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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hörte, die ihm eben fehlte. Er fand keinen Schlaf, er weinte, er schimpfte, er raufte sich die Haare aus, es half Alles nichts. Zuletzt setzte er sich im Bette auf und legte den Kopf in stummer Verzweiflung in die Hand. Die Vögel, die den Morgen ankündigen, ließen ihre traurigen, einzelnen Töne erschallen; nach einer halben Stunde verstummte der erste, und ein anderer gab einen Laut von sich, endlich ein dritter, die Dämmerung ward merklich; nie war ein Tag Fritzen schmerzlicher angebrochen, der Himmel wurde im Osten grau, dann weiß, er färbte sich röthlich, er färbte sich gelb, die Sonne kam endlich, sie war ihm verhaßt. Wie schien ihm sein Haus so öde, die Wände so arm! Und sollte es immer so bleiben, sollte nie ein theures Gesicht sie ihm beleben, der kleine Raum immer so schmucklos sein, ohne Kinder, ohne Frau? -- Der Arme ist allein, dachte Fritz, und der Arme -- der ist ein armer Mann! Er weinte laut. Draußen zogen die Leute zur Arbeit, er saß noch immer unbeweglich. Die Einzelnen sangen, Andere schwatzten, wie sie mit dem Werkzeug in den Händen zusammen gingen, einer pfiff, auf seinem Wagen stehend, mit dem er lustig zum Dorfe hinausfuhr, das Lied, das Fritz sonst zu pfeifen pflegte; er wandte sich ab, Leben und Fröhlichkeit waren ihm zum Ekel. Noch immer saß er auf seinem Bette und fühlte kein Bedürfniß aufzustehen und keins zu frühstücken. Endlich trieb der Hirt die Heerde vorbei und hielt vor seiner Thür an, die Kuh zu erwar-

hörte, die ihm eben fehlte. Er fand keinen Schlaf, er weinte, er schimpfte, er raufte sich die Haare aus, es half Alles nichts. Zuletzt setzte er sich im Bette auf und legte den Kopf in stummer Verzweiflung in die Hand. Die Vögel, die den Morgen ankündigen, ließen ihre traurigen, einzelnen Töne erschallen; nach einer halben Stunde verstummte der erste, und ein anderer gab einen Laut von sich, endlich ein dritter, die Dämmerung ward merklich; nie war ein Tag Fritzen schmerzlicher angebrochen, der Himmel wurde im Osten grau, dann weiß, er färbte sich röthlich, er färbte sich gelb, die Sonne kam endlich, sie war ihm verhaßt. Wie schien ihm sein Haus so öde, die Wände so arm! Und sollte es immer so bleiben, sollte nie ein theures Gesicht sie ihm beleben, der kleine Raum immer so schmucklos sein, ohne Kinder, ohne Frau? — Der Arme ist allein, dachte Fritz, und der Arme — der ist ein armer Mann! Er weinte laut. Draußen zogen die Leute zur Arbeit, er saß noch immer unbeweglich. Die Einzelnen sangen, Andere schwatzten, wie sie mit dem Werkzeug in den Händen zusammen gingen, einer pfiff, auf seinem Wagen stehend, mit dem er lustig zum Dorfe hinausfuhr, das Lied, das Fritz sonst zu pfeifen pflegte; er wandte sich ab, Leben und Fröhlichkeit waren ihm zum Ekel. Noch immer saß er auf seinem Bette und fühlte kein Bedürfniß aufzustehen und keins zu frühstücken. Endlich trieb der Hirt die Heerde vorbei und hielt vor seiner Thür an, die Kuh zu erwar-

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[0050] hörte, die ihm eben fehlte. Er fand keinen Schlaf, er weinte, er schimpfte, er raufte sich die Haare aus, es half Alles nichts. Zuletzt setzte er sich im Bette auf und legte den Kopf in stummer Verzweiflung in die Hand. Die Vögel, die den Morgen ankündigen, ließen ihre traurigen, einzelnen Töne erschallen; nach einer halben Stunde verstummte der erste, und ein anderer gab einen Laut von sich, endlich ein dritter, die Dämmerung ward merklich; nie war ein Tag Fritzen schmerzlicher angebrochen, der Himmel wurde im Osten grau, dann weiß, er färbte sich röthlich, er färbte sich gelb, die Sonne kam endlich, sie war ihm verhaßt. Wie schien ihm sein Haus so öde, die Wände so arm! Und sollte es immer so bleiben, sollte nie ein theures Gesicht sie ihm beleben, der kleine Raum immer so schmucklos sein, ohne Kinder, ohne Frau? — Der Arme ist allein, dachte Fritz, und der Arme — der ist ein armer Mann! Er weinte laut. Draußen zogen die Leute zur Arbeit, er saß noch immer unbeweglich. Die Einzelnen sangen, Andere schwatzten, wie sie mit dem Werkzeug in den Händen zusammen gingen, einer pfiff, auf seinem Wagen stehend, mit dem er lustig zum Dorfe hinausfuhr, das Lied, das Fritz sonst zu pfeifen pflegte; er wandte sich ab, Leben und Fröhlichkeit waren ihm zum Ekel. Noch immer saß er auf seinem Bette und fühlte kein Bedürfniß aufzustehen und keins zu frühstücken. Endlich trieb der Hirt die Heerde vorbei und hielt vor seiner Thür an, die Kuh zu erwar-

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/50>, abgerufen am 19.04.2024.