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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
zung statt gefunden hat. Ueberdieß sind im Entwurf selbst Ehegatten,
Aeltern und Kinder der Verbrecher, bei denen in der Wirklichkeit die
Theilnahme an den Vortheilen eines verübten Verbrechens hauptsächlich,
ja fast ausschließlich vorkommt, nicht von der Strafe ausgeschlossen,
obgleich gerade bei ihnen alle Veranlassung dazu vorhanden wäre. --
Aus dem revidirten Entwurf ist deshalb die Rücksicht auf die Theil-
nahme an den Vortheilen eines Verbrechens ausgeschieden."

Die Staatsraths-Kommission erklärte sich mit dieser Ausführung
einverstanden,

u)

und demgemäß wurde der Entwurf von 1847. §. 45.
bis 48. redigirt, dessen Bestimmungen das Strafgesetzbuch im Wesent-
lichen beibehalten hat.

I. Die Strafe der Begünstigung ist Geldbuße bis zu zweihundert
Thalern oder Gefängniß bis zu Einem Jahre. Aus dieser Bestimmung
schon ergiebt sich, daß hier ein, von den übrigen Arten der Theilnahme
verschiedenes, selbständiges Vergehen vorliegt; denn wenn die Beschaf-
fenheit des Verbrechens oder Vergehens, dessen Thäter Vorschub geleistet
worden, auch auf die Zumessung der Strafe von Einfluß sein wird, so
steht dieselbe doch nicht in einem bestimmten Verhältniß zu der Strafe,
welche den Thäter trifft. v)

II. Eine Begünstigung liegt vor, wenn dem Thäter wissentlich
Beistand geleistet wird,

a. um denselben der Bestrafung zu entziehen. In dieser allge-
meinen Fassung unterscheidet sich das Strafgesetzbuch namentlich von
der entsprechenden Vorschrift des Code penal, der außer den Hehlern
nur diejenigen bestraft, welche das verbrecherische Betragen der Uebel-
thäter kennen, und ihnen gewöhnlich Aufenthalt, einen Zufluchts- oder
Versammlungsort gewähren. w)

Eine Begünstigung der angeführten Art soll aber nicht bestraft
werden, wenn sie dem Thäter von leiblichen Verwandten in auf- und
absteigender Linie, von Geschwistern oder von dem Ehegatten gewährt
worden ist (§. 37. Abs. 2.). In dem Entwurf von 1850. war diese

u) Verhandlungen der Kommission des Staatsraths von 1846.
S. 38.
v) Principiell verschieden ist daher die Auffassung im Sächs. Criminal-
gesetzbuch
, Art. 46. "Gegen diejenigen, welche sich der Begünstigung eines Ver-
brechens schuldig machen, ist höchstens auf ein Drittel der gesetzlichen Strafe, bei le-
benslänglicher Zuchthaus- oder Todesstrafe höchstens auf zehnjährige Zuchthausstrafe
ersten Grades zu erkennen."
w) Code penal. Art. 61. Ceux qui connaissant la conduite crimi-
nelle des malfaiteurs exercant des brigandages ou des violences contre la
saurete de l'Etat, la paix publique, les personnes ou les proprietes, leur
fournissent habituellement logement, lieu de retraite ou de reunion, seront
punis comme leurs complices.

Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
zung ſtatt gefunden hat. Ueberdieß ſind im Entwurf ſelbſt Ehegatten,
Aeltern und Kinder der Verbrecher, bei denen in der Wirklichkeit die
Theilnahme an den Vortheilen eines verübten Verbrechens hauptſächlich,
ja faſt ausſchließlich vorkommt, nicht von der Strafe ausgeſchloſſen,
obgleich gerade bei ihnen alle Veranlaſſung dazu vorhanden wäre. —
Aus dem revidirten Entwurf iſt deshalb die Rückſicht auf die Theil-
nahme an den Vortheilen eines Verbrechens ausgeſchieden.“

Die Staatsraths-Kommiſſion erklärte ſich mit dieſer Ausführung
einverſtanden,

u)

und demgemäß wurde der Entwurf von 1847. §. 45.
bis 48. redigirt, deſſen Beſtimmungen das Strafgeſetzbuch im Weſent-
lichen beibehalten hat.

I. Die Strafe der Begünſtigung iſt Geldbuße bis zu zweihundert
Thalern oder Gefängniß bis zu Einem Jahre. Aus dieſer Beſtimmung
ſchon ergiebt ſich, daß hier ein, von den übrigen Arten der Theilnahme
verſchiedenes, ſelbſtändiges Vergehen vorliegt; denn wenn die Beſchaf-
fenheit des Verbrechens oder Vergehens, deſſen Thäter Vorſchub geleiſtet
worden, auch auf die Zumeſſung der Strafe von Einfluß ſein wird, ſo
ſteht dieſelbe doch nicht in einem beſtimmten Verhältniß zu der Strafe,
welche den Thäter trifft. v)

II. Eine Begünſtigung liegt vor, wenn dem Thäter wiſſentlich
Beiſtand geleiſtet wird,

a. um denſelben der Beſtrafung zu entziehen. In dieſer allge-
meinen Faſſung unterſcheidet ſich das Strafgeſetzbuch namentlich von
der entſprechenden Vorſchrift des Code pénal, der außer den Hehlern
nur diejenigen beſtraft, welche das verbrecheriſche Betragen der Uebel-
thäter kennen, und ihnen gewöhnlich Aufenthalt, einen Zufluchts- oder
Verſammlungsort gewähren. w)

Eine Begünſtigung der angeführten Art ſoll aber nicht beſtraft
werden, wenn ſie dem Thäter von leiblichen Verwandten in auf- und
abſteigender Linie, von Geſchwiſtern oder von dem Ehegatten gewährt
worden iſt (§. 37. Abſ. 2.). In dem Entwurf von 1850. war dieſe

u) Verhandlungen der Kommiſſion des Staatsraths von 1846.
S. 38.
v) Principiell verſchieden iſt daher die Auffaſſung im Sächſ. Criminal-
geſetzbuch
, Art. 46. „Gegen diejenigen, welche ſich der Begünſtigung eines Ver-
brechens ſchuldig machen, iſt höchſtens auf ein Drittel der geſetzlichen Strafe, bei le-
benslänglicher Zuchthaus- oder Todesſtrafe höchſtens auf zehnjährige Zuchthausſtrafe
erſten Grades zu erkennen.“
w) Code pénal. Art. 61. Ceux qui connaissant la conduite crimi-
nelle des malfaiteurs exerçant des brigandages ou des violences contre la
sûreté de l'État, la paix publique, les personnes ou les propriétés, leur
fournissent habituellement logement, lieu de retraite ou de réunion, seront
punis comme leurs complices.
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[170/0180] Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme. zung ſtatt gefunden hat. Ueberdieß ſind im Entwurf ſelbſt Ehegatten, Aeltern und Kinder der Verbrecher, bei denen in der Wirklichkeit die Theilnahme an den Vortheilen eines verübten Verbrechens hauptſächlich, ja faſt ausſchließlich vorkommt, nicht von der Strafe ausgeſchloſſen, obgleich gerade bei ihnen alle Veranlaſſung dazu vorhanden wäre. — Aus dem revidirten Entwurf iſt deshalb die Rückſicht auf die Theil- nahme an den Vortheilen eines Verbrechens ausgeſchieden.“ Die Staatsraths-Kommiſſion erklärte ſich mit dieſer Ausführung einverſtanden, u) und demgemäß wurde der Entwurf von 1847. §. 45. bis 48. redigirt, deſſen Beſtimmungen das Strafgeſetzbuch im Weſent- lichen beibehalten hat. I. Die Strafe der Begünſtigung iſt Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder Gefängniß bis zu Einem Jahre. Aus dieſer Beſtimmung ſchon ergiebt ſich, daß hier ein, von den übrigen Arten der Theilnahme verſchiedenes, ſelbſtändiges Vergehen vorliegt; denn wenn die Beſchaf- fenheit des Verbrechens oder Vergehens, deſſen Thäter Vorſchub geleiſtet worden, auch auf die Zumeſſung der Strafe von Einfluß ſein wird, ſo ſteht dieſelbe doch nicht in einem beſtimmten Verhältniß zu der Strafe, welche den Thäter trifft. v) II. Eine Begünſtigung liegt vor, wenn dem Thäter wiſſentlich Beiſtand geleiſtet wird, a. um denſelben der Beſtrafung zu entziehen. In dieſer allge- meinen Faſſung unterſcheidet ſich das Strafgeſetzbuch namentlich von der entſprechenden Vorſchrift des Code pénal, der außer den Hehlern nur diejenigen beſtraft, welche das verbrecheriſche Betragen der Uebel- thäter kennen, und ihnen gewöhnlich Aufenthalt, einen Zufluchts- oder Verſammlungsort gewähren. w) Eine Begünſtigung der angeführten Art ſoll aber nicht beſtraft werden, wenn ſie dem Thäter von leiblichen Verwandten in auf- und abſteigender Linie, von Geſchwiſtern oder von dem Ehegatten gewährt worden iſt (§. 37. Abſ. 2.). In dem Entwurf von 1850. war dieſe u) Verhandlungen der Kommiſſion des Staatsraths von 1846. S. 38. v) Principiell verſchieden iſt daher die Auffaſſung im Sächſ. Criminal- geſetzbuch, Art. 46. „Gegen diejenigen, welche ſich der Begünſtigung eines Ver- brechens ſchuldig machen, iſt höchſtens auf ein Drittel der geſetzlichen Strafe, bei le- benslänglicher Zuchthaus- oder Todesſtrafe höchſtens auf zehnjährige Zuchthausſtrafe erſten Grades zu erkennen.“ w) Code pénal. Art. 61. Ceux qui connaissant la conduite crimi- nelle des malfaiteurs exerçant des brigandages ou des violences contre la sûreté de l'État, la paix publique, les personnes ou les propriétés, leur fournissent habituellement logement, lieu de retraite ou de réunion, seront punis comme leurs complices.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/180>, abgerufen am 25.04.2024.