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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 42. 43. Das jugendliche Alter.

gen. Der Richter hat das hierzu Nöthige nach Befinden der Umstände
anzuordnen. In der Besserungsanstalt sind dieselben so lange zu be-
halten, als die der Anstalt vorgesetzte Verwaltungsbehörde solches für
erforderlich achtet, jedoch niemals über das zurückgelegte zwanzigste Le-
bensjahr hinaus."

§. 53. "Gegen Personen, welche das zwölfte, aber noch nicht das
sechszehnte Lebensjahr vollendet haben, und zugleich für zurechnungs-
fähig geachtet werden (§. 51.), sollen die gesetzlichen Strafen mit fol-
genden Einschränkungen eintreten:

1) Anstatt der Todesstrafe oder der lebenswierigen Freiheitsstrafe ist
höchstens auf funfzehnjährige und mindestens auf dreijährige
Strafarbeit zu erkennen.
2) Bei einem mit zeitiger Freiheitsstrafe oder mit Geldbuße bedroh-
ten Verbrechen soll die Hälfte der höchsten gesetzlichen Strafe
nicht überschritten werden.
3) Auf Zuchthausstrafe oder auf Verlust der Ehrenrechte darf nie-
mals erkannt werden.
4) Die gegen jugendliche Verbrecher erkannten Freiheitsstrafen sind
entweder in eigens für solche Personen bestimmten Strafanstal-
ten, oder zwar in den ordentlichen Strafanstalten, jedoch in ab-
gesonderten Räumen, zu vollstrecken."

Der vereinigte ständische Ausschuß gab diesen Vorschriften seine
Zustimmung, und setzte nur in dem zweiten Satz des §. 51. statt des
vollendeten sechszehnten, das vollendete achtzehnte Lebensjahr. u) Dieser
Vorschlag war schon früher von dem Ministerium für die Gesetz-Revision
gemacht, von der Staatsraths-Kommission aber verworfen worden. v)

In dem Entwurf von 1850. ist nun der frühere Gang, den die
Revision bei diesem Gegenstande eingehalten hatte, verlassen worden, in-
dem man sich im Wesentlichen dem Systeme des Code penal ange-
schlossen hat, was denn auch im Gesetzbuch beibehalten worden ist. Für
Beides lassen sich Gründe anführen, doch möchten die für das Deutsche
System überwiegen. Dasselbe hat nämlich darin einen Vorzug, daß es
nicht dazu nöthigt, offenbar unzurechnungsfähige Kinder vor Gericht zu
stellen. Fürchtete man, daß das dahin führen werde, ausnahmsweise
einmal ein frühreifes Sonntagskind mit der verdienten Strafe verscho-
nen zu müssen, so ist doch dieser Uebelstand nicht so groß, der sich auch

u) Verhandlungen. II. S. 399.
v) Rev. Entwurf von 1845. §. 58. -- Revision von 1845. I. S. 183.
-- Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846. S. 39. 40.
-- Fernere Verhandlungen von 1847. S. 38. 39.
Beseler Kommentar. 13

§§. 42. 43. Das jugendliche Alter.

gen. Der Richter hat das hierzu Nöthige nach Befinden der Umſtände
anzuordnen. In der Beſſerungsanſtalt ſind dieſelben ſo lange zu be-
halten, als die der Anſtalt vorgeſetzte Verwaltungsbehörde ſolches für
erforderlich achtet, jedoch niemals über das zurückgelegte zwanzigſte Le-
bensjahr hinaus.“

§. 53. „Gegen Perſonen, welche das zwölfte, aber noch nicht das
ſechszehnte Lebensjahr vollendet haben, und zugleich für zurechnungs-
fähig geachtet werden (§. 51.), ſollen die geſetzlichen Strafen mit fol-
genden Einſchränkungen eintreten:

1) Anſtatt der Todesſtrafe oder der lebenswierigen Freiheitsſtrafe iſt
höchſtens auf funfzehnjährige und mindeſtens auf dreijährige
Strafarbeit zu erkennen.
2) Bei einem mit zeitiger Freiheitsſtrafe oder mit Geldbuße bedroh-
ten Verbrechen ſoll die Hälfte der höchſten geſetzlichen Strafe
nicht überſchritten werden.
3) Auf Zuchthausſtrafe oder auf Verluſt der Ehrenrechte darf nie-
mals erkannt werden.
4) Die gegen jugendliche Verbrecher erkannten Freiheitsſtrafen ſind
entweder in eigens für ſolche Perſonen beſtimmten Strafanſtal-
ten, oder zwar in den ordentlichen Strafanſtalten, jedoch in ab-
geſonderten Räumen, zu vollſtrecken.“

Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß gab dieſen Vorſchriften ſeine
Zuſtimmung, und ſetzte nur in dem zweiten Satz des §. 51. ſtatt des
vollendeten ſechszehnten, das vollendete achtzehnte Lebensjahr. u) Dieſer
Vorſchlag war ſchon früher von dem Miniſterium für die Geſetz-Reviſion
gemacht, von der Staatsraths-Kommiſſion aber verworfen worden. v)

In dem Entwurf von 1850. iſt nun der frühere Gang, den die
Reviſion bei dieſem Gegenſtande eingehalten hatte, verlaſſen worden, in-
dem man ſich im Weſentlichen dem Syſteme des Code pénal ange-
ſchloſſen hat, was denn auch im Geſetzbuch beibehalten worden iſt. Für
Beides laſſen ſich Gründe anführen, doch möchten die für das Deutſche
Syſtem überwiegen. Daſſelbe hat nämlich darin einen Vorzug, daß es
nicht dazu nöthigt, offenbar unzurechnungsfähige Kinder vor Gericht zu
ſtellen. Fürchtete man, daß das dahin führen werde, ausnahmsweiſe
einmal ein frühreifes Sonntagskind mit der verdienten Strafe verſcho-
nen zu müſſen, ſo iſt doch dieſer Uebelſtand nicht ſo groß, der ſich auch

u) Verhandlungen. II. S. 399.
v) Rev. Entwurf von 1845. §. 58. — Reviſion von 1845. I. S. 183.
Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 39. 40.
Fernere Verhandlungen von 1847. S. 38. 39.
Beſeler Kommentar. 13
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[193/0203] §§. 42. 43. Das jugendliche Alter. gen. Der Richter hat das hierzu Nöthige nach Befinden der Umſtände anzuordnen. In der Beſſerungsanſtalt ſind dieſelben ſo lange zu be- halten, als die der Anſtalt vorgeſetzte Verwaltungsbehörde ſolches für erforderlich achtet, jedoch niemals über das zurückgelegte zwanzigſte Le- bensjahr hinaus.“ §. 53. „Gegen Perſonen, welche das zwölfte, aber noch nicht das ſechszehnte Lebensjahr vollendet haben, und zugleich für zurechnungs- fähig geachtet werden (§. 51.), ſollen die geſetzlichen Strafen mit fol- genden Einſchränkungen eintreten: 1) Anſtatt der Todesſtrafe oder der lebenswierigen Freiheitsſtrafe iſt höchſtens auf funfzehnjährige und mindeſtens auf dreijährige Strafarbeit zu erkennen. 2) Bei einem mit zeitiger Freiheitsſtrafe oder mit Geldbuße bedroh- ten Verbrechen ſoll die Hälfte der höchſten geſetzlichen Strafe nicht überſchritten werden. 3) Auf Zuchthausſtrafe oder auf Verluſt der Ehrenrechte darf nie- mals erkannt werden. 4) Die gegen jugendliche Verbrecher erkannten Freiheitsſtrafen ſind entweder in eigens für ſolche Perſonen beſtimmten Strafanſtal- ten, oder zwar in den ordentlichen Strafanſtalten, jedoch in ab- geſonderten Räumen, zu vollſtrecken.“ Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß gab dieſen Vorſchriften ſeine Zuſtimmung, und ſetzte nur in dem zweiten Satz des §. 51. ſtatt des vollendeten ſechszehnten, das vollendete achtzehnte Lebensjahr. u) Dieſer Vorſchlag war ſchon früher von dem Miniſterium für die Geſetz-Reviſion gemacht, von der Staatsraths-Kommiſſion aber verworfen worden. v) In dem Entwurf von 1850. iſt nun der frühere Gang, den die Reviſion bei dieſem Gegenſtande eingehalten hatte, verlaſſen worden, in- dem man ſich im Weſentlichen dem Syſteme des Code pénal ange- ſchloſſen hat, was denn auch im Geſetzbuch beibehalten worden iſt. Für Beides laſſen ſich Gründe anführen, doch möchten die für das Deutſche Syſtem überwiegen. Daſſelbe hat nämlich darin einen Vorzug, daß es nicht dazu nöthigt, offenbar unzurechnungsfähige Kinder vor Gericht zu ſtellen. Fürchtete man, daß das dahin führen werde, ausnahmsweiſe einmal ein frühreifes Sonntagskind mit der verdienten Strafe verſcho- nen zu müſſen, ſo iſt doch dieſer Uebelſtand nicht ſo groß, der ſich auch u) Verhandlungen. II. S. 399. v) Rev. Entwurf von 1845. §. 58. — Reviſion von 1845. I. S. 183. — Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 39. 40. — Fernere Verhandlungen von 1847. S. 38. 39. Beſeler Kommentar. 13

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/203>, abgerufen am 25.04.2024.