Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Th. I. Bestraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d.
Theilnahme.
Absicht selbst mit Sicherheit zu entnehmen sein; je schlauer aber der
Anstifter ist, desto unverfänglichere Mittel wird er anzuwenden und desto
mehr ihren Gebrauch zu verdecken suchen, -- vielleicht hat er mehr sei-
nen Wunsch nur errathen lassen, als selbst ausgesprochen, und das un-
befangene Urtheil schwankt, ob ihm eine bloß moralische oder auch eine
rechtliche Verschuldung beizumessen ist. Nur die umsichtige Erwägung
aller, in den Thatsachen und Persönlichkeiten liegenden Momente kann
in solchen zweifelhaften Fällen zur letzten Entscheidung führen, ob das
Verbrechen auf die Person des Angeschuldigten als auf die bestimmende
Ursache desselben zurückgeführt werden muß.

IV. Wenn die Anstiftung für strafbar gelten soll, so muß sie
einen gewissen Erfolg gehabt haben. Das vergebliche Bemühen, einen
Anderen zur Verübung eines Verbrechens oder Vergehens zu verleiten,
ist nicht mit Strafe bedroht. Das folgt einmal aus dem allgemeinen
Grundsatz des Gesetzbuchs, daß der strafbare Versuch einen Anfang der
Ausführung enthalten muß, und sich nicht in bloß vorbereitenden Hand-
lungen darstellt. Außerdem sind aber noch folgende entscheidende Gründe
für jene Annahme anzuführen.

a. Das Strafgesetzbuch sagt: Theilnehmer ist, wer "den Thäter"
durch Geschenke u. s. w. angereizt, verleitet oder bestimmt hat. Thäter
ist aber nur derjenige, welcher die verbrecherische Handlung bereits ge-
than hat. Dabei ist freilich nicht allein an das vollendete Verbrechen
zu denken; auch der strafbare Versuch ist eine verbrecherische That, und
wenn die Anstiftung auch nur diesen Erfolg gehabt hat, so ist ihr Er-
folg und demnach auch ihre Strafbarkeit nicht zu bezweifeln. Aber wer
den Versucher nicht gehört, ihn mit seinem Anliegen zurückgewiesen hat,
der kann nicht als Thäter bezeichnet werden.

b. Es giebt mehrere Fälle, in denen die Aufforderung, Anreizung
oder Verleitung für strafbar erklärt sind, auch wenn sie ohne Erfolg ge-
blieben. So gleich §. 36., wenn die Aufforderung öffentlich geschah,
ferner beim Hochverrath, bei der Verleitung zum Desertiren, bei dem
Meineide. -- Folgende Stellen des Gesetzbuchs handeln von solchen
Fällen:
§§. 36. 63. 65. 88. 100. 111. 114. 118. Nr. 2. 130.
164. 311.

Hier liegt es entweder schon in der gesetzlichen Bezeichnung der
Handlung selbst, z. B. bei der Herausforderung zum Zweikampf (§. 164.),
bei dem Versuch der Bestechung (§. 311.), daß es auf den Erfolg der
Anstiftung nicht ankommen soll, oder es ist dieß ausdrücklich vorge-
schrieben. Jedenfalls bestätigen diese Ausnahmen das Entgegengesetzte
als Regel.


Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d.
Theilnahme.
Abſicht ſelbſt mit Sicherheit zu entnehmen ſein; je ſchlauer aber der
Anſtifter iſt, deſto unverfänglichere Mittel wird er anzuwenden und deſto
mehr ihren Gebrauch zu verdecken ſuchen, — vielleicht hat er mehr ſei-
nen Wunſch nur errathen laſſen, als ſelbſt ausgeſprochen, und das un-
befangene Urtheil ſchwankt, ob ihm eine bloß moraliſche oder auch eine
rechtliche Verſchuldung beizumeſſen iſt. Nur die umſichtige Erwägung
aller, in den Thatſachen und Perſönlichkeiten liegenden Momente kann
in ſolchen zweifelhaften Fällen zur letzten Entſcheidung führen, ob das
Verbrechen auf die Perſon des Angeſchuldigten als auf die beſtimmende
Urſache deſſelben zurückgeführt werden muß.

IV. Wenn die Anſtiftung für ſtrafbar gelten ſoll, ſo muß ſie
einen gewiſſen Erfolg gehabt haben. Das vergebliche Bemühen, einen
Anderen zur Verübung eines Verbrechens oder Vergehens zu verleiten,
iſt nicht mit Strafe bedroht. Das folgt einmal aus dem allgemeinen
Grundſatz des Geſetzbuchs, daß der ſtrafbare Verſuch einen Anfang der
Ausführung enthalten muß, und ſich nicht in bloß vorbereitenden Hand-
lungen darſtellt. Außerdem ſind aber noch folgende entſcheidende Gründe
für jene Annahme anzuführen.

a. Das Strafgeſetzbuch ſagt: Theilnehmer iſt, wer „den Thäter“
durch Geſchenke u. ſ. w. angereizt, verleitet oder beſtimmt hat. Thäter
iſt aber nur derjenige, welcher die verbrecheriſche Handlung bereits ge-
than hat. Dabei iſt freilich nicht allein an das vollendete Verbrechen
zu denken; auch der ſtrafbare Verſuch iſt eine verbrecheriſche That, und
wenn die Anſtiftung auch nur dieſen Erfolg gehabt hat, ſo iſt ihr Er-
folg und demnach auch ihre Strafbarkeit nicht zu bezweifeln. Aber wer
den Verſucher nicht gehört, ihn mit ſeinem Anliegen zurückgewieſen hat,
der kann nicht als Thäter bezeichnet werden.

b. Es giebt mehrere Fälle, in denen die Aufforderung, Anreizung
oder Verleitung für ſtrafbar erklärt ſind, auch wenn ſie ohne Erfolg ge-
blieben. So gleich §. 36., wenn die Aufforderung öffentlich geſchah,
ferner beim Hochverrath, bei der Verleitung zum Deſertiren, bei dem
Meineide. — Folgende Stellen des Geſetzbuchs handeln von ſolchen
Fällen:
§§. 36. 63. 65. 88. 100. 111. 114. 118. Nr. 2. 130.
164. 311.

Hier liegt es entweder ſchon in der geſetzlichen Bezeichnung der
Handlung ſelbſt, z. B. bei der Herausforderung zum Zweikampf (§. 164.),
bei dem Verſuch der Beſtechung (§. 311.), daß es auf den Erfolg der
Anſtiftung nicht ankommen ſoll, oder es iſt dieß ausdrücklich vorge-
ſchrieben. Jedenfalls beſtätigen dieſe Ausnahmen das Entgegengeſetzte
als Regel.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0166" n="156"/><fw place="top" type="header">Th. I. Be&#x017F;traf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg.           Tit. III. V. d.<lb/>
Theilnahme.</fw><lb/>
Ab&#x017F;icht &#x017F;elb&#x017F;t          mit Sicherheit zu entnehmen &#x017F;ein; je &#x017F;chlauer aber          der<lb/>
An&#x017F;tifter i&#x017F;t, de&#x017F;to unverfänglichere Mittel wird          er anzuwenden und de&#x017F;to<lb/>
mehr ihren Gebrauch zu verdecken &#x017F;uchen,          &#x2014; vielleicht hat er mehr &#x017F;ei-<lb/>
nen Wun&#x017F;ch nur errathen          la&#x017F;&#x017F;en, als &#x017F;elb&#x017F;t ausge&#x017F;prochen,          und das un-<lb/>
befangene Urtheil &#x017F;chwankt, ob ihm eine bloß          morali&#x017F;che oder auch eine<lb/>
rechtliche Ver&#x017F;chuldung          beizume&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t. Nur die um&#x017F;ichtige          Erwägung<lb/>
aller, in den That&#x017F;achen und Per&#x017F;önlichkeiten liegenden          Momente kann<lb/>
in &#x017F;olchen zweifelhaften Fällen zur letzten          Ent&#x017F;cheidung führen, ob das<lb/>
Verbrechen auf die Per&#x017F;on des          Ange&#x017F;chuldigten als auf die be&#x017F;timmende<lb/>
Ur&#x017F;ache          de&#x017F;&#x017F;elben zurückgeführt werden muß.</p><lb/>
                <p>IV. Wenn die An&#x017F;tiftung für &#x017F;trafbar gelten &#x017F;oll,          &#x017F;o muß &#x017F;ie<lb/>
einen gewi&#x017F;&#x017F;en Erfolg gehabt          haben. Das vergebliche Bemühen, einen<lb/>
Anderen zur Verübung eines Verbrechens oder          Vergehens zu verleiten,<lb/>
i&#x017F;t nicht mit Strafe bedroht. Das folgt einmal aus          dem allgemeinen<lb/>
Grund&#x017F;atz des Ge&#x017F;etzbuchs, daß der          &#x017F;trafbare Ver&#x017F;uch einen Anfang der<lb/>
Ausführung enthalten muß, und          &#x017F;ich nicht in bloß vorbereitenden Hand-<lb/>
lungen dar&#x017F;tellt.          Außerdem &#x017F;ind aber noch folgende ent&#x017F;cheidende Gründe<lb/>
für jene          Annahme anzuführen.</p><lb/>
                <p><hi rendition="#aq">a.</hi> Das Strafge&#x017F;etzbuch &#x017F;agt: Theilnehmer          i&#x017F;t, wer &#x201E;den Thäter&#x201C;<lb/>
durch Ge&#x017F;chenke u.          &#x017F;. w. angereizt, verleitet oder be&#x017F;timmt hat.          Thäter<lb/>
i&#x017F;t aber nur derjenige, welcher die verbrecheri&#x017F;che          Handlung bereits ge-<lb/>
than hat. Dabei i&#x017F;t freilich nicht allein an das          vollendete Verbrechen<lb/>
zu denken; auch der &#x017F;trafbare Ver&#x017F;uch          i&#x017F;t eine verbrecheri&#x017F;che That, und<lb/>
wenn die An&#x017F;tiftung          auch nur die&#x017F;en Erfolg gehabt hat, &#x017F;o i&#x017F;t ihr Er-<lb/>
folg          und demnach auch ihre Strafbarkeit nicht zu bezweifeln. Aber wer<lb/>
den          Ver&#x017F;ucher nicht gehört, ihn mit &#x017F;einem Anliegen          zurückgewie&#x017F;en hat,<lb/>
der kann nicht als Thäter bezeichnet werden.</p><lb/>
                <p><hi rendition="#aq">b.</hi> Es giebt mehrere Fälle, in denen die Aufforderung,          Anreizung<lb/>
oder Verleitung für &#x017F;trafbar erklärt &#x017F;ind, auch wenn          &#x017F;ie ohne Erfolg ge-<lb/>
blieben. So gleich §. 36., wenn die Aufforderung          öffentlich ge&#x017F;chah,<lb/>
ferner beim Hochverrath, bei der Verleitung zum          De&#x017F;ertiren, bei dem<lb/>
Meineide. &#x2014; Folgende Stellen des          Ge&#x017F;etzbuchs handeln von &#x017F;olchen<lb/>
Fällen:<lb/><hi rendition="#et">§§. 36. 63. 65. 88. 100. 111. 114. 118. Nr. 2. 130.<lb/>
164. 311.</hi></p><lb/>
                <p>Hier liegt es entweder &#x017F;chon in der ge&#x017F;etzlichen Bezeichnung          der<lb/>
Handlung &#x017F;elb&#x017F;t, z. B. bei der Herausforderung zum Zweikampf          (§. 164.),<lb/>
bei dem Ver&#x017F;uch der Be&#x017F;techung (§. 311.), daß es auf          den Erfolg der<lb/>
An&#x017F;tiftung nicht ankommen &#x017F;oll, oder es          i&#x017F;t dieß ausdrücklich vorge-<lb/>
&#x017F;chrieben. Jedenfalls          be&#x017F;tätigen die&#x017F;e Ausnahmen das Entgegenge&#x017F;etzte<lb/>
als          Regel.</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0166] Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme. Abſicht ſelbſt mit Sicherheit zu entnehmen ſein; je ſchlauer aber der Anſtifter iſt, deſto unverfänglichere Mittel wird er anzuwenden und deſto mehr ihren Gebrauch zu verdecken ſuchen, — vielleicht hat er mehr ſei- nen Wunſch nur errathen laſſen, als ſelbſt ausgeſprochen, und das un- befangene Urtheil ſchwankt, ob ihm eine bloß moraliſche oder auch eine rechtliche Verſchuldung beizumeſſen iſt. Nur die umſichtige Erwägung aller, in den Thatſachen und Perſönlichkeiten liegenden Momente kann in ſolchen zweifelhaften Fällen zur letzten Entſcheidung führen, ob das Verbrechen auf die Perſon des Angeſchuldigten als auf die beſtimmende Urſache deſſelben zurückgeführt werden muß. IV. Wenn die Anſtiftung für ſtrafbar gelten ſoll, ſo muß ſie einen gewiſſen Erfolg gehabt haben. Das vergebliche Bemühen, einen Anderen zur Verübung eines Verbrechens oder Vergehens zu verleiten, iſt nicht mit Strafe bedroht. Das folgt einmal aus dem allgemeinen Grundſatz des Geſetzbuchs, daß der ſtrafbare Verſuch einen Anfang der Ausführung enthalten muß, und ſich nicht in bloß vorbereitenden Hand- lungen darſtellt. Außerdem ſind aber noch folgende entſcheidende Gründe für jene Annahme anzuführen. a. Das Strafgeſetzbuch ſagt: Theilnehmer iſt, wer „den Thäter“ durch Geſchenke u. ſ. w. angereizt, verleitet oder beſtimmt hat. Thäter iſt aber nur derjenige, welcher die verbrecheriſche Handlung bereits ge- than hat. Dabei iſt freilich nicht allein an das vollendete Verbrechen zu denken; auch der ſtrafbare Verſuch iſt eine verbrecheriſche That, und wenn die Anſtiftung auch nur dieſen Erfolg gehabt hat, ſo iſt ihr Er- folg und demnach auch ihre Strafbarkeit nicht zu bezweifeln. Aber wer den Verſucher nicht gehört, ihn mit ſeinem Anliegen zurückgewieſen hat, der kann nicht als Thäter bezeichnet werden. b. Es giebt mehrere Fälle, in denen die Aufforderung, Anreizung oder Verleitung für ſtrafbar erklärt ſind, auch wenn ſie ohne Erfolg ge- blieben. So gleich §. 36., wenn die Aufforderung öffentlich geſchah, ferner beim Hochverrath, bei der Verleitung zum Deſertiren, bei dem Meineide. — Folgende Stellen des Geſetzbuchs handeln von ſolchen Fällen: §§. 36. 63. 65. 88. 100. 111. 114. 118. Nr. 2. 130. 164. 311. Hier liegt es entweder ſchon in der geſetzlichen Bezeichnung der Handlung ſelbſt, z. B. bei der Herausforderung zum Zweikampf (§. 164.), bei dem Verſuch der Beſtechung (§. 311.), daß es auf den Erfolg der Anſtiftung nicht ankommen ſoll, oder es iſt dieß ausdrücklich vorge- ſchrieben. Jedenfalls beſtätigen dieſe Ausnahmen das Entgegengeſetzte als Regel.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/166
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/166>, abgerufen am 29.03.2024.