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Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Botanischer Teil. Hrsg. v. Albert Berg. Berlin: Decker, 1867.

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Name Sargassum; sein Wachsthum.

Helleres Licht verbreitete Columbus, welcher den 16. Septem-
ber 1492 im 28° 30' N. Br., 1493 im 37°, jedesmal zwischen 58 und
61° W. L., diese Tang-Ansammlungen durchschnitt. Die Portugiesen,
Entdecker der Azoren, nannten diese Gegend "O mar de Sargasso"
und erneuerten die alte Sage von schwimmenden Wiesen, welche
die Schiffe im Lauf aufhielten, wie die Remora. Jener Name hat
in den Sprachen der iberischen Halbinsel keine Wurzel und ist
wahrscheinlich das durch die häufig vorkommende Versetzung des r
veränderte deutsche Wort Seegras. *) Die Engländer bezeichnen
den schwimmenden Traubentang mit dem Namen Seaweed und
Gulfweed, die Holländer vergleichen ihn mit den in Holland die
Canäle bedeckenden Wasserlinsen und nennen ihn Zee-Kroost,
deutsche Seefahrer sprechen jetzt von der Krautsee.

Dass dieser Tang ursprünglich an Felsen wachse, beweist
schon sein ganzer Bau und noch entcheidender der Umstand, dass
er, wie alle höheren Algen, im schwimmenden Zustande zwar neue
Zweige, Blätter und Blasen entwickelt, aber eben so wenig, als die
in blossem Wasser gezogenen Phanerogamen, zur Fruchtbildung zu
gelangen vermag. Meyen's Angabe, dass diese Alge ursprünglich
unbewurzelt sei, ist unrichtig, zwar erschienen grössere Exemplare
dadurch, dass ihre Zweige nach allen Seiten strahlen, etwas kugelig,
aber ich habe Hunderte von Exemplaren in Händen gehabt und an
jedem die Stelle, wo der Stamm abgebrochen war, so deutlich ge-
sehen, wie sie auf den Tafeln 23. von Esper und 47. von Turner
zu sehen ist.

Einmal abgerissen, treibt er, wie eine Menge anderer Tange,
fortsprossend, aber fruchtlos auf dem Meere herum und vermehrt sich,
wie Harvey annimmt, nur dadurch, dass die grösseren Büsche bei
Stürmen zerreissen und die Bruchstücke weitere junge Zweige treiben.

Nun entsteht aber die Frage, wo die ursprüngliche Heimath
dieses Nomaden zu suchen sei?

Des älteren Agardh's Annahme, an Ort und Stelle (Species
Algarum Vol. I., pag. 7), ist unhaltbar, da bis nahe an die Ober-

*) Rumph, Herbarium Amboinense, vol. VI., um 1699 geschrieben, gebraucht
den Ausdruck sargasso speciell für die riemenähnliche Himanthalia lorea L. sp. von
der portugiesischen Küste und unterscheidet den schwimmenden Tang davon als
Sargassum pelagium; ältere holländische Schriftsteller haben die Form sargassa oder
sargossa. Schon Rumph protestirt mit Recht gegen die Annahme, dass er in der
Tiefe wachse.
Name Sargassum; sein Wachsthum.

Helleres Licht verbreitete Columbus, welcher den 16. Septem-
ber 1492 im 28° 30′ N. Br., 1493 im 37°, jedesmal zwischen 58 und
61° W. L., diese Tang-Ansammlungen durchschnitt. Die Portugiesen,
Entdecker der Azoren, nannten diese Gegend »O mar de Sargasso«
und erneuerten die alte Sage von schwimmenden Wiesen, welche
die Schiffe im Lauf aufhielten, wie die Remora. Jener Name hat
in den Sprachen der iberischen Halbinsel keine Wurzel und ist
wahrscheinlich das durch die häufig vorkommende Versetzung des r
veränderte deutsche Wort Seegras. *) Die Engländer bezeichnen
den schwimmenden Traubentang mit dem Namen Seaweed und
Gulfweed, die Holländer vergleichen ihn mit den in Holland die
Canäle bedeckenden Wasserlinsen und nennen ihn Zee-Kroost,
deutsche Seefahrer sprechen jetzt von der Krautsee.

Dass dieser Tang ursprünglich an Felsen wachse, beweist
schon sein ganzer Bau und noch entcheidender der Umstand, dass
er, wie alle höheren Algen, im schwimmenden Zustande zwar neue
Zweige, Blätter und Blasen entwickelt, aber eben so wenig, als die
in blossem Wasser gezogenen Phanerogamen, zur Fruchtbildung zu
gelangen vermag. Meyen’s Angabe, dass diese Alge ursprünglich
unbewurzelt sei, ist unrichtig, zwar erschienen grössere Exemplare
dadurch, dass ihre Zweige nach allen Seiten strahlen, etwas kugelig,
aber ich habe Hunderte von Exemplaren in Händen gehabt und an
jedem die Stelle, wo der Stamm abgebrochen war, so deutlich ge-
sehen, wie sie auf den Tafeln 23. von Esper und 47. von Turner
zu sehen ist.

Einmal abgerissen, treibt er, wie eine Menge anderer Tange,
fortsprossend, aber fruchtlos auf dem Meere herum und vermehrt sich,
wie Harvey annimmt, nur dadurch, dass die grösseren Büsche bei
Stürmen zerreissen und die Bruchstücke weitere junge Zweige treiben.

Nun entsteht aber die Frage, wo die ursprüngliche Heimath
dieses Nomaden zu suchen sei?

Des älteren Agardh’s Annahme, an Ort und Stelle (Species
Algarum Vol. I., pag. 7), ist unhaltbar, da bis nahe an die Ober-

*) Rumph, Herbarium Amboinense, vol. VI., um 1699 geschrieben, gebraucht
den Ausdruck sargasso speciell für die riemenähnliche Himanthalia lorea L. sp. von
der portugiesischen Küste und unterscheidet den schwimmenden Tang davon als
Sargassum pelagium; ältere holländische Schriftsteller haben die Form sargassa oder
sargossa. Schon Rumph protestirt mit Recht gegen die Annahme, dass er in der
Tiefe wachse.
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[8/0018] Name Sargassum; sein Wachsthum. Helleres Licht verbreitete Columbus, welcher den 16. Septem- ber 1492 im 28° 30′ N. Br., 1493 im 37°, jedesmal zwischen 58 und 61° W. L., diese Tang-Ansammlungen durchschnitt. Die Portugiesen, Entdecker der Azoren, nannten diese Gegend »O mar de Sargasso« und erneuerten die alte Sage von schwimmenden Wiesen, welche die Schiffe im Lauf aufhielten, wie die Remora. Jener Name hat in den Sprachen der iberischen Halbinsel keine Wurzel und ist wahrscheinlich das durch die häufig vorkommende Versetzung des r veränderte deutsche Wort Seegras. *) Die Engländer bezeichnen den schwimmenden Traubentang mit dem Namen Seaweed und Gulfweed, die Holländer vergleichen ihn mit den in Holland die Canäle bedeckenden Wasserlinsen und nennen ihn Zee-Kroost, deutsche Seefahrer sprechen jetzt von der Krautsee. Dass dieser Tang ursprünglich an Felsen wachse, beweist schon sein ganzer Bau und noch entcheidender der Umstand, dass er, wie alle höheren Algen, im schwimmenden Zustande zwar neue Zweige, Blätter und Blasen entwickelt, aber eben so wenig, als die in blossem Wasser gezogenen Phanerogamen, zur Fruchtbildung zu gelangen vermag. Meyen’s Angabe, dass diese Alge ursprünglich unbewurzelt sei, ist unrichtig, zwar erschienen grössere Exemplare dadurch, dass ihre Zweige nach allen Seiten strahlen, etwas kugelig, aber ich habe Hunderte von Exemplaren in Händen gehabt und an jedem die Stelle, wo der Stamm abgebrochen war, so deutlich ge- sehen, wie sie auf den Tafeln 23. von Esper und 47. von Turner zu sehen ist. Einmal abgerissen, treibt er, wie eine Menge anderer Tange, fortsprossend, aber fruchtlos auf dem Meere herum und vermehrt sich, wie Harvey annimmt, nur dadurch, dass die grösseren Büsche bei Stürmen zerreissen und die Bruchstücke weitere junge Zweige treiben. Nun entsteht aber die Frage, wo die ursprüngliche Heimath dieses Nomaden zu suchen sei? Des älteren Agardh’s Annahme, an Ort und Stelle (Species Algarum Vol. I., pag. 7), ist unhaltbar, da bis nahe an die Ober- *) Rumph, Herbarium Amboinense, vol. VI., um 1699 geschrieben, gebraucht den Ausdruck sargasso speciell für die riemenähnliche Himanthalia lorea L. sp. von der portugiesischen Küste und unterscheidet den schwimmenden Tang davon als Sargassum pelagium; ältere holländische Schriftsteller haben die Form sargassa oder sargossa. Schon Rumph protestirt mit Recht gegen die Annahme, dass er in der Tiefe wachse.

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Zitationshilfe: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Botanischer Teil. Hrsg. v. Albert Berg. Berlin: Decker, 1867, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienbotanik_1866/18>, abgerufen am 23.04.2024.