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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
gehens näher bezeichnet werden, sieht man sie mit dem Thäter zusam-
mengestellt, ohne daß dieser Begriff irgend eine Bestimmung gefunden
hat. Er ist vielmehr als bekannt vorausgesetzt, weil dabei an den
gewöhnlichen Fall gedacht wird, daß eine Person als sich selbst bestim-
mendes Subjekt ein Verbrechen oder Vergehen gewollt und die Ausübung
desselben vollbracht hat. Der Thäter ist also der intellektuelle und phy-
sische Urheber der That. Dieser Begriff bedarf allerdings an sich keiner
näheren Bestimmung im Strafgesetzbuch; aber es tritt doch häufig der
Fall ein, daß nicht ein Einzelner der Urheber eines Verbrechens ist, daß
auch die neben ihm thätigen Personen sich nicht in dem Verhältniß von
bloßen Gehülfen befinden, sondern daß mehrere eine gleiche verbreche-
rische Thätigkeit entwickeln, und als Miturheber zu betrachten sind.
Ueber dieß Verhältniß der Miturheber zu einander und über die ver-
schiedenen dabei möglichen Formen ihrer verbrecherischen Thätigkeit hat
die Doktrin des gemeinen Deutschen Strafrechts allgemeine Regeln ent-
wickelt, welche auch in manchen neueren Strafgesetzbüchern Aufnahme
gefunden haben.

In Beziehung auf die Frage, wie die Miturheber dem Grade der
Verschuldung nach zu stehen kommen, wie die Thätigkeit des Einzelnen
abzumessen, wie es sich mit dem Versuch, dem freiwilligen Rücktritt
u. s. w. verhält, wird ein Gesetzbuch keine allgemeine Regeln aufstellen
können, ohne in eine bedenkliche Kasuistik zu verfallen, und der Juris-
prudenz einen Theil ihrer Aufgabe zu entziehen. Aber es giebt bestimmte
Formen der Miturheberschaft, welche sich wegen ihrer besonderen recht-
lichen Natur zu einer selbständigen legislativen Behandlung zu empfehlen
scheinen, und in den neueren Deutschen Strafgesetzbüchern diese auch
meistens in dem Allgemeinen Theile gefunden haben: nämlich das
Komplott und die Bande. Auch bei der Revision des Preußischen
Strafrechts hat man diesen beiden Begriffen seine Aufmerksamkeit zuge-
wandt. Das Allgemeine Landrecht bot dafür freilich nur einen geringen
Anhalt. Ohne den Ausdruck Komplott zu gebrauchen, handelt es
nur von den Fällen, wenn mehrere sich "zur Begehung von Verbrechen
verbunden haben" (Th. II. Tit. 20. §. 66.) oder wenn mehrere sich
"zu einem gemeinschaftlich auszuführenden Verbrechen verbunden haben"
(a. a. O. §. 73.). An der ersten Stelle wird in einem solchen Fall
eine Erhöhung der Strafe vorgeschrieben, an der zweiten die Verhaftung
wegen sämmtlicher verabredeter Handlungen ausgesprochen. Ueber die
Bande kommen keine allgemeine Bestimmungen vor, indem nur von
Diebstahl und Raub in Banden gehandelt wird (a. a. O. §. 1209
-1217.).

Schon bei der ersten Revision wurden diese Begriffe weiter ausge-

Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
gehens näher bezeichnet werden, ſieht man ſie mit dem Thäter zuſam-
mengeſtellt, ohne daß dieſer Begriff irgend eine Beſtimmung gefunden
hat. Er iſt vielmehr als bekannt vorausgeſetzt, weil dabei an den
gewöhnlichen Fall gedacht wird, daß eine Perſon als ſich ſelbſt beſtim-
mendes Subjekt ein Verbrechen oder Vergehen gewollt und die Ausübung
deſſelben vollbracht hat. Der Thäter iſt alſo der intellektuelle und phy-
ſiſche Urheber der That. Dieſer Begriff bedarf allerdings an ſich keiner
näheren Beſtimmung im Strafgeſetzbuch; aber es tritt doch häufig der
Fall ein, daß nicht ein Einzelner der Urheber eines Verbrechens iſt, daß
auch die neben ihm thätigen Perſonen ſich nicht in dem Verhältniß von
bloßen Gehülfen befinden, ſondern daß mehrere eine gleiche verbreche-
riſche Thätigkeit entwickeln, und als Miturheber zu betrachten ſind.
Ueber dieß Verhältniß der Miturheber zu einander und über die ver-
ſchiedenen dabei möglichen Formen ihrer verbrecheriſchen Thätigkeit hat
die Doktrin des gemeinen Deutſchen Strafrechts allgemeine Regeln ent-
wickelt, welche auch in manchen neueren Strafgeſetzbüchern Aufnahme
gefunden haben.

In Beziehung auf die Frage, wie die Miturheber dem Grade der
Verſchuldung nach zu ſtehen kommen, wie die Thätigkeit des Einzelnen
abzumeſſen, wie es ſich mit dem Verſuch, dem freiwilligen Rücktritt
u. ſ. w. verhält, wird ein Geſetzbuch keine allgemeine Regeln aufſtellen
können, ohne in eine bedenkliche Kaſuiſtik zu verfallen, und der Juris-
prudenz einen Theil ihrer Aufgabe zu entziehen. Aber es giebt beſtimmte
Formen der Miturheberſchaft, welche ſich wegen ihrer beſonderen recht-
lichen Natur zu einer ſelbſtändigen legislativen Behandlung zu empfehlen
ſcheinen, und in den neueren Deutſchen Strafgeſetzbüchern dieſe auch
meiſtens in dem Allgemeinen Theile gefunden haben: nämlich das
Komplott und die Bande. Auch bei der Reviſion des Preußiſchen
Strafrechts hat man dieſen beiden Begriffen ſeine Aufmerkſamkeit zuge-
wandt. Das Allgemeine Landrecht bot dafür freilich nur einen geringen
Anhalt. Ohne den Ausdruck Komplott zu gebrauchen, handelt es
nur von den Fällen, wenn mehrere ſich „zur Begehung von Verbrechen
verbunden haben“ (Th. II. Tit. 20. §. 66.) oder wenn mehrere ſich
„zu einem gemeinſchaftlich auszuführenden Verbrechen verbunden haben“
(a. a. O. §. 73.). An der erſten Stelle wird in einem ſolchen Fall
eine Erhöhung der Strafe vorgeſchrieben, an der zweiten die Verhaftung
wegen ſämmtlicher verabredeter Handlungen ausgeſprochen. Ueber die
Bande kommen keine allgemeine Beſtimmungen vor, indem nur von
Diebſtahl und Raub in Banden gehandelt wird (a. a. O. §. 1209
-1217.).

Schon bei der erſten Reviſion wurden dieſe Begriffe weiter ausge-

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[152/0162] Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme. gehens näher bezeichnet werden, ſieht man ſie mit dem Thäter zuſam- mengeſtellt, ohne daß dieſer Begriff irgend eine Beſtimmung gefunden hat. Er iſt vielmehr als bekannt vorausgeſetzt, weil dabei an den gewöhnlichen Fall gedacht wird, daß eine Perſon als ſich ſelbſt beſtim- mendes Subjekt ein Verbrechen oder Vergehen gewollt und die Ausübung deſſelben vollbracht hat. Der Thäter iſt alſo der intellektuelle und phy- ſiſche Urheber der That. Dieſer Begriff bedarf allerdings an ſich keiner näheren Beſtimmung im Strafgeſetzbuch; aber es tritt doch häufig der Fall ein, daß nicht ein Einzelner der Urheber eines Verbrechens iſt, daß auch die neben ihm thätigen Perſonen ſich nicht in dem Verhältniß von bloßen Gehülfen befinden, ſondern daß mehrere eine gleiche verbreche- riſche Thätigkeit entwickeln, und als Miturheber zu betrachten ſind. Ueber dieß Verhältniß der Miturheber zu einander und über die ver- ſchiedenen dabei möglichen Formen ihrer verbrecheriſchen Thätigkeit hat die Doktrin des gemeinen Deutſchen Strafrechts allgemeine Regeln ent- wickelt, welche auch in manchen neueren Strafgeſetzbüchern Aufnahme gefunden haben. In Beziehung auf die Frage, wie die Miturheber dem Grade der Verſchuldung nach zu ſtehen kommen, wie die Thätigkeit des Einzelnen abzumeſſen, wie es ſich mit dem Verſuch, dem freiwilligen Rücktritt u. ſ. w. verhält, wird ein Geſetzbuch keine allgemeine Regeln aufſtellen können, ohne in eine bedenkliche Kaſuiſtik zu verfallen, und der Juris- prudenz einen Theil ihrer Aufgabe zu entziehen. Aber es giebt beſtimmte Formen der Miturheberſchaft, welche ſich wegen ihrer beſonderen recht- lichen Natur zu einer ſelbſtändigen legislativen Behandlung zu empfehlen ſcheinen, und in den neueren Deutſchen Strafgeſetzbüchern dieſe auch meiſtens in dem Allgemeinen Theile gefunden haben: nämlich das Komplott und die Bande. Auch bei der Reviſion des Preußiſchen Strafrechts hat man dieſen beiden Begriffen ſeine Aufmerkſamkeit zuge- wandt. Das Allgemeine Landrecht bot dafür freilich nur einen geringen Anhalt. Ohne den Ausdruck Komplott zu gebrauchen, handelt es nur von den Fällen, wenn mehrere ſich „zur Begehung von Verbrechen verbunden haben“ (Th. II. Tit. 20. §. 66.) oder wenn mehrere ſich „zu einem gemeinſchaftlich auszuführenden Verbrechen verbunden haben“ (a. a. O. §. 73.). An der erſten Stelle wird in einem ſolchen Fall eine Erhöhung der Strafe vorgeſchrieben, an der zweiten die Verhaftung wegen ſämmtlicher verabredeter Handlungen ausgeſprochen. Ueber die Bande kommen keine allgemeine Beſtimmungen vor, indem nur von Diebſtahl und Raub in Banden gehandelt wird (a. a. O. §. 1209 -1217.). Schon bei der erſten Reviſion wurden dieſe Begriffe weiter ausge-

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/162>, abgerufen am 28.03.2024.