Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Alpengebäude.
verwandelt, wohin namentlich die Verrucano-Gebilde gehören.
Mächtige Gypsadern durchziehen, als spätere chemische Verbin¬
dungen, die krystallinischen Massen, -- und hornblendartige Ge¬
steine steigen als Erruptiv-Garben, wie Schlote aus der Unter¬
welt, im innersten Kern der centralen Stöcke auf, in den höchsten
Spitzen derselben zu Tage tretend. Dieses chemisch-zersetzende, all¬
mählig auflösende, neue Prozesse vorbereitende Laboratorium im
Erd-Innern, als deren Sicherheits-Ventile Alexander v. Humboldt
die Vulkane bezeichnet, arbeitet auch unter dem Alpen-Massiv noch
immer fort. Beweise dafür liefern die zahlreichen kohlensauern
Gasquellen, die vielen Sauerbrunnen, die, giftige und stickstoff¬
haltige Dünste ausathmenden, gefährlichen Mofetten im Engadin
und manche andere Erscheinungen.

Nicht durch den ganzen von Südwest gen Nordost laufenden
Alpenwall zeigt sich an der nördlichen Abdachung die gleiche, vom
jüngeren zum älteren Gebilde regelmäßig fortschreitende Gesteins¬
folge, wie wir sie auf den letzten Seiten skizzirten; gar häufig er¬
scheint dieselbe unterbrochen oder gar auf den Kopf gestellt. Dies
ist namentlich der Fall in dem großen, wie es scheint nach Innen
eingestürzten, jetzt von den Schienen der Eisenbahn durchschnitte¬
nen Alpenkessel zwischen dem Glärnisch, den Churfirsten und dem
Kalanda; dort zeigen sich die älteren Schichten den jüngeren auf¬
gelagert, so daß hier eine der größten Umwälzungen stattgefunden
haben mag. Ringsum an den genannten Bergen bestätigen die
abgebrochenen Schichtenköpfe die Annahme eines umfangreichen
Einsturzes der Gebirge; die Verrucano-Massen treten hier als
schöne rothe Melser Konglomerate und Sernf-Schiefer dicht an die
Eisenbahn heran.

Ganz anders gestaltet sich das Alpenbild von einem südlichen
Standpunkte aus. Der Absturz der Massen ist viel schroffer, un¬
vermittelter, als vom Norden gesehen. Die Bergfronten zeigen
sich einerseits durch ihre gen Mittag gekehrte Lage und durch die

Das Alpengebäude.
verwandelt, wohin namentlich die Verrucano-Gebilde gehören.
Mächtige Gypsadern durchziehen, als ſpätere chemiſche Verbin¬
dungen, die kryſtalliniſchen Maſſen, — und hornblendartige Ge¬
ſteine ſteigen als Erruptiv-Garben, wie Schlote aus der Unter¬
welt, im innerſten Kern der centralen Stöcke auf, in den höchſten
Spitzen derſelben zu Tage tretend. Dieſes chemiſch-zerſetzende, all¬
mählig auflöſende, neue Prozeſſe vorbereitende Laboratorium im
Erd-Innern, als deren Sicherheits-Ventile Alexander v. Humboldt
die Vulkane bezeichnet, arbeitet auch unter dem Alpen-Maſſiv noch
immer fort. Beweiſe dafür liefern die zahlreichen kohlenſauern
Gasquellen, die vielen Sauerbrunnen, die, giftige und ſtickſtoff¬
haltige Dünſte ausathmenden, gefährlichen Mofetten im Engadin
und manche andere Erſcheinungen.

Nicht durch den ganzen von Südweſt gen Nordoſt laufenden
Alpenwall zeigt ſich an der nördlichen Abdachung die gleiche, vom
jüngeren zum älteren Gebilde regelmäßig fortſchreitende Geſteins¬
folge, wie wir ſie auf den letzten Seiten ſkizzirten; gar häufig er¬
ſcheint dieſelbe unterbrochen oder gar auf den Kopf geſtellt. Dies
iſt namentlich der Fall in dem großen, wie es ſcheint nach Innen
eingeſtürzten, jetzt von den Schienen der Eiſenbahn durchſchnitte¬
nen Alpenkeſſel zwiſchen dem Glärniſch, den Churfirſten und dem
Kalanda; dort zeigen ſich die älteren Schichten den jüngeren auf¬
gelagert, ſo daß hier eine der größten Umwälzungen ſtattgefunden
haben mag. Ringsum an den genannten Bergen beſtätigen die
abgebrochenen Schichtenköpfe die Annahme eines umfangreichen
Einſturzes der Gebirge; die Verrucano-Maſſen treten hier als
ſchöne rothe Melſer Konglomerate und Sernf-Schiefer dicht an die
Eiſenbahn heran.

Ganz anders geſtaltet ſich das Alpenbild von einem ſüdlichen
Standpunkte aus. Der Abſturz der Maſſen iſt viel ſchroffer, un¬
vermittelter, als vom Norden geſehen. Die Bergfronten zeigen
ſich einerſeits durch ihre gen Mittag gekehrte Lage und durch die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Das Alpengebäude</hi>.<lb/></fw> verwandelt, wohin namentlich die Verrucano-Gebilde gehören.<lb/>
Mächtige Gypsadern durchziehen, als &#x017F;pätere chemi&#x017F;che Verbin¬<lb/>
dungen, die kry&#x017F;tallini&#x017F;chen Ma&#x017F;&#x017F;en, &#x2014; und hornblendartige Ge¬<lb/>
&#x017F;teine &#x017F;teigen als Erruptiv-Garben, wie Schlote aus der Unter¬<lb/>
welt, im inner&#x017F;ten Kern der centralen Stöcke auf, in den höch&#x017F;ten<lb/>
Spitzen der&#x017F;elben zu Tage tretend. Die&#x017F;es chemi&#x017F;ch-zer&#x017F;etzende, all¬<lb/>
mählig auflö&#x017F;ende, neue Proze&#x017F;&#x017F;e vorbereitende Laboratorium im<lb/>
Erd-Innern, als deren Sicherheits-Ventile Alexander v. Humboldt<lb/>
die Vulkane bezeichnet, arbeitet auch unter dem Alpen-Ma&#x017F;&#x017F;iv noch<lb/>
immer fort. Bewei&#x017F;e dafür liefern die zahlreichen kohlen&#x017F;auern<lb/>
Gasquellen, die vielen Sauerbrunnen, die, giftige und &#x017F;tick&#x017F;toff¬<lb/>
haltige Dün&#x017F;te ausathmenden, gefährlichen Mofetten im Engadin<lb/>
und manche andere Er&#x017F;cheinungen.</p><lb/>
        <p>Nicht durch den ganzen von Südwe&#x017F;t gen Nordo&#x017F;t laufenden<lb/>
Alpenwall zeigt &#x017F;ich an der nördlichen Abdachung die gleiche, vom<lb/>
jüngeren zum älteren Gebilde regelmäßig fort&#x017F;chreitende Ge&#x017F;teins¬<lb/>
folge, wie wir &#x017F;ie auf den letzten Seiten &#x017F;kizzirten; gar häufig er¬<lb/>
&#x017F;cheint die&#x017F;elbe unterbrochen oder gar auf den Kopf ge&#x017F;tellt. Dies<lb/>
i&#x017F;t namentlich der Fall in dem großen, wie es &#x017F;cheint nach Innen<lb/>
einge&#x017F;türzten, jetzt von den Schienen der Ei&#x017F;enbahn durch&#x017F;chnitte¬<lb/>
nen Alpenke&#x017F;&#x017F;el zwi&#x017F;chen dem Glärni&#x017F;ch, den Churfir&#x017F;ten und dem<lb/>
Kalanda; dort zeigen &#x017F;ich die älteren Schichten den jüngeren auf¬<lb/>
gelagert, &#x017F;o daß hier eine der größten Umwälzungen &#x017F;tattgefunden<lb/>
haben mag. Ringsum an den genannten Bergen be&#x017F;tätigen die<lb/>
abgebrochenen Schichtenköpfe die Annahme eines umfangreichen<lb/>
Ein&#x017F;turzes der Gebirge; die Verrucano-Ma&#x017F;&#x017F;en treten hier als<lb/>
&#x017F;chöne rothe Mel&#x017F;er Konglomerate und Sernf-Schiefer dicht an die<lb/>
Ei&#x017F;enbahn heran.</p><lb/>
        <p>Ganz anders ge&#x017F;taltet &#x017F;ich das Alpenbild von einem &#x017F;üdlichen<lb/>
Standpunkte aus. Der Ab&#x017F;turz der Ma&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t viel &#x017F;chroffer, un¬<lb/>
vermittelter, als vom Norden ge&#x017F;ehen. Die Bergfronten zeigen<lb/>
&#x017F;ich einer&#x017F;eits durch ihre gen Mittag gekehrte Lage und durch die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0034] Das Alpengebäude. verwandelt, wohin namentlich die Verrucano-Gebilde gehören. Mächtige Gypsadern durchziehen, als ſpätere chemiſche Verbin¬ dungen, die kryſtalliniſchen Maſſen, — und hornblendartige Ge¬ ſteine ſteigen als Erruptiv-Garben, wie Schlote aus der Unter¬ welt, im innerſten Kern der centralen Stöcke auf, in den höchſten Spitzen derſelben zu Tage tretend. Dieſes chemiſch-zerſetzende, all¬ mählig auflöſende, neue Prozeſſe vorbereitende Laboratorium im Erd-Innern, als deren Sicherheits-Ventile Alexander v. Humboldt die Vulkane bezeichnet, arbeitet auch unter dem Alpen-Maſſiv noch immer fort. Beweiſe dafür liefern die zahlreichen kohlenſauern Gasquellen, die vielen Sauerbrunnen, die, giftige und ſtickſtoff¬ haltige Dünſte ausathmenden, gefährlichen Mofetten im Engadin und manche andere Erſcheinungen. Nicht durch den ganzen von Südweſt gen Nordoſt laufenden Alpenwall zeigt ſich an der nördlichen Abdachung die gleiche, vom jüngeren zum älteren Gebilde regelmäßig fortſchreitende Geſteins¬ folge, wie wir ſie auf den letzten Seiten ſkizzirten; gar häufig er¬ ſcheint dieſelbe unterbrochen oder gar auf den Kopf geſtellt. Dies iſt namentlich der Fall in dem großen, wie es ſcheint nach Innen eingeſtürzten, jetzt von den Schienen der Eiſenbahn durchſchnitte¬ nen Alpenkeſſel zwiſchen dem Glärniſch, den Churfirſten und dem Kalanda; dort zeigen ſich die älteren Schichten den jüngeren auf¬ gelagert, ſo daß hier eine der größten Umwälzungen ſtattgefunden haben mag. Ringsum an den genannten Bergen beſtätigen die abgebrochenen Schichtenköpfe die Annahme eines umfangreichen Einſturzes der Gebirge; die Verrucano-Maſſen treten hier als ſchöne rothe Melſer Konglomerate und Sernf-Schiefer dicht an die Eiſenbahn heran. Ganz anders geſtaltet ſich das Alpenbild von einem ſüdlichen Standpunkte aus. Der Abſturz der Maſſen iſt viel ſchroffer, un¬ vermittelter, als vom Norden geſehen. Die Bergfronten zeigen ſich einerſeits durch ihre gen Mittag gekehrte Lage und durch die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/34
Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/34>, abgerufen am 25.04.2024.