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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Zweiter Band. Berlin, 1867.

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Rumph, Chemnitz.
lange für ein Cyclostoma (Cyclophorus) gehalten, indem man früher
nicht wusste, dass kein Cyclophorus, überhaupt keine Cyclostomacee
von solcher Grösse auf Amboina oder den benachbarten Inseln lebt.
Erst als ich in Amboina selbst den alten Rumph wieder durchsah,
unter dem vollen Eindrucke des dort Vorhandenen, fiel es mir wie
Schuppen von den Augen, dass diese Figur nichts anderes sei, als
die langbekannte Helix zonaria, in ihrer amboinesischen, linirten
Form, von unten gesehen, und ein zur Vergleichung daneben gelegtes
Exemplar passte denn auch sehr gut. Es ist hierbei zu bemerken,
dass zur Wiedererkennung zweifelhafter Figuren bei Rumph nur die
holländische Originalausgabe der amboinsche rariteitkamer zu be-
nutzen ist; in der deutschen, von Chemnitz besorgten Uebersetzung
des conchyliologischen Theils sind einige Figuren mehr oder weniger
verändert, verbessert, wie Chemnitz meinte, nach den Exemplaren
von dessen Sammlung, aber eben deshalb den Exemplaren von
Rumph nicht mehr entsprechend. Auffallend ist das der Fall bei
Taf. 30., Fig. T. Cerithium sulcatum, weniger bei den oben er-
wähnten Landschnecken.

Der Prediger Valentyn, dem wir zahlreiche Details über die
Wirbelthiere des Archipels verdanken, betrachtet die Conchylien
desselben nur vom Standpunct des raritätenschätzenden Dilettanten
und hat gar nichts von Landschnecken. In den europäischen Samm-
lungen und Conchylienwerken des vorigen Jahrhunderts sind von
Landschnecken aus dem indischen Archipel nur noch einzelne Arten
der grossen Bulimus (Amphidromus) vertreten, schon seit Lister,
1685, aber man wusste nicht, woher sie stammen, und hielt sie
mehrfach noch für Meer- oder Süsswasserbewohner (Argenville,
Gualtieri, Schröter). In O. Fr. Müller's classischer historia vermium
von 1774 und Chemnitz' Conchylien-Cabinet, Band IX. 1786,
die alles umfassen, was man damals von Landschnecken wusste,
finden sich ausser den genannten nur noch Helix pileus, drei
jetzt kaum sicher enträthselte Naninen, ein Leptopoma und ein
oder zwei hinterindische Cyclophorus, alle ohne bestimmten Fund-
ort, keine einzige aus Java, das die Holländer doch schon so
lange besassen.

Neue Kenntnisse brachte der Aufschwung, den die Zoologie
in Frankreich nach dessen politischer Revolution erhielt; Lamarck
gab überhaupt der speciellen Conchylienkunde eine neue Gestalt
mit Hinzufügung von vielem Neuen; Ferussac unternahm dieselbe

Rumph, Chemnitz.
lange für ein Cyclostoma (Cyclophorus) gehalten, indem man früher
nicht wusste, dass kein Cyclophorus, überhaupt keine Cyclostomacee
von solcher Grösse auf Amboina oder den benachbarten Inseln lebt.
Erst als ich in Amboina selbst den alten Rumph wieder durchsah,
unter dem vollen Eindrucke des dort Vorhandenen, fiel es mir wie
Schuppen von den Augen, dass diese Figur nichts anderes sei, als
die langbekannte Helix zonaria, in ihrer amboinesischen, linirten
Form, von unten gesehen, und ein zur Vergleichung daneben gelegtes
Exemplar passte denn auch sehr gut. Es ist hierbei zu bemerken,
dass zur Wiedererkennung zweifelhafter Figuren bei Rumph nur die
holländische Originalausgabe der amboinsche rariteitkamer zu be-
nutzen ist; in der deutschen, von Chemnitz besorgten Uebersetzung
des conchyliologischen Theils sind einige Figuren mehr oder weniger
verändert, verbessert, wie Chemnitz meinte, nach den Exemplaren
von dessen Sammlung, aber eben deshalb den Exemplaren von
Rumph nicht mehr entsprechend. Auffallend ist das der Fall bei
Taf. 30., Fig. T. Cerithium sulcatum, weniger bei den oben er-
wähnten Landschnecken.

Der Prediger Valentyn, dem wir zahlreiche Détails über die
Wirbelthiere des Archipels verdanken, betrachtet die Conchylien
desselben nur vom Standpunct des raritätenschätzenden Dilettanten
und hat gar nichts von Landschnecken. In den europäischen Samm-
lungen und Conchylienwerken des vorigen Jahrhunderts sind von
Landschnecken aus dem indischen Archipel nur noch einzelne Arten
der grossen Bulimus (Amphidromus) vertreten, schon seit Lister,
1685, aber man wusste nicht, woher sie stammen, und hielt sie
mehrfach noch für Meer- oder Süsswasserbewohner (Argenville,
Gualtieri, Schröter). In O. Fr. Müller’s classischer historia vermium
von 1774 und Chemnitz’ Conchylien-Cabinet, Band IX. 1786,
die alles umfassen, was man damals von Landschnecken wusste,
finden sich ausser den genannten nur noch Helix pileus, drei
jetzt kaum sicher enträthselte Naninen, ein Leptopoma und ein
oder zwei hinterindische Cyclophorus, alle ohne bestimmten Fund-
ort, keine einzige aus Java, das die Holländer doch schon so
lange besassen.

Neue Kenntnisse brachte der Aufschwung, den die Zoologie
in Frankreich nach dessen politischer Revolution erhielt; Lamarck
gab überhaupt der speciellen Conchylienkunde eine neue Gestalt
mit Hinzufügung von vielem Neuen; Ferussac unternahm dieselbe

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[100/0120] Rumph, Chemnitz. lange für ein Cyclostoma (Cyclophorus) gehalten, indem man früher nicht wusste, dass kein Cyclophorus, überhaupt keine Cyclostomacee von solcher Grösse auf Amboina oder den benachbarten Inseln lebt. Erst als ich in Amboina selbst den alten Rumph wieder durchsah, unter dem vollen Eindrucke des dort Vorhandenen, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass diese Figur nichts anderes sei, als die langbekannte Helix zonaria, in ihrer amboinesischen, linirten Form, von unten gesehen, und ein zur Vergleichung daneben gelegtes Exemplar passte denn auch sehr gut. Es ist hierbei zu bemerken, dass zur Wiedererkennung zweifelhafter Figuren bei Rumph nur die holländische Originalausgabe der amboinsche rariteitkamer zu be- nutzen ist; in der deutschen, von Chemnitz besorgten Uebersetzung des conchyliologischen Theils sind einige Figuren mehr oder weniger verändert, verbessert, wie Chemnitz meinte, nach den Exemplaren von dessen Sammlung, aber eben deshalb den Exemplaren von Rumph nicht mehr entsprechend. Auffallend ist das der Fall bei Taf. 30., Fig. T. Cerithium sulcatum, weniger bei den oben er- wähnten Landschnecken. Der Prediger Valentyn, dem wir zahlreiche Détails über die Wirbelthiere des Archipels verdanken, betrachtet die Conchylien desselben nur vom Standpunct des raritätenschätzenden Dilettanten und hat gar nichts von Landschnecken. In den europäischen Samm- lungen und Conchylienwerken des vorigen Jahrhunderts sind von Landschnecken aus dem indischen Archipel nur noch einzelne Arten der grossen Bulimus (Amphidromus) vertreten, schon seit Lister, 1685, aber man wusste nicht, woher sie stammen, und hielt sie mehrfach noch für Meer- oder Süsswasserbewohner (Argenville, Gualtieri, Schröter). In O. Fr. Müller’s classischer historia vermium von 1774 und Chemnitz’ Conchylien-Cabinet, Band IX. 1786, die alles umfassen, was man damals von Landschnecken wusste, finden sich ausser den genannten nur noch Helix pileus, drei jetzt kaum sicher enträthselte Naninen, ein Leptopoma und ein oder zwei hinterindische Cyclophorus, alle ohne bestimmten Fund- ort, keine einzige aus Java, das die Holländer doch schon so lange besassen. Neue Kenntnisse brachte der Aufschwung, den die Zoologie in Frankreich nach dessen politischer Revolution erhielt; Lamarck gab überhaupt der speciellen Conchylienkunde eine neue Gestalt mit Hinzufügung von vielem Neuen; Ferussac unternahm dieselbe

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Zweiter Band. Berlin, 1867, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie02_1867/120>, abgerufen am 25.04.2024.