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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestrafung etc. Tit. IV. Ausschließung oder Milderung d. Strafe.
zu retten, eine an sich strafbare Handlung begeht. q) Diese Bestimmung,
welche die allgemeine Anwendung eines früher nur bei Entwendungen
anerkannten Rechtssatzes enthält, ward später auf die Fälle der Ver-
letzung fremden Eigenthums beschränkt, weil man fand, daß das Princip,
allgemein anerkannt, zu weit führe, und in den seltenen Fällen, wo es
mit Fug noch weiter zur Anwendung gebracht werden könnte, z. B. beim
Schiffbruch, auf dem Wege der Begnadigung geltend gemacht werden
müsse. r) Andere Gesetzgebungen haben zum Theil wieder andere Be-
schränkungen, z. B. daß das eigene Leben oder das naher Angehöriger
bedroht sein muß. s)

d. Wenn eine Handlung auf Befehl einer vorgesetzten Dienst-
behörde begangen worden ist. Das Allg. Landrecht bestimmt:

Th. I. Tit. 6. §. 47. "Wer vermöge seines Standes oder Amtes
die Befehle seiner Vorgesetzten ohne Einschränkung zu befolgen ver-
pflichtet ist, von dem kann nicht gefordert werden, daß er einen in
Dienstgeschäften ihm geschehenen Auftrag seiner Obern prüfe."

Damit läßt sich eine andere Vorschrift nicht wohl vereinigen, welche
lautet:

A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 69. "Wegen dieses Verhältnisses
des Thäters gegen seinen Obern (einen Vorgesetzten oder eine Respekts-
person) kann die Strafe des Ersteren zwar gemindert, aber nicht erlassen
werden."

Bei der Revision suchte man eine angemessene Fassung, t) und ge-
langte in dem Entwurf von 1843. zu folgenden Bestimmungen:

§. 92. "Die Strafbarkeit des Verbrechens wird dadurch nicht auf-
gehoben, daß es in Folge eines Befehls begangen ist. -- Wenn jedoch
ein öffentlicher Beamter dem ihm untergebenen Beamten eine Handlung
befohlen hat, welche zu befehlen er an sich befugt war, so ist der Un-
tergebene dafür nicht verantwortlich, wenn auch die Handlung unter den
obwaltenden Umständen eine Ueberschreitung der Amtsbefugnisse enthält." u)

§. 115. "Die Strafe kann nach Befinden der Umstände bis auf
das in §. 55. bestimmte Maaß (es ist die Strafe des Versuchs gemeint)

q) Entwurf von 1843. §. 91.
r) Entwurf von 1847. §. 59. -- Revision von 1845. I. S. 203. 204.
s) Sächs. Criminalgesetzb. Art. 72. -- Württemb. Strafgesetzb.
Art. 106. -- Braunschw. Criminalgesetzb. §. 34. -- Hannov. Criminal-
gesetzb.
Art. 84. -- Hessisches Strafgesetzb. Art. 45. -- Badisches Straf-
gesetzb.
§. 81. 83. -- Thüring. Strafgesetzb. Art. 65.
t) Motive zum ersten Entwurf. I. S. 160-162. -- Berathungs-
Protokolle der Staatsraths-Kommission
. I. S. 107-109.
u) Vgl. Code penal. Art. 114. 115. 190. -- Hannov. Criminalge-
setzb
. Art 85. -- Hessisches Strafgesetzb. Art. 40.

Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe.
zu retten, eine an ſich ſtrafbare Handlung begeht. q) Dieſe Beſtimmung,
welche die allgemeine Anwendung eines früher nur bei Entwendungen
anerkannten Rechtsſatzes enthält, ward ſpäter auf die Fälle der Ver-
letzung fremden Eigenthums beſchränkt, weil man fand, daß das Princip,
allgemein anerkannt, zu weit führe, und in den ſeltenen Fällen, wo es
mit Fug noch weiter zur Anwendung gebracht werden könnte, z. B. beim
Schiffbruch, auf dem Wege der Begnadigung geltend gemacht werden
müſſe. r) Andere Geſetzgebungen haben zum Theil wieder andere Be-
ſchränkungen, z. B. daß das eigene Leben oder das naher Angehöriger
bedroht ſein muß. s)

d. Wenn eine Handlung auf Befehl einer vorgeſetzten Dienſt-
behörde begangen worden iſt. Das Allg. Landrecht beſtimmt:

Th. I. Tit. 6. §. 47. „Wer vermöge ſeines Standes oder Amtes
die Befehle ſeiner Vorgeſetzten ohne Einſchränkung zu befolgen ver-
pflichtet iſt, von dem kann nicht gefordert werden, daß er einen in
Dienſtgeſchäften ihm geſchehenen Auftrag ſeiner Obern prüfe.“

Damit läßt ſich eine andere Vorſchrift nicht wohl vereinigen, welche
lautet:

A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 69. „Wegen dieſes Verhältniſſes
des Thäters gegen ſeinen Obern (einen Vorgeſetzten oder eine Reſpekts-
perſon) kann die Strafe des Erſteren zwar gemindert, aber nicht erlaſſen
werden.“

Bei der Reviſion ſuchte man eine angemeſſene Faſſung, t) und ge-
langte in dem Entwurf von 1843. zu folgenden Beſtimmungen:

§. 92. „Die Strafbarkeit des Verbrechens wird dadurch nicht auf-
gehoben, daß es in Folge eines Befehls begangen iſt. — Wenn jedoch
ein öffentlicher Beamter dem ihm untergebenen Beamten eine Handlung
befohlen hat, welche zu befehlen er an ſich befugt war, ſo iſt der Un-
tergebene dafür nicht verantwortlich, wenn auch die Handlung unter den
obwaltenden Umſtänden eine Ueberſchreitung der Amtsbefugniſſe enthält.“ u)

§. 115. „Die Strafe kann nach Befinden der Umſtände bis auf
das in §. 55. beſtimmte Maaß (es iſt die Strafe des Verſuchs gemeint)

q) Entwurf von 1843. §. 91.
r) Entwurf von 1847. §. 59. — Reviſion von 1845. I. S. 203. 204.
s) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 72. — Württemb. Strafgeſetzb.
Art. 106. — Braunſchw. Criminalgeſetzb. §. 34. — Hannov. Criminal-
geſetzb.
Art. 84. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 45. — Badiſches Straf-
geſetzb.
§. 81. 83. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 65.
t) Motive zum erſten Entwurf. I. S. 160-162. — Berathungs-
Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion
. I. S. 107-109.
u) Vgl. Code pénal. Art. 114. 115. 190. — Hannov. Criminalge-
ſetzb
. Art 85. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 40.
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[182/0192] Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe. zu retten, eine an ſich ſtrafbare Handlung begeht. q) Dieſe Beſtimmung, welche die allgemeine Anwendung eines früher nur bei Entwendungen anerkannten Rechtsſatzes enthält, ward ſpäter auf die Fälle der Ver- letzung fremden Eigenthums beſchränkt, weil man fand, daß das Princip, allgemein anerkannt, zu weit führe, und in den ſeltenen Fällen, wo es mit Fug noch weiter zur Anwendung gebracht werden könnte, z. B. beim Schiffbruch, auf dem Wege der Begnadigung geltend gemacht werden müſſe. r) Andere Geſetzgebungen haben zum Theil wieder andere Be- ſchränkungen, z. B. daß das eigene Leben oder das naher Angehöriger bedroht ſein muß. s) d. Wenn eine Handlung auf Befehl einer vorgeſetzten Dienſt- behörde begangen worden iſt. Das Allg. Landrecht beſtimmt: Th. I. Tit. 6. §. 47. „Wer vermöge ſeines Standes oder Amtes die Befehle ſeiner Vorgeſetzten ohne Einſchränkung zu befolgen ver- pflichtet iſt, von dem kann nicht gefordert werden, daß er einen in Dienſtgeſchäften ihm geſchehenen Auftrag ſeiner Obern prüfe.“ Damit läßt ſich eine andere Vorſchrift nicht wohl vereinigen, welche lautet: A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 69. „Wegen dieſes Verhältniſſes des Thäters gegen ſeinen Obern (einen Vorgeſetzten oder eine Reſpekts- perſon) kann die Strafe des Erſteren zwar gemindert, aber nicht erlaſſen werden.“ Bei der Reviſion ſuchte man eine angemeſſene Faſſung, t) und ge- langte in dem Entwurf von 1843. zu folgenden Beſtimmungen: §. 92. „Die Strafbarkeit des Verbrechens wird dadurch nicht auf- gehoben, daß es in Folge eines Befehls begangen iſt. — Wenn jedoch ein öffentlicher Beamter dem ihm untergebenen Beamten eine Handlung befohlen hat, welche zu befehlen er an ſich befugt war, ſo iſt der Un- tergebene dafür nicht verantwortlich, wenn auch die Handlung unter den obwaltenden Umſtänden eine Ueberſchreitung der Amtsbefugniſſe enthält.“ u) §. 115. „Die Strafe kann nach Befinden der Umſtände bis auf das in §. 55. beſtimmte Maaß (es iſt die Strafe des Verſuchs gemeint) q) Entwurf von 1843. §. 91. r) Entwurf von 1847. §. 59. — Reviſion von 1845. I. S. 203. 204. s) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 72. — Württemb. Strafgeſetzb. Art. 106. — Braunſchw. Criminalgeſetzb. §. 34. — Hannov. Criminal- geſetzb. Art. 84. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 45. — Badiſches Straf- geſetzb. §. 81. 83. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 65. t) Motive zum erſten Entwurf. I. S. 160-162. — Berathungs- Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. I. S. 107-109. u) Vgl. Code pénal. Art. 114. 115. 190. — Hannov. Criminalge- ſetzb. Art 85. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 40.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/192>, abgerufen am 29.03.2024.