Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bergmann, Ernst von: Die Schicksale der Transfusion im letzten Decennium. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der militär-ärztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1883. Berlin, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Die schädlichen Wirkungen eines ungleichartigen, d. h.
einer andern Thier-Species entnommenen Blutes bei der
Transfusion, welche schon Prevost und Dumas gezeigt
hatten, bezog man nur auf die ungleiche Grösse der
Blutkörperchen verschiedener Thier-Gattungen. Da die
Blutkörperchen des Schaafes kleiner als die des Menschen
waren, hielt man das Schaafblut für unschädlich. Es ist
Ponfick's Verdienst, das Unrichtige in dieser Annahme
gezeigt zu haben. [11) ] Nicht mechanische Momente, wie
die verschiedene Grösse der Blutkörperchen, sind
es, welche das ungleichartige Blut so schädlich
machen, sondern noch andere und wichtigere
Dinge, chemische Wirkungen, die bei einer gewissen
Grösse der Dosis allemal das Schaafblut zum
tödtlichen Gifte für den Hund und vice versa das des
Hundes für das Schaaf machen. Etwas von der alten
speculativen Weise der naturphilosophischen Medicin klingt
in dem Schlussworte wieder: "fremdartiges Blut ist schädlich,
eigenartiges nicht." Man hätte einfach weiter zu fragen
gehabt, worin besteht denn die Bösartigkeit des fremden
Blutes? Als endlich die Antwort auf diese Frage gefun-
den war, verschwand die Transfusion aus dem
Schatze der chirurgischen Heilmittel. Der Boden
war ihr entzogen worden.

Schon lange bevor Panum die Transfusion mit
defibrinirtem Blute den Aerzten zur Pflicht gemacht hatte,
fand Magendie12) bei seinen Thierexperimenten, dass die
Injectionen mit dem Filtrate geschlagenen Blutes
ganz bestimmte, krankhafte Störungen zur Folge

Die schädlichen Wirkungen eines ungleichartigen, d. h.
einer andern Thier-Species entnommenen Blutes bei der
Transfusion, welche schon Prevost und Dumas gezeigt
hatten, bezog man nur auf die ungleiche Grösse der
Blutkörperchen verschiedener Thier-Gattungen. Da die
Blutkörperchen des Schaafes kleiner als die des Menschen
waren, hielt man das Schaafblut für unschädlich. Es ist
Ponfick's Verdienst, das Unrichtige in dieser Annahme
gezeigt zu haben. [11) ] Nicht mechanische Momente, wie
die verschiedene Grösse der Blutkörperchen, sind
es, welche das ungleichartige Blut so schädlich
machen, sondern noch andere und wichtigere
Dinge, chemische Wirkungen, die bei einer gewissen
Grösse der Dosis allemal das Schaafblut zum
tödtlichen Gifte für den Hund und vice versa das des
Hundes für das Schaaf machen. Etwas von der alten
speculativen Weise der naturphilosophischen Medicin klingt
in dem Schlussworte wieder: "fremdartiges Blut ist schädlich,
eigenartiges nicht." Man hätte einfach weiter zu fragen
gehabt, worin besteht denn die Bösartigkeit des fremden
Blutes? Als endlich die Antwort auf diese Frage gefun-
den war, verschwand die Transfusion aus dem
Schatze der chirurgischen Heilmittel. Der Boden
war ihr entzogen worden.

Schon lange bevor Panum die Transfusion mit
defibrinirtem Blute den Aerzten zur Pflicht gemacht hatte,
fand Magendie12) bei seinen Thierexperimenten, dass die
Injectionen mit dem Filtrate geschlagenen Blutes
ganz bestimmte, krankhafte Störungen zur Folge

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0014" n="14"/>
        <p>Die schädlichen Wirkungen eines ungleichartigen, d. h.<lb/>
einer andern Thier-Species entnommenen Blutes bei der<lb/>
Transfusion, welche schon Prevost und Dumas gezeigt<lb/>
hatten, bezog man nur auf die ungleiche Grösse der<lb/>
Blutkörperchen verschiedener Thier-Gattungen. Da die<lb/>
Blutkörperchen des Schaafes kleiner als die des Menschen<lb/>
waren, hielt man das Schaafblut für unschädlich. Es ist<lb/>
Ponfick's Verdienst, das Unrichtige in dieser Annahme<lb/>
gezeigt zu haben. [<note xml:id="note-n-11" next="#note-11" place="end" n="11)"/> ] Nicht mechanische Momente, wie<lb/>
die verschiedene Grösse der Blutkörperchen, sind<lb/>
es, welche das ungleichartige Blut so schädlich<lb/>
machen, sondern noch andere und wichtigere<lb/>
Dinge, chemische Wirkungen, die bei einer gewissen<lb/>
Grösse der Dosis allemal das Schaafblut zum<lb/>
tödtlichen Gifte für den Hund und vice versa das des<lb/>
Hundes für das Schaaf machen. Etwas von der alten<lb/>
speculativen Weise der naturphilosophischen Medicin klingt<lb/>
in dem Schlussworte wieder: "fremdartiges Blut ist schädlich,<lb/>
eigenartiges nicht." Man hätte einfach weiter zu fragen<lb/>
gehabt, worin besteht denn die Bösartigkeit des fremden<lb/>
Blutes? Als endlich die Antwort auf diese Frage gefun-<lb/><choice><sic>funden</sic><corr>den</corr></choice> war, verschwand die Transfusion aus dem<lb/>
Schatze der chirurgischen Heilmittel. Der Boden<lb/>
war ihr entzogen worden. </p>
        <p>Schon lange bevor Panum die Transfusion mit<lb/>
defibrinirtem Blute den Aerzten zur Pflicht gemacht hatte,<lb/>
fand Magendie<note xml:id="note-n-12" next="#note-12" place="end" n="12)"/>  bei seinen Thierexperimenten, dass die<lb/>
Injectionen mit dem Filtrate geschlagenen Blutes<lb/>
ganz bestimmte, krankhafte Störungen zur Folge<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0014] Die schädlichen Wirkungen eines ungleichartigen, d. h. einer andern Thier-Species entnommenen Blutes bei der Transfusion, welche schon Prevost und Dumas gezeigt hatten, bezog man nur auf die ungleiche Grösse der Blutkörperchen verschiedener Thier-Gattungen. Da die Blutkörperchen des Schaafes kleiner als die des Menschen waren, hielt man das Schaafblut für unschädlich. Es ist Ponfick's Verdienst, das Unrichtige in dieser Annahme gezeigt zu haben. [ ¹¹⁾ ] Nicht mechanische Momente, wie die verschiedene Grösse der Blutkörperchen, sind es, welche das ungleichartige Blut so schädlich machen, sondern noch andere und wichtigere Dinge, chemische Wirkungen, die bei einer gewissen Grösse der Dosis allemal das Schaafblut zum tödtlichen Gifte für den Hund und vice versa das des Hundes für das Schaaf machen. Etwas von der alten speculativen Weise der naturphilosophischen Medicin klingt in dem Schlussworte wieder: "fremdartiges Blut ist schädlich, eigenartiges nicht." Man hätte einfach weiter zu fragen gehabt, worin besteht denn die Bösartigkeit des fremden Blutes? Als endlich die Antwort auf diese Frage gefun- den war, verschwand die Transfusion aus dem Schatze der chirurgischen Heilmittel. Der Boden war ihr entzogen worden. Schon lange bevor Panum die Transfusion mit defibrinirtem Blute den Aerzten zur Pflicht gemacht hatte, fand Magendie ¹²⁾ bei seinen Thierexperimenten, dass die Injectionen mit dem Filtrate geschlagenen Blutes ganz bestimmte, krankhafte Störungen zur Folge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Schulz, Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2011-07-20T12:00:00Z)

Weitere Informationen:

  • Die Sperrungen des Originals wurden nicht übernommen.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bergmann_transfusion_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bergmann_transfusion_1883/14
Zitationshilfe: Bergmann, Ernst von: Die Schicksale der Transfusion im letzten Decennium. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der militär-ärztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1883. Berlin, 1883, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bergmann_transfusion_1883/14>, abgerufen am 20.04.2024.