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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d. Versuche.
den solle, sich in allgemeinen Regeln kaum feststellen lasse. Die Ver-
handlung führte endlich dazu, daß der Antrag auf eine principielle Aen-
derung der Gesetzesvorschrift verworfen, aber doch beschlossen wurde, den
zweiten Satz im ersten Absatz und den dritten Absatz des §. 32. hinzu-
zufügen. In dieser Fassung ist der Paragraph in das Gesetzbuch über-
gegangen, nachdem auch die Kommission der ersten Kammer sich damit
einverstanden erklärt hatte. w)

a. Der Versuch des Verbrechens wird wie das Verbrechen selbst
bestraft. Diese Regel erhält ihre Beschränkung dadurch, daß innerhalb
des gesetzlichen Strafmaaßes der Richter darauf Rücksicht nehmen kann,
daß das Verbrechen nicht vollendet worden. Der Versuch wird also
unter sonst gleichen Umständen niedriger zu bestrafen sein, als das voll-
endete Verbrechen, aber nicht unter dem Minimum der gesetzlichen Strafe.
Auf diesem Standpunkte stand auch schon im Wesentlichen der Entwurf
von 1847. und der vereinigte ständische Ausschuß. In jenem Entwurf
nämlich war bestimmt:

§. 41. "Die auf das vollendete Verbrechen angedrohte Strafe
des Verlustes der gewerblichen und der Ehrenrechte, der Landes-
verweisung und der Stellung unter besondere Polizeiaufsicht soll
auch dann ausgesprochen werden, wenn das Verbrechen nur als
ein versuchtes zu bestrafen ist."

Diese Bestimmung wurde von dem vereinigten ständischen Ausschuß
nicht nur angenommen, sondern es wurde auch noch dem Antrag ein-
stimmig beigetreten,
daß die Strafe des Versuchs mit der Strafart des vollendeten
Verbrechens korrespondire.
" x)

Wendet man diese beiden Regeln auf die Bestrafung der Verbrechen an,
so findet sich, daß sie im Wesentlichen mit dem in §. 32. Abs. 1. auf-
gestellten Grundsatz zusammen treffen. Zwar ist in dem Entwurfe von
1847. §. 40. Absatz 3. noch vorgeschrieben, daß bei Verbrechen, welche
höchstens eine zeitige Freiheitsstrafe oder eine Geldbuße nach sich ziehen,
die Strafe des Versuchs niemals zwei Drittheile der höchsten gesetzlichen
Strafe übersteigen soll. Aber das höchste Strafmaaß ist es nicht, was
die Bestimmung des §. 32. hart macht, sondern der Umstand, daß die
Strafart und das Minimum bei dem Versuch und dem vollendeten Ver-
brechen gleich gestellt sind. Auch ist zu beachten, daß der Entwurf von
1847. noch gleiche Vorschriften über den Versuch des Verbrechens und
des Vergehens enthält, während der letztere nach §. 33. jetzt nur aus-

w) Protokolle der Kommission der zweiten Kammer, Sitzung vom
15. Jan. 1851. -- Bericht der Kommission der ersten Kammer zu §. 32.
x) Verhandlungen I. S. 206. -- II. S. 364.

Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d. Verſuche.
den ſolle, ſich in allgemeinen Regeln kaum feſtſtellen laſſe. Die Ver-
handlung führte endlich dazu, daß der Antrag auf eine principielle Aen-
derung der Geſetzesvorſchrift verworfen, aber doch beſchloſſen wurde, den
zweiten Satz im erſten Abſatz und den dritten Abſatz des §. 32. hinzu-
zufügen. In dieſer Faſſung iſt der Paragraph in das Geſetzbuch über-
gegangen, nachdem auch die Kommiſſion der erſten Kammer ſich damit
einverſtanden erklärt hatte. w)

a. Der Verſuch des Verbrechens wird wie das Verbrechen ſelbſt
beſtraft. Dieſe Regel erhält ihre Beſchränkung dadurch, daß innerhalb
des geſetzlichen Strafmaaßes der Richter darauf Rückſicht nehmen kann,
daß das Verbrechen nicht vollendet worden. Der Verſuch wird alſo
unter ſonſt gleichen Umſtänden niedriger zu beſtrafen ſein, als das voll-
endete Verbrechen, aber nicht unter dem Minimum der geſetzlichen Strafe.
Auf dieſem Standpunkte ſtand auch ſchon im Weſentlichen der Entwurf
von 1847. und der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß. In jenem Entwurf
nämlich war beſtimmt:

§. 41. „Die auf das vollendete Verbrechen angedrohte Strafe
des Verluſtes der gewerblichen und der Ehrenrechte, der Landes-
verweiſung und der Stellung unter beſondere Polizeiaufſicht ſoll
auch dann ausgeſprochen werden, wenn das Verbrechen nur als
ein verſuchtes zu beſtrafen iſt.“

Dieſe Beſtimmung wurde von dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß
nicht nur angenommen, ſondern es wurde auch noch dem Antrag ein-
ſtimmig beigetreten,
daß die Strafe des Verſuchs mit der Strafart des vollendeten
Verbrechens korreſpondire.
x)

Wendet man dieſe beiden Regeln auf die Beſtrafung der Verbrechen an,
ſo findet ſich, daß ſie im Weſentlichen mit dem in §. 32. Abſ. 1. auf-
geſtellten Grundſatz zuſammen treffen. Zwar iſt in dem Entwurfe von
1847. §. 40. Abſatz 3. noch vorgeſchrieben, daß bei Verbrechen, welche
höchſtens eine zeitige Freiheitsſtrafe oder eine Geldbuße nach ſich ziehen,
die Strafe des Verſuchs niemals zwei Drittheile der höchſten geſetzlichen
Strafe überſteigen ſoll. Aber das höchſte Strafmaaß iſt es nicht, was
die Beſtimmung des §. 32. hart macht, ſondern der Umſtand, daß die
Strafart und das Minimum bei dem Verſuch und dem vollendeten Ver-
brechen gleich geſtellt ſind. Auch iſt zu beachten, daß der Entwurf von
1847. noch gleiche Vorſchriften über den Verſuch des Verbrechens und
des Vergehens enthält, während der letztere nach §. 33. jetzt nur aus-

w) Protokolle der Kommiſſion der zweiten Kammer, Sitzung vom
15. Jan. 1851. — Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §. 32.
x) Verhandlungen I. S. 206. — II. S. 364.
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[148/0158] Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d. Verſuche. den ſolle, ſich in allgemeinen Regeln kaum feſtſtellen laſſe. Die Ver- handlung führte endlich dazu, daß der Antrag auf eine principielle Aen- derung der Geſetzesvorſchrift verworfen, aber doch beſchloſſen wurde, den zweiten Satz im erſten Abſatz und den dritten Abſatz des §. 32. hinzu- zufügen. In dieſer Faſſung iſt der Paragraph in das Geſetzbuch über- gegangen, nachdem auch die Kommiſſion der erſten Kammer ſich damit einverſtanden erklärt hatte. w) a. Der Verſuch des Verbrechens wird wie das Verbrechen ſelbſt beſtraft. Dieſe Regel erhält ihre Beſchränkung dadurch, daß innerhalb des geſetzlichen Strafmaaßes der Richter darauf Rückſicht nehmen kann, daß das Verbrechen nicht vollendet worden. Der Verſuch wird alſo unter ſonſt gleichen Umſtänden niedriger zu beſtrafen ſein, als das voll- endete Verbrechen, aber nicht unter dem Minimum der geſetzlichen Strafe. Auf dieſem Standpunkte ſtand auch ſchon im Weſentlichen der Entwurf von 1847. und der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß. In jenem Entwurf nämlich war beſtimmt: §. 41. „Die auf das vollendete Verbrechen angedrohte Strafe des Verluſtes der gewerblichen und der Ehrenrechte, der Landes- verweiſung und der Stellung unter beſondere Polizeiaufſicht ſoll auch dann ausgeſprochen werden, wenn das Verbrechen nur als ein verſuchtes zu beſtrafen iſt.“ Dieſe Beſtimmung wurde von dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß nicht nur angenommen, ſondern es wurde auch noch dem Antrag ein- ſtimmig beigetreten, daß die Strafe des Verſuchs mit der Strafart des vollendeten Verbrechens korreſpondire.“ x) Wendet man dieſe beiden Regeln auf die Beſtrafung der Verbrechen an, ſo findet ſich, daß ſie im Weſentlichen mit dem in §. 32. Abſ. 1. auf- geſtellten Grundſatz zuſammen treffen. Zwar iſt in dem Entwurfe von 1847. §. 40. Abſatz 3. noch vorgeſchrieben, daß bei Verbrechen, welche höchſtens eine zeitige Freiheitsſtrafe oder eine Geldbuße nach ſich ziehen, die Strafe des Verſuchs niemals zwei Drittheile der höchſten geſetzlichen Strafe überſteigen ſoll. Aber das höchſte Strafmaaß iſt es nicht, was die Beſtimmung des §. 32. hart macht, ſondern der Umſtand, daß die Strafart und das Minimum bei dem Verſuch und dem vollendeten Ver- brechen gleich geſtellt ſind. Auch iſt zu beachten, daß der Entwurf von 1847. noch gleiche Vorſchriften über den Verſuch des Verbrechens und des Vergehens enthält, während der letztere nach §. 33. jetzt nur aus- w) Protokolle der Kommiſſion der zweiten Kammer, Sitzung vom 15. Jan. 1851. — Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §. 32. x) Verhandlungen I. S. 206. — II. S. 364.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/158>, abgerufen am 29.03.2024.