-
lung des Richters, welche entweder die Eröffnung, Fortſetzung
oder Beendigung der gegen den Angeſchuldigten gerichteten Un-
terſuchung oder die Verhaftung deſſelben betrifft.

V. Trotz dieſer Unterbrechung kann aber die Verjährung ſtatt fin-
den, wenn nämlich die Unterſuchung nicht zu einer rechtskräftigen Ver-
urtheilung geführt hat. Es beginnt dann aber eine neue Verjährung,
und zwar nach der letzten gerichtlichen Handlung (§. 47.).

a. Die Handlungen, welche auf die Verhaftung des Angeſchul-
digten gerichtet ſind, werden hier nicht beſonders erwähnt. Wenn ſie
keinen Erfolg gehabt haben, ſo iſt dieß entweder der Fall geweſen, weil
der Angeſchuldigte entflohen iſt, und dann kommt §. 47. Abſ. 2. zur
Anwendung; oder weil die Unterſuchung aufgegeben iſt, von der die
Verhaftung nur ein einzelner Akt war.
b. Die neue Verjährung hat dieſelben Friſten, wie die erſte, ſo
daß die Beſtimmungen des §. 46. auch hier zur Anwendung kommen.
c. Die neue Verjährung kommt demjenigen nicht zu Statten,
welcher ſich der gegen ihn eingeleiteten Unterſuchung durch die Flucht
entzogen hat. Dieſe aus der Kriminalordnung §. 599. herübergenom-
mene Beſtimmung z) findet ſich unter allen neueren Geſetzgebungen nur
noch im Hannoverſchen Kriminalgeſetzbuch Art. 88; ſie entſpricht auch
nicht dem Princip, welches der Verjährung zum Grunde liegt, daß nach
Ablauf einer beſtimmten Zeit eine Verfolgung nicht mehr ſtatt finden ſoll.
Auch wird ſich die Schwierigkeit der Ermittelung von Thatſachen hier ſo gut
wie in allen andern Fällen geltend machen. Ein in der Kommiſſion der
zweiten Kammer geſtellter Antrag, den Abſatz des §. 47. zu ſtreichen,
ward aber abgelehnt, und zwar aus dem Grunde, weil die Verjährung
dem nicht zu Gute kommen dürfe, welcher es durch ſeine Flucht ſelbſt
der Staatsgewalt unmöglich gemacht habe, ihn zur Unterſuchung zu
ziehen. a)

VI. Ueber das Verhältniß der Verjährung zum Rückfall wird unten
zu §. 60. gehandelt werden.


z) Die Kriminalordnung geht jedoch noch weiter, indem ſie auch durch die Flucht
vor eingeleiteter Unterſuchung die Verjährung ausſchließen läßt. Vgl. Reviſion
von
1845. I. S. 217.
a) Protokolle der Kommiſſion der zweiten Kammer, Sitzung vom
17. Jan. 1851.
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[202/0212] Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe. durch jeden Antrag und jede ſonſtige Handlung der Staatsan- waltſchaft, ſo wie durch jeden Beſchluß und jede ſonſtige Hand- lung des Richters, welche entweder die Eröffnung, Fortſetzung oder Beendigung der gegen den Angeſchuldigten gerichteten Un- terſuchung oder die Verhaftung deſſelben betrifft. V. Trotz dieſer Unterbrechung kann aber die Verjährung ſtatt fin- den, wenn nämlich die Unterſuchung nicht zu einer rechtskräftigen Ver- urtheilung geführt hat. Es beginnt dann aber eine neue Verjährung, und zwar nach der letzten gerichtlichen Handlung (§. 47.). a. Die Handlungen, welche auf die Verhaftung des Angeſchul- digten gerichtet ſind, werden hier nicht beſonders erwähnt. Wenn ſie keinen Erfolg gehabt haben, ſo iſt dieß entweder der Fall geweſen, weil der Angeſchuldigte entflohen iſt, und dann kommt §. 47. Abſ. 2. zur Anwendung; oder weil die Unterſuchung aufgegeben iſt, von der die Verhaftung nur ein einzelner Akt war. b. Die neue Verjährung hat dieſelben Friſten, wie die erſte, ſo daß die Beſtimmungen des §. 46. auch hier zur Anwendung kommen. c. Die neue Verjährung kommt demjenigen nicht zu Statten, welcher ſich der gegen ihn eingeleiteten Unterſuchung durch die Flucht entzogen hat. Dieſe aus der Kriminalordnung §. 599. herübergenom- mene Beſtimmung z) findet ſich unter allen neueren Geſetzgebungen nur noch im Hannoverſchen Kriminalgeſetzbuch Art. 88; ſie entſpricht auch nicht dem Princip, welches der Verjährung zum Grunde liegt, daß nach Ablauf einer beſtimmten Zeit eine Verfolgung nicht mehr ſtatt finden ſoll. Auch wird ſich die Schwierigkeit der Ermittelung von Thatſachen hier ſo gut wie in allen andern Fällen geltend machen. Ein in der Kommiſſion der zweiten Kammer geſtellter Antrag, den Abſatz des §. 47. zu ſtreichen, ward aber abgelehnt, und zwar aus dem Grunde, weil die Verjährung dem nicht zu Gute kommen dürfe, welcher es durch ſeine Flucht ſelbſt der Staatsgewalt unmöglich gemacht habe, ihn zur Unterſuchung zu ziehen. a) VI. Ueber das Verhältniß der Verjährung zum Rückfall wird unten zu §. 60. gehandelt werden. z) Die Kriminalordnung geht jedoch noch weiter, indem ſie auch durch die Flucht vor eingeleiteter Unterſuchung die Verjährung ausſchließen läßt. Vgl. Reviſion von 1845. I. S. 217. a) Protokolle der Kommiſſion der zweiten Kammer, Sitzung vom 17. Jan. 1851.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/212>, abgerufen am 28.03.2024.