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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Seeblase.
rungen, ähnlich denen am menschlichen Colon, hervortreten, bald
mehr zusammengefallen. Er befindet sich mit dem grösseren Theil
der Blase meist über Wasser, zuweilen liegt er auf dem Wasser
auf und alsdann kann das ganze Geschöpf willkürlich, wie es mir
schien, sich wieder aufrichten durch wurmartige Bewegungen, die
am freien Ende der Blase beginnen, dieses in verschiedener Rich-
tung hin und her drehen, und schliesslich die ganze Blase um-
wenden. Die langen Fangfäden werden zuweilen plötzlich bedeutend
verkürzt und dann allmälich wieder ausgestreckt. Sonstige Schwimm-
bewegungen waren nicht zu bemerken. Ein leichter Luftzug treibt
das Geschöpf vor sich her. Luft war aus der Blase auf keine Art
auszudrücken, namentlich auch nicht aus jenem gelblichen Fleck;
schneidet man die Wandung der Blase ein, so fällt der grösste
Theil derselben plötzlich zusammen, ihre Wand zeigt sich dann
selbst blau gefärbt, ziemlich dick und rollt sich nach innen ein;
nur der dunklere blaue Endtheil bleibt gefüllt und aus diesem lässt
sich eine zweite kleinere röthlich-weisse Blase herausziehen, welche
viele kleine verzweigte, selbst wieder Bläschen tragende Anhänge
hat. Der obenerwähnte gelbliche Fleck ist die Stelle, an der diese
innere Blase an die sie einschliessende äussere angeheftet ist.

Wenn in der That die Luft nicht willkührlich entleert wer-
den kann, so ist das Geschöpf für die ganze Dauer seiner Existenz
zum Treiben auf der Meeresfläche angewiesen, und der Gedanke
liegt nahe, dass es nur Ein Stadium aus einer längeren, uns frei-
lich noch unbekannten Entwicklungsgeschichte darstellt, eine Wan-
derperiode zum Aussäen der Art.

Unsere Matrosen nannten die Physalia "Bei-de-Winder",
als ob sie bei dem Winde (Seemannsausdruck) segelte; die Seeleute
anderer Nationen nennen sie Galeere und Linienschiff, man of war,
alle ihren Kamm als Segel deutend, und der systematische Name
der Art, caravella, ist eine weitere, schon von Sloane 1707 erwähnte
Variation dieser Vergleichung. Die ersten Physalien wurden gesehen
und gefangen in der Windstille, als Madeira noch in Sicht war,
und sie blieben um uns, bis in der Nähe des Wendekreises mehr
Wind eintrat; dann kehrten sie wieder während der Windstille in
der Nähe des Aequators. Kleine Fischchen, so viel ich urtheilen
konnte, ganz junge Exemplare von Nomeus Mauritii Cuv., fanden
sich zwischen den langen Fangfäden der Physalia verwickelt; ob

Seeblase.
rungen, ähnlich denen am menschlichen Colon, hervortreten, bald
mehr zusammengefallen. Er befindet sich mit dem grösseren Theil
der Blase meist über Wasser, zuweilen liegt er auf dem Wasser
auf und alsdann kann das ganze Geschöpf willkürlich, wie es mir
schien, sich wieder aufrichten durch wurmartige Bewegungen, die
am freien Ende der Blase beginnen, dieses in verschiedener Rich-
tung hin und her drehen, und schliesslich die ganze Blase um-
wenden. Die langen Fangfäden werden zuweilen plötzlich bedeutend
verkürzt und dann allmälich wieder ausgestreckt. Sonstige Schwimm-
bewegungen waren nicht zu bemerken. Ein leichter Luftzug treibt
das Geschöpf vor sich her. Luft war aus der Blase auf keine Art
auszudrücken, namentlich auch nicht aus jenem gelblichen Fleck;
schneidet man die Wandung der Blase ein, so fällt der grösste
Theil derselben plötzlich zusammen, ihre Wand zeigt sich dann
selbst blau gefärbt, ziemlich dick und rollt sich nach innen ein;
nur der dunklere blaue Endtheil bleibt gefüllt und aus diesem lässt
sich eine zweite kleinere röthlich-weisse Blase herausziehen, welche
viele kleine verzweigte, selbst wieder Bläschen tragende Anhänge
hat. Der obenerwähnte gelbliche Fleck ist die Stelle, an der diese
innere Blase an die sie einschliessende äussere angeheftet ist.

Wenn in der That die Luft nicht willkührlich entleert wer-
den kann, so ist das Geschöpf für die ganze Dauer seiner Existenz
zum Treiben auf der Meeresfläche angewiesen, und der Gedanke
liegt nahe, dass es nur Ein Stadium aus einer längeren, uns frei-
lich noch unbekannten Entwicklungsgeschichte darstellt, eine Wan-
derperiode zum Aussäen der Art.

Unsere Matrosen nannten die Physalia »Bei-de-Winder«,
als ob sie bei dem Winde (Seemannsausdruck) segelte; die Seeleute
anderer Nationen nennen sie Galeere und Linienschiff, man of war,
alle ihren Kamm als Segel deutend, und der systematische Name
der Art, caravella, ist eine weitere, schon von Sloane 1707 erwähnte
Variation dieser Vergleichung. Die ersten Physalien wurden gesehen
und gefangen in der Windstille, als Madeira noch in Sicht war,
und sie blieben um uns, bis in der Nähe des Wendekreises mehr
Wind eintrat; dann kehrten sie wieder während der Windstille in
der Nähe des Aequators. Kleine Fischchen, so viel ich urtheilen
konnte, ganz junge Exemplare von Nomeus Mauritii Cuv., fanden
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[31/0049] Seeblase. rungen, ähnlich denen am menschlichen Colon, hervortreten, bald mehr zusammengefallen. Er befindet sich mit dem grösseren Theil der Blase meist über Wasser, zuweilen liegt er auf dem Wasser auf und alsdann kann das ganze Geschöpf willkürlich, wie es mir schien, sich wieder aufrichten durch wurmartige Bewegungen, die am freien Ende der Blase beginnen, dieses in verschiedener Rich- tung hin und her drehen, und schliesslich die ganze Blase um- wenden. Die langen Fangfäden werden zuweilen plötzlich bedeutend verkürzt und dann allmälich wieder ausgestreckt. Sonstige Schwimm- bewegungen waren nicht zu bemerken. Ein leichter Luftzug treibt das Geschöpf vor sich her. Luft war aus der Blase auf keine Art auszudrücken, namentlich auch nicht aus jenem gelblichen Fleck; schneidet man die Wandung der Blase ein, so fällt der grösste Theil derselben plötzlich zusammen, ihre Wand zeigt sich dann selbst blau gefärbt, ziemlich dick und rollt sich nach innen ein; nur der dunklere blaue Endtheil bleibt gefüllt und aus diesem lässt sich eine zweite kleinere röthlich-weisse Blase herausziehen, welche viele kleine verzweigte, selbst wieder Bläschen tragende Anhänge hat. Der obenerwähnte gelbliche Fleck ist die Stelle, an der diese innere Blase an die sie einschliessende äussere angeheftet ist. Wenn in der That die Luft nicht willkührlich entleert wer- den kann, so ist das Geschöpf für die ganze Dauer seiner Existenz zum Treiben auf der Meeresfläche angewiesen, und der Gedanke liegt nahe, dass es nur Ein Stadium aus einer längeren, uns frei- lich noch unbekannten Entwicklungsgeschichte darstellt, eine Wan- derperiode zum Aussäen der Art. Unsere Matrosen nannten die Physalia »Bei-de-Winder«, als ob sie bei dem Winde (Seemannsausdruck) segelte; die Seeleute anderer Nationen nennen sie Galeere und Linienschiff, man of war, alle ihren Kamm als Segel deutend, und der systematische Name der Art, caravella, ist eine weitere, schon von Sloane 1707 erwähnte Variation dieser Vergleichung. Die ersten Physalien wurden gesehen und gefangen in der Windstille, als Madeira noch in Sicht war, und sie blieben um uns, bis in der Nähe des Wendekreises mehr Wind eintrat; dann kehrten sie wieder während der Windstille in der Nähe des Aequators. Kleine Fischchen, so viel ich urtheilen konnte, ganz junge Exemplare von Nomeus Mauritii Cuv., fanden sich zwischen den langen Fangfäden der Physalia verwickelt; ob

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/49>, abgerufen am 28.03.2024.