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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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paarmal Blicke zugeworfen, die sie in Verlegenheit gesetzt.

Die Mutter wird schelten, fuhr Mariechen fort; mach, daß du fertig wirst, dein Kaffee steht noch auf dem Herd.

Lieschen zog sich an; so wie sie sich allein sah, ergriff sie das Gefühl des Unglücks wieder in seiner ganzen Macht. Sie hätte so gern fortgeschlafen. Nichtsein schien ihr das höchste Glück. Dann meinte sie, sie habe geträumt, was gestern Abends geschehen. Doch sie erinnerte sich der Umstände zu genau, und der rettende Wahn verschwand wieder. Ihr Verstand kam und wollte sie trösten, sagte, eine Nadel sei eine Nadel, Fritz könne eine andere schnitzen, und ihr Vater habe sie necken wollen. Aber das besser unterrichtete Gefühl antwortete, ihr Vater scherze nicht und habe auch nicht darnach ausgesehen; in diesem Verbrennen liege eine Antwort auf alle künftigen Fragen, er wolle nicht gebeten sein, Fritz schien ihr auf ewig verloren. Die Thränen liefen ihr über die Wangen, sie trocknete sie hastig und ging hinunter. Die Mutter schalt nicht und sah sich nicht nach ihr um, erwiderte auch ihren Morgengruß nicht. Mariechen brachte ihr den Kaffee -- Ich will nicht trinken, sagte Lieschen. Du willst nicht? fragte die Mutter streng, sie zum erstenmal anblickend; fehlt dir etwas? Dann ist's besser, du gehst wieder zu Bett.

Lieschen dachte an Fritz und daß er kommen

paarmal Blicke zugeworfen, die sie in Verlegenheit gesetzt.

Die Mutter wird schelten, fuhr Mariechen fort; mach, daß du fertig wirst, dein Kaffee steht noch auf dem Herd.

Lieschen zog sich an; so wie sie sich allein sah, ergriff sie das Gefühl des Unglücks wieder in seiner ganzen Macht. Sie hätte so gern fortgeschlafen. Nichtsein schien ihr das höchste Glück. Dann meinte sie, sie habe geträumt, was gestern Abends geschehen. Doch sie erinnerte sich der Umstände zu genau, und der rettende Wahn verschwand wieder. Ihr Verstand kam und wollte sie trösten, sagte, eine Nadel sei eine Nadel, Fritz könne eine andere schnitzen, und ihr Vater habe sie necken wollen. Aber das besser unterrichtete Gefühl antwortete, ihr Vater scherze nicht und habe auch nicht darnach ausgesehen; in diesem Verbrennen liege eine Antwort auf alle künftigen Fragen, er wolle nicht gebeten sein, Fritz schien ihr auf ewig verloren. Die Thränen liefen ihr über die Wangen, sie trocknete sie hastig und ging hinunter. Die Mutter schalt nicht und sah sich nicht nach ihr um, erwiderte auch ihren Morgengruß nicht. Mariechen brachte ihr den Kaffee — Ich will nicht trinken, sagte Lieschen. Du willst nicht? fragte die Mutter streng, sie zum erstenmal anblickend; fehlt dir etwas? Dann ist's besser, du gehst wieder zu Bett.

Lieschen dachte an Fritz und daß er kommen

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[0033] paarmal Blicke zugeworfen, die sie in Verlegenheit gesetzt. Die Mutter wird schelten, fuhr Mariechen fort; mach, daß du fertig wirst, dein Kaffee steht noch auf dem Herd. Lieschen zog sich an; so wie sie sich allein sah, ergriff sie das Gefühl des Unglücks wieder in seiner ganzen Macht. Sie hätte so gern fortgeschlafen. Nichtsein schien ihr das höchste Glück. Dann meinte sie, sie habe geträumt, was gestern Abends geschehen. Doch sie erinnerte sich der Umstände zu genau, und der rettende Wahn verschwand wieder. Ihr Verstand kam und wollte sie trösten, sagte, eine Nadel sei eine Nadel, Fritz könne eine andere schnitzen, und ihr Vater habe sie necken wollen. Aber das besser unterrichtete Gefühl antwortete, ihr Vater scherze nicht und habe auch nicht darnach ausgesehen; in diesem Verbrennen liege eine Antwort auf alle künftigen Fragen, er wolle nicht gebeten sein, Fritz schien ihr auf ewig verloren. Die Thränen liefen ihr über die Wangen, sie trocknete sie hastig und ging hinunter. Die Mutter schalt nicht und sah sich nicht nach ihr um, erwiderte auch ihren Morgengruß nicht. Mariechen brachte ihr den Kaffee — Ich will nicht trinken, sagte Lieschen. Du willst nicht? fragte die Mutter streng, sie zum erstenmal anblickend; fehlt dir etwas? Dann ist's besser, du gehst wieder zu Bett. Lieschen dachte an Fritz und daß er kommen

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/33>, abgerufen am 28.03.2024.