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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 36. Oeffentliche Aufforderung.

Da es übrigens nach §. 34. Nr. 1. nicht darauf ankommen soll,
mit welchen Mitteln die Anstiftung bewirkt ist, so hat die Aufzählung
derselben hier nur insoweit eine Bedeutung, als es sich um singuläre
Strafbestimmungen handelt, namentlich für den Fall, daß die Anstiftung
ohne Erfolg geblieben ist. Insoweit aber sind die Bestimmungen des
Paragraphen restriktiv auszulegen, so daß eine analoge Ausdehnung
unzulässig ist. Mündliche Aufforderungen, welche nicht durch Reden
an öffentlichen Orten oder bei öffentlichen Zusammenkünften, sondern in
Privatversammlungen gemacht und erfolglos geblieben sind, fallen daher
nicht unter die Vorschrift des zweiten Absatzes. Das werden nicht bloß
Vertheidiger geltend machen und Geschworene anerkennen, wie Abegg
(a. a. O. S. 35. und 36.) meint, sondern vor Allem die rechtsverstän-
digen Richter. Wenn Abegg namentlich sagt, geheime oder heimliche
Versammlungen "zu solchen Zwecken" seien unter allen Umständen ver-
boten und zu ahnden, so wird er das wenigstens aus §. 36. des Straf-
gesetzbuchs nicht darthun können.

III. Daß zu den §. 34. Nr. 1. gebrauchten Bezeichnungen: an-
reizen, verleiten, bestimmen -- hier noch die "Aufforderung" hinzuge-
kommen, ist für den Fall, daß die Anstiftung Erfolg gehabt hat, ohne
Bedeutung. Nur wenn der Erfolg ausgeblieben, ist insofern auf jenen
Ausdruck Gewicht zu legen, als die Thatsache der Aufforderung, wenn
sie in der näher bezeichneten Weise geschehen ist, an sich schon strafbar
sein soll.

IV. Liegt eine strafbare Anstiftung vor, so ist dasselbe Strafgesetz
anzuwenden, welches auf den Thäter Anwendung findet. Das kann
aber nach dem oben entwickelten Princip nur dann geschehen, wenn die An-
stiftung wenigstens einen strafbaren Versuch zur Folge gehabt hat; blieb
sie ganz erfolglos, so fehlt ein Merkmal der strafbaren Theilnahme.
Der zweite Absatz des Paragraphen enthält daher eine Ausnahme von
der gesetzlichen Regel, die aber auch in mehreren anderen Fällen gemacht
worden ist. q) Was hier nur besonders auffallend erscheint, ist der Um-
stand, daß die Strafe nur in Gefängniß bestehen soll, ohne Rücksicht
auf die Vergehen, welche mit Geldbuße oder alternativ mit Geldbuße
oder Gefängniß bedroht sind. Es kann also der Fall eintreten, daß die
erfolglos gebliebene Aufforderung härter bestraft werden muß, als die-
jenige, welche einen Erfolg hatte. Die Verordnung vom 30. Juni 1849.
§. 13. 14. hatte hierauf Rücksicht genommen; daß das Strafgesetzbuch
das Minimum der Gefängnißstrafe weggelassen hat, kann dafür keinen
entsprechenden Ersatz gewähren.


q) S. oben den Kommentar zu §. 34. unter A. IV.
§. 36. Oeffentliche Aufforderung.

Da es übrigens nach §. 34. Nr. 1. nicht darauf ankommen ſoll,
mit welchen Mitteln die Anſtiftung bewirkt iſt, ſo hat die Aufzählung
derſelben hier nur inſoweit eine Bedeutung, als es ſich um ſinguläre
Strafbeſtimmungen handelt, namentlich für den Fall, daß die Anſtiftung
ohne Erfolg geblieben iſt. Inſoweit aber ſind die Beſtimmungen des
Paragraphen reſtriktiv auszulegen, ſo daß eine analoge Ausdehnung
unzuläſſig iſt. Mündliche Aufforderungen, welche nicht durch Reden
an öffentlichen Orten oder bei öffentlichen Zuſammenkünften, ſondern in
Privatverſammlungen gemacht und erfolglos geblieben ſind, fallen daher
nicht unter die Vorſchrift des zweiten Abſatzes. Das werden nicht bloß
Vertheidiger geltend machen und Geſchworene anerkennen, wie Abegg
(a. a. O. S. 35. und 36.) meint, ſondern vor Allem die rechtsverſtän-
digen Richter. Wenn Abegg namentlich ſagt, geheime oder heimliche
Verſammlungen „zu ſolchen Zwecken“ ſeien unter allen Umſtänden ver-
boten und zu ahnden, ſo wird er das wenigſtens aus §. 36. des Straf-
geſetzbuchs nicht darthun können.

III. Daß zu den §. 34. Nr. 1. gebrauchten Bezeichnungen: an-
reizen, verleiten, beſtimmen — hier noch die „Aufforderung“ hinzuge-
kommen, iſt für den Fall, daß die Anſtiftung Erfolg gehabt hat, ohne
Bedeutung. Nur wenn der Erfolg ausgeblieben, iſt inſofern auf jenen
Ausdruck Gewicht zu legen, als die Thatſache der Aufforderung, wenn
ſie in der näher bezeichneten Weiſe geſchehen iſt, an ſich ſchon ſtrafbar
ſein ſoll.

IV. Liegt eine ſtrafbare Anſtiftung vor, ſo iſt daſſelbe Strafgeſetz
anzuwenden, welches auf den Thäter Anwendung findet. Das kann
aber nach dem oben entwickelten Princip nur dann geſchehen, wenn die An-
ſtiftung wenigſtens einen ſtrafbaren Verſuch zur Folge gehabt hat; blieb
ſie ganz erfolglos, ſo fehlt ein Merkmal der ſtrafbaren Theilnahme.
Der zweite Abſatz des Paragraphen enthält daher eine Ausnahme von
der geſetzlichen Regel, die aber auch in mehreren anderen Fällen gemacht
worden iſt. q) Was hier nur beſonders auffallend erſcheint, iſt der Um-
ſtand, daß die Strafe nur in Gefängniß beſtehen ſoll, ohne Rückſicht
auf die Vergehen, welche mit Geldbuße oder alternativ mit Geldbuße
oder Gefängniß bedroht ſind. Es kann alſo der Fall eintreten, daß die
erfolglos gebliebene Aufforderung härter beſtraft werden muß, als die-
jenige, welche einen Erfolg hatte. Die Verordnung vom 30. Juni 1849.
§. 13. 14. hatte hierauf Rückſicht genommen; daß das Strafgeſetzbuch
das Minimum der Gefängnißſtrafe weggelaſſen hat, kann dafür keinen
entſprechenden Erſatz gewähren.


q) S. oben den Kommentar zu §. 34. unter A. IV.
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[167/0177] §. 36. Oeffentliche Aufforderung. Da es übrigens nach §. 34. Nr. 1. nicht darauf ankommen ſoll, mit welchen Mitteln die Anſtiftung bewirkt iſt, ſo hat die Aufzählung derſelben hier nur inſoweit eine Bedeutung, als es ſich um ſinguläre Strafbeſtimmungen handelt, namentlich für den Fall, daß die Anſtiftung ohne Erfolg geblieben iſt. Inſoweit aber ſind die Beſtimmungen des Paragraphen reſtriktiv auszulegen, ſo daß eine analoge Ausdehnung unzuläſſig iſt. Mündliche Aufforderungen, welche nicht durch Reden an öffentlichen Orten oder bei öffentlichen Zuſammenkünften, ſondern in Privatverſammlungen gemacht und erfolglos geblieben ſind, fallen daher nicht unter die Vorſchrift des zweiten Abſatzes. Das werden nicht bloß Vertheidiger geltend machen und Geſchworene anerkennen, wie Abegg (a. a. O. S. 35. und 36.) meint, ſondern vor Allem die rechtsverſtän- digen Richter. Wenn Abegg namentlich ſagt, geheime oder heimliche Verſammlungen „zu ſolchen Zwecken“ ſeien unter allen Umſtänden ver- boten und zu ahnden, ſo wird er das wenigſtens aus §. 36. des Straf- geſetzbuchs nicht darthun können. III. Daß zu den §. 34. Nr. 1. gebrauchten Bezeichnungen: an- reizen, verleiten, beſtimmen — hier noch die „Aufforderung“ hinzuge- kommen, iſt für den Fall, daß die Anſtiftung Erfolg gehabt hat, ohne Bedeutung. Nur wenn der Erfolg ausgeblieben, iſt inſofern auf jenen Ausdruck Gewicht zu legen, als die Thatſache der Aufforderung, wenn ſie in der näher bezeichneten Weiſe geſchehen iſt, an ſich ſchon ſtrafbar ſein ſoll. IV. Liegt eine ſtrafbare Anſtiftung vor, ſo iſt daſſelbe Strafgeſetz anzuwenden, welches auf den Thäter Anwendung findet. Das kann aber nach dem oben entwickelten Princip nur dann geſchehen, wenn die An- ſtiftung wenigſtens einen ſtrafbaren Verſuch zur Folge gehabt hat; blieb ſie ganz erfolglos, ſo fehlt ein Merkmal der ſtrafbaren Theilnahme. Der zweite Abſatz des Paragraphen enthält daher eine Ausnahme von der geſetzlichen Regel, die aber auch in mehreren anderen Fällen gemacht worden iſt. q) Was hier nur beſonders auffallend erſcheint, iſt der Um- ſtand, daß die Strafe nur in Gefängniß beſtehen ſoll, ohne Rückſicht auf die Vergehen, welche mit Geldbuße oder alternativ mit Geldbuße oder Gefängniß bedroht ſind. Es kann alſo der Fall eintreten, daß die erfolglos gebliebene Aufforderung härter beſtraft werden muß, als die- jenige, welche einen Erfolg hatte. Die Verordnung vom 30. Juni 1849. §. 13. 14. hatte hierauf Rückſicht genommen; daß das Strafgeſetzbuch das Minimum der Gefängnißſtrafe weggelaſſen hat, kann dafür keinen entſprechenden Erſatz gewähren. q) S. oben den Kommentar zu §. 34. unter A. IV.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/177>, abgerufen am 19.04.2024.