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Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Botanischer Teil. Hrsg. v. Albert Berg. Berlin: Decker, 1867.

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Ursprung des Sargassum.
sind Bewohner des indischen Weltmeeres, z. B. Sclylaea pela-
gica L., Membranipora tuberculata. Diese Membranipora, von allen
Bewohnern des schwimmenden Traubentangs der häufigste, dessen
Individuenzahl Burmeister (Reise nach Brasilien S. 514) auf 135 Bil-
lionen berechnet, erhielt ich an von Kotschy an der Küste der Insel
Karek im persischen Meerbusen angewachsen gefundenen Exemplaren
der Sirophysalis virgata und des Carpacanthus herbaceus, in Gesell-
schaft derselben Clytia volubilis. Setzt man diese Thatsache mit
Humboldt's Bemerkung in Verbindung, dass der zwischen Madagaskar
und der Ostküste von Afrika von Norden nach Süden gerichtete
Mozambique-Strom sich um die Spitze von Afrika herumwendend der
Ursprung des für Europa's Klima so wichtigen Golfstromes sei (Ans. d.
Natur I. 194), so wird es sehr wahrscheinlich, dass dieser Strom die
an den arabischen und afrikanischen Küsten des indischen Oceans
durch Stürme abgerissenen Sargassenzweige mitnehme und an den
Rändern seines ungeheuren Wirbels*) ausstosse, wo sie dann, in
langen Reihen geordnet, seine oder seiner Gegenwasser Richtung
bezeichnen, wie die losgerissene schwimmende Valonia aegagropila
die der Ebbeströmung in den Lagunen von Venedig. Einzelne
Exemplare werden dann von Stürmen weiter verschlagen und
gelangen an weit entfernte Küsten; Weststürme sollen sie in Menge
an der Azoreninsel Flores auswerfen, einzelne stranden an den
Canarien, Madeira, bei Cadix; Endress fand sie bei Biariz, Jürgens
bei Wangeroge und Harvey erhielt sie von den Orkneys.

Auch angeblich aus Ostindien und von der Westküste Neu-
hollands gekommene Exemplare habe ich erhalten, schwimmend
angetroffen, mit völlig gleichem Aussehen und gleichen Bryozoen,
aber nicht aus erster Hand, und es ist mir sehr wahrscheinlich,
dass solche auf der Reise im atlantischen Ocean gefischt und ohne
Bezeichnung des Fundortes zu den anderswo gesammelten Algen
gelegt wurden, da die Naturforscher der preussischen Expedition
wohl einunddreissig andere Sargassen, nie aber auch nur eine Spur
von diesem in den ostasiatischen Gewässern angetroffen haben.

*) Mein Vater hat diese Ansicht schon 1852 auf den Etiketten zu Hohenacker's
verkäuflichen Algen ausgesprochen; auch Maury leitet das Vorkommen des Sargasso
auf gleiche Weise vom Golfstrom ab, indem er es mit dem Ansammeln schwimmender
Körper in der Mitte rotirender Flüssigkeiten, als der Stelle geringster Bewegung,
erklärt. Maury, physical geography of the sea, sixth edition 1860, pag. 8 und
Taf. VI. (Ed. v. Martens.)

Ursprung des Sargassum.
sind Bewohner des indischen Weltmeeres, z. B. Sclylaea pela-
gica L., Membranipora tuberculata. Diese Membranipora, von allen
Bewohnern des schwimmenden Traubentangs der häufigste, dessen
Individuenzahl Burmeister (Reise nach Brasilien S. 514) auf 135 Bil-
lionen berechnet, erhielt ich an von Kotschy an der Küste der Insel
Karek im persischen Meerbusen angewachsen gefundenen Exemplaren
der Sirophysalis virgata und des Carpacanthus herbaceus, in Gesell-
schaft derselben Clytia volubilis. Setzt man diese Thatsache mit
Humboldt’s Bemerkung in Verbindung, dass der zwischen Madagaskar
und der Ostküste von Afrika von Norden nach Süden gerichtete
Mozambique-Strom sich um die Spitze von Afrika herumwendend der
Ursprung des für Europa’s Klima so wichtigen Golfstromes sei (Ans. d.
Natur I. 194), so wird es sehr wahrscheinlich, dass dieser Strom die
an den arabischen und afrikanischen Küsten des indischen Oceans
durch Stürme abgerissenen Sargassenzweige mitnehme und an den
Rändern seines ungeheuren Wirbels*) ausstosse, wo sie dann, in
langen Reihen geordnet, seine oder seiner Gegenwasser Richtung
bezeichnen, wie die losgerissene schwimmende Valonia aegagropila
die der Ebbeströmung in den Lagunen von Venedig. Einzelne
Exemplare werden dann von Stürmen weiter verschlagen und
gelangen an weit entfernte Küsten; Weststürme sollen sie in Menge
an der Azoreninsel Flores auswerfen, einzelne stranden an den
Canarien, Madeira, bei Cadix; Endress fand sie bei Biariz, Jürgens
bei Wangeroge und Harvey erhielt sie von den Orkneys.

Auch angeblich aus Ostindien und von der Westküste Neu-
hollands gekommene Exemplare habe ich erhalten, schwimmend
angetroffen, mit völlig gleichem Aussehen und gleichen Bryozoen,
aber nicht aus erster Hand, und es ist mir sehr wahrscheinlich,
dass solche auf der Reise im atlantischen Ocean gefischt und ohne
Bezeichnung des Fundortes zu den anderswo gesammelten Algen
gelegt wurden, da die Naturforscher der preussischen Expedition
wohl einunddreissig andere Sargassen, nie aber auch nur eine Spur
von diesem in den ostasiatischen Gewässern angetroffen haben.

*) Mein Vater hat diese Ansicht schon 1852 auf den Etiketten zu Hohenacker’s
verkäuflichen Algen ausgesprochen; auch Maury leitet das Vorkommen des Sargasso
auf gleiche Weise vom Golfstrom ab, indem er es mit dem Ansammeln schwimmender
Körper in der Mitte rotirender Flüssigkeiten, als der Stelle geringster Bewegung,
erklärt. Maury, physical geography of the sea, sixth edition 1860, pag. 8 und
Taf. VI. (Ed. v. Martens.)
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[14/0024] Ursprung des Sargassum. sind Bewohner des indischen Weltmeeres, z. B. Sclylaea pela- gica L., Membranipora tuberculata. Diese Membranipora, von allen Bewohnern des schwimmenden Traubentangs der häufigste, dessen Individuenzahl Burmeister (Reise nach Brasilien S. 514) auf 135 Bil- lionen berechnet, erhielt ich an von Kotschy an der Küste der Insel Karek im persischen Meerbusen angewachsen gefundenen Exemplaren der Sirophysalis virgata und des Carpacanthus herbaceus, in Gesell- schaft derselben Clytia volubilis. Setzt man diese Thatsache mit Humboldt’s Bemerkung in Verbindung, dass der zwischen Madagaskar und der Ostküste von Afrika von Norden nach Süden gerichtete Mozambique-Strom sich um die Spitze von Afrika herumwendend der Ursprung des für Europa’s Klima so wichtigen Golfstromes sei (Ans. d. Natur I. 194), so wird es sehr wahrscheinlich, dass dieser Strom die an den arabischen und afrikanischen Küsten des indischen Oceans durch Stürme abgerissenen Sargassenzweige mitnehme und an den Rändern seines ungeheuren Wirbels *) ausstosse, wo sie dann, in langen Reihen geordnet, seine oder seiner Gegenwasser Richtung bezeichnen, wie die losgerissene schwimmende Valonia aegagropila die der Ebbeströmung in den Lagunen von Venedig. Einzelne Exemplare werden dann von Stürmen weiter verschlagen und gelangen an weit entfernte Küsten; Weststürme sollen sie in Menge an der Azoreninsel Flores auswerfen, einzelne stranden an den Canarien, Madeira, bei Cadix; Endress fand sie bei Biariz, Jürgens bei Wangeroge und Harvey erhielt sie von den Orkneys. Auch angeblich aus Ostindien und von der Westküste Neu- hollands gekommene Exemplare habe ich erhalten, schwimmend angetroffen, mit völlig gleichem Aussehen und gleichen Bryozoen, aber nicht aus erster Hand, und es ist mir sehr wahrscheinlich, dass solche auf der Reise im atlantischen Ocean gefischt und ohne Bezeichnung des Fundortes zu den anderswo gesammelten Algen gelegt wurden, da die Naturforscher der preussischen Expedition wohl einunddreissig andere Sargassen, nie aber auch nur eine Spur von diesem in den ostasiatischen Gewässern angetroffen haben. *) Mein Vater hat diese Ansicht schon 1852 auf den Etiketten zu Hohenacker’s verkäuflichen Algen ausgesprochen; auch Maury leitet das Vorkommen des Sargasso auf gleiche Weise vom Golfstrom ab, indem er es mit dem Ansammeln schwimmender Körper in der Mitte rotirender Flüssigkeiten, als der Stelle geringster Bewegung, erklärt. Maury, physical geography of the sea, sixth edition 1860, pag. 8 und Taf. VI. (Ed. v. Martens.)

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Zitationshilfe: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Botanischer Teil. Hrsg. v. Albert Berg. Berlin: Decker, 1867, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienbotanik_1866/24>, abgerufen am 29.03.2024.