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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 35. Strafe der Theilnehmer.
hierzu, insoweit es sich um relative Strafen handelt, durch die Straf-
bestimmungen des Gesetzes freier Spielraum gewährt."

Eine absolute Gleichförmigkeit der Strafe war also nicht beabsich-
tigt, wie sie auch in Frankreich nicht durchgeführt wird. Denn die
Vorschrift: Les complices d'un crime ou d'un delit seront punis de
la meme peine que les auteurs
-- wird dort so verstanden, daß
nur die Strafart dieselbe sein müsse; auch kommt nach dem Gesetze vom
28. April 1832. für die Theilnahme an einem Verbrechen oder Vergehen
der Einfluß der mildernden Umstände in Betracht. k) -- In der Kom-
mission der zweiten Kammer hielt man dafür, daß das über die Bestrafung
des Versuchs aufgestellte Princip auch auf die Bestrafung der Theil-
nehmer Anwendung finden müsse, und daß also nach den zu §. 32. ge-
faßten Beschlüssen auch die in der Regierungsvorlage enthaltene Vor-
schrift im Allgemeinen anzuerkennen sei. Dagegen war man der Ansicht,
daß die auch in den Motiven ausgesprochene Absicht des Paragraphen:
die Bestrafung der Theilnehmer nicht genau nach der Strafe des Thäters,
sondern nur innerhalb des auf das Verbrechen oder Vergehen gesetzten
gesetzlichen Strafmaaßes zu bestimmen, -- deutlicher ausgedrückt werden
müsse. Deswegen wurde die gegenwärtige Fassung des Gesetzbuchs ge-
wählt: "auf den Theilnehmer -- ist dasselbe Strafgesetz anzuwenden,
welches auf den Thäter Anwendung findet."

I. So wie der Richter bei der Abmessung der Strafe des Ver-
suchs innerhalb des gesetzlichen Strafmaaßes darauf Rücksicht nehmen
kann, daß das Verbrechen oder Vergehen noch nicht vollendet war, so
kann auch bei der Bestrafung der Theilnehmer der Umstand, daß jemand
nicht der eigentliche Thäter gewesen ist, bei der Strafzumessung in An-
schlag gebracht werden. Doch wird dieß regelmäßig nur den Gehülfen
zu Statten kommen, denn die gleiche Verschuldung des Anstifters wie
des Thäters wird in der Deutschen Jurisprudenz allgemein angenommen.

II. Wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen auf das Vorhan-
densein mildernder Umstände Rücksicht genommen werden kann, so gilt
dieß auch zum Besten der Theilnehmer. Denn eine solche Bestimmung
ist Theil des Strafgesetzes, welches auf sie zur Anwendung kommt. Eine
ausdrückliche Vorschrift hierüber, wie sie §. 32. a. E. für die Bestrafung
des Versuchs aufgestellt worden, schien daher hier nicht nöthig.


k) Chauveau et Helie Faustin I. c. p. 177. -- Das ältere Deutsche
Recht hat freilich verschiedene Arten der Theilnahme auch hinsichtlich der Bestrafung
unterschieden, f. Wilda, das Strafrecht der Germanen, S. 609-637.; aber für
Eins der wichtigsten Verbrechen, nämlich den Diebstahl, galt die Regel, daß der
Theilnehmer gleich dem Thäter bestraft werden sollte. Vgl. Cropp in den crimi-
nalistischen Beiträgen, herausgegeben von Hudtwalder und Trummer, Band II.
Heft 2. S. 348-52.
Beseler Kommentar. 11

§. 35. Strafe der Theilnehmer.
hierzu, inſoweit es ſich um relative Strafen handelt, durch die Straf-
beſtimmungen des Geſetzes freier Spielraum gewährt.“

Eine abſolute Gleichförmigkeit der Strafe war alſo nicht beabſich-
tigt, wie ſie auch in Frankreich nicht durchgeführt wird. Denn die
Vorſchrift: Les complices d'un crime ou d'un délit seront punis de
la même peine que les auteurs
— wird dort ſo verſtanden, daß
nur die Strafart dieſelbe ſein müſſe; auch kommt nach dem Geſetze vom
28. April 1832. für die Theilnahme an einem Verbrechen oder Vergehen
der Einfluß der mildernden Umſtände in Betracht. k) — In der Kom-
miſſion der zweiten Kammer hielt man dafür, daß das über die Beſtrafung
des Verſuchs aufgeſtellte Princip auch auf die Beſtrafung der Theil-
nehmer Anwendung finden müſſe, und daß alſo nach den zu §. 32. ge-
faßten Beſchlüſſen auch die in der Regierungsvorlage enthaltene Vor-
ſchrift im Allgemeinen anzuerkennen ſei. Dagegen war man der Anſicht,
daß die auch in den Motiven ausgeſprochene Abſicht des Paragraphen:
die Beſtrafung der Theilnehmer nicht genau nach der Strafe des Thäters,
ſondern nur innerhalb des auf das Verbrechen oder Vergehen geſetzten
geſetzlichen Strafmaaßes zu beſtimmen, — deutlicher ausgedrückt werden
müſſe. Deswegen wurde die gegenwärtige Faſſung des Geſetzbuchs ge-
wählt: „auf den Theilnehmer — iſt daſſelbe Strafgeſetz anzuwenden,
welches auf den Thäter Anwendung findet.“

I. So wie der Richter bei der Abmeſſung der Strafe des Ver-
ſuchs innerhalb des geſetzlichen Strafmaaßes darauf Rückſicht nehmen
kann, daß das Verbrechen oder Vergehen noch nicht vollendet war, ſo
kann auch bei der Beſtrafung der Theilnehmer der Umſtand, daß jemand
nicht der eigentliche Thäter geweſen iſt, bei der Strafzumeſſung in An-
ſchlag gebracht werden. Doch wird dieß regelmäßig nur den Gehülfen
zu Statten kommen, denn die gleiche Verſchuldung des Anſtifters wie
des Thäters wird in der Deutſchen Jurisprudenz allgemein angenommen.

II. Wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen auf das Vorhan-
denſein mildernder Umſtände Rückſicht genommen werden kann, ſo gilt
dieß auch zum Beſten der Theilnehmer. Denn eine ſolche Beſtimmung
iſt Theil des Strafgeſetzes, welches auf ſie zur Anwendung kommt. Eine
ausdrückliche Vorſchrift hierüber, wie ſie §. 32. a. E. für die Beſtrafung
des Verſuchs aufgeſtellt worden, ſchien daher hier nicht nöthig.


k) Chauveau et Hélie Faustin I. c. p. 177. — Das ältere Deutſche
Recht hat freilich verſchiedene Arten der Theilnahme auch hinſichtlich der Beſtrafung
unterſchieden, f. Wilda, das Strafrecht der Germanen, S. 609-637.; aber für
Eins der wichtigſten Verbrechen, nämlich den Diebſtahl, galt die Regel, daß der
Theilnehmer gleich dem Thäter beſtraft werden ſollte. Vgl. Cropp in den crimi-
naliſtiſchen Beiträgen, herausgegeben von Hudtwalder und Trummer, Band II.
Heft 2. S. 348-52.
Beſeler Kommentar. 11
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[161/0171] §. 35. Strafe der Theilnehmer. hierzu, inſoweit es ſich um relative Strafen handelt, durch die Straf- beſtimmungen des Geſetzes freier Spielraum gewährt.“ Eine abſolute Gleichförmigkeit der Strafe war alſo nicht beabſich- tigt, wie ſie auch in Frankreich nicht durchgeführt wird. Denn die Vorſchrift: Les complices d'un crime ou d'un délit seront punis de la même peine que les auteurs — wird dort ſo verſtanden, daß nur die Strafart dieſelbe ſein müſſe; auch kommt nach dem Geſetze vom 28. April 1832. für die Theilnahme an einem Verbrechen oder Vergehen der Einfluß der mildernden Umſtände in Betracht. k) — In der Kom- miſſion der zweiten Kammer hielt man dafür, daß das über die Beſtrafung des Verſuchs aufgeſtellte Princip auch auf die Beſtrafung der Theil- nehmer Anwendung finden müſſe, und daß alſo nach den zu §. 32. ge- faßten Beſchlüſſen auch die in der Regierungsvorlage enthaltene Vor- ſchrift im Allgemeinen anzuerkennen ſei. Dagegen war man der Anſicht, daß die auch in den Motiven ausgeſprochene Abſicht des Paragraphen: die Beſtrafung der Theilnehmer nicht genau nach der Strafe des Thäters, ſondern nur innerhalb des auf das Verbrechen oder Vergehen geſetzten geſetzlichen Strafmaaßes zu beſtimmen, — deutlicher ausgedrückt werden müſſe. Deswegen wurde die gegenwärtige Faſſung des Geſetzbuchs ge- wählt: „auf den Theilnehmer — iſt daſſelbe Strafgeſetz anzuwenden, welches auf den Thäter Anwendung findet.“ I. So wie der Richter bei der Abmeſſung der Strafe des Ver- ſuchs innerhalb des geſetzlichen Strafmaaßes darauf Rückſicht nehmen kann, daß das Verbrechen oder Vergehen noch nicht vollendet war, ſo kann auch bei der Beſtrafung der Theilnehmer der Umſtand, daß jemand nicht der eigentliche Thäter geweſen iſt, bei der Strafzumeſſung in An- ſchlag gebracht werden. Doch wird dieß regelmäßig nur den Gehülfen zu Statten kommen, denn die gleiche Verſchuldung des Anſtifters wie des Thäters wird in der Deutſchen Jurisprudenz allgemein angenommen. II. Wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen auf das Vorhan- denſein mildernder Umſtände Rückſicht genommen werden kann, ſo gilt dieß auch zum Beſten der Theilnehmer. Denn eine ſolche Beſtimmung iſt Theil des Strafgeſetzes, welches auf ſie zur Anwendung kommt. Eine ausdrückliche Vorſchrift hierüber, wie ſie §. 32. a. E. für die Beſtrafung des Verſuchs aufgeſtellt worden, ſchien daher hier nicht nöthig. k) Chauveau et Hélie Faustin I. c. p. 177. — Das ältere Deutſche Recht hat freilich verſchiedene Arten der Theilnahme auch hinſichtlich der Beſtrafung unterſchieden, f. Wilda, das Strafrecht der Germanen, S. 609-637.; aber für Eins der wichtigſten Verbrechen, nämlich den Diebſtahl, galt die Regel, daß der Theilnehmer gleich dem Thäter beſtraft werden ſollte. Vgl. Cropp in den crimi- naliſtiſchen Beiträgen, herausgegeben von Hudtwalder und Trummer, Band II. Heft 2. S. 348-52. Beſeler Kommentar. 11

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/171>, abgerufen am 20.04.2024.