Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

XVI. Neue Schwierigkeiten.
der Gesandte nicht folgenden Forderungen entsage: 1. dem Rechte
deutscher Unterthanen, im Innern von China zu reisen; 2. dem
Schutze der Christen;12) 3. den neuen Bestimmungen über die
Küstenschiffahrt;13) 4. dem Rechte deutscher Kriegsschiffe, alle
Häfen von China anzulaufen; 5. der Forderung, dass der deutsche
Handel eventuell bei einem Kriege China's mit einer anderen Macht
keine Unterbrechung leiden solle. Letzteren Artikel verwarfen die
Commissare als unheildrohend. Sie verlangten ferner, dass das
Recht der Hansestädte, eigene Consuln zu ernennen, in den Haupt-
vertrag aufgenommen werde, und fügten einen Gegen-Entwurf des
Separat-Artikels bei, der dessen Sinn durchaus veränderte: nach
fünf Jahren vom Tage der ausgewechselten Ratification an sei zu-
nächst zu entscheiden, ob die militärischen Operationen im Innern
von China ihr Ende erreicht hätten; anderen Falles müsse die
chinesische Regierung zu Verlängerung der Frist berechtigt sein.
-- Die Commissare hatten zudem unter dem Schein kleiner Re-
dactions-Aenderungen den Sinn fast aller Artikel umgestaltet und
betonten von neuem, dass sie nur Handelsbestimmungen, keinen
politischen Vertrag vereinbaren wollten.

Nun stand wieder Alles in Frage. -- Graf Eulenburg ant-
wortete in derber Sprache, dass er nicht über die schon durch den
Text der anderen Verträge festgestellten Artikel lange Correspon-
denzen führen könne, sondern alle darin gewährten Rechte auch
für Preussen verlange; nur den fünfjährigen Aufschub für Aus-
übung des Gesandtschaftsrechtes und die Gleichstellung des chine-
sischen Textes mit dem deutschen könne er zugestehen. Wären
die Commissare zu Abschluss eines Freundschafts-, Handels- und
Schiffahrtsvertrages nach dem Muster des englischen und des
französischen ermächtigt, so könnten die nöthigen Aenderungen
in wenigen Conferenzen erledigt werden; erklärten sie das Gegen-
theil, so müsse der Gesandte den Prinzen von Kun fragen, ob ihre
Haltung seinen Absichten entspräche.

In Folge dieser deutlichen Sprache sagten die Commissare
sich sofort zur Conferenz an und erschienen am 12. Juli schon um

12) Nach Aufhebung aller Verbote, schrieben die Commissare, genössen alle
Christen des Schutzes der chinesischen Gesetze. -- Man fürchtete offenbar Unter-
stützung der Tae-pin.
13) Dieser Artikel betraf die zollfreie Einführung chinesischer Waaren in chine-
sische Häfen, welche in den anderen Verträgen nicht stipulirt war.

XVI. Neue Schwierigkeiten.
der Gesandte nicht folgenden Forderungen entsage: 1. dem Rechte
deutscher Unterthanen, im Innern von China zu reisen; 2. dem
Schutze der Christen;12) 3. den neuen Bestimmungen über die
Küstenschiffahrt;13) 4. dem Rechte deutscher Kriegsschiffe, alle
Häfen von China anzulaufen; 5. der Forderung, dass der deutsche
Handel eventuell bei einem Kriege China’s mit einer anderen Macht
keine Unterbrechung leiden solle. Letzteren Artikel verwarfen die
Commissare als unheildrohend. Sie verlangten ferner, dass das
Recht der Hansestädte, eigene Consuln zu ernennen, in den Haupt-
vertrag aufgenommen werde, und fügten einen Gegen-Entwurf des
Separat-Artikels bei, der dessen Sinn durchaus veränderte: nach
fünf Jahren vom Tage der ausgewechselten Ratification an sei zu-
nächst zu entscheiden, ob die militärischen Operationen im Innern
von China ihr Ende erreicht hätten; anderen Falles müsse die
chinesische Regierung zu Verlängerung der Frist berechtigt sein.
— Die Commissare hatten zudem unter dem Schein kleiner Re-
dactions-Aenderungen den Sinn fast aller Artikel umgestaltet und
betonten von neuem, dass sie nur Handelsbestimmungen, keinen
politischen Vertrag vereinbaren wollten.

Nun stand wieder Alles in Frage. — Graf Eulenburg ant-
wortete in derber Sprache, dass er nicht über die schon durch den
Text der anderen Verträge festgestellten Artikel lange Correspon-
denzen führen könne, sondern alle darin gewährten Rechte auch
für Preussen verlange; nur den fünfjährigen Aufschub für Aus-
übung des Gesandtschaftsrechtes und die Gleichstellung des chine-
sischen Textes mit dem deutschen könne er zugestehen. Wären
die Commissare zu Abschluss eines Freundschafts-, Handels- und
Schiffahrtsvertrages nach dem Muster des englischen und des
französischen ermächtigt, so könnten die nöthigen Aenderungen
in wenigen Conferenzen erledigt werden; erklärten sie das Gegen-
theil, so müsse der Gesandte den Prinzen von Kuṅ fragen, ob ihre
Haltung seinen Absichten entspräche.

In Folge dieser deutlichen Sprache sagten die Commissare
sich sofort zur Conferenz an und erschienen am 12. Juli schon um

12) Nach Aufhebung aller Verbote, schrieben die Commissare, genössen alle
Christen des Schutzes der chinesischen Gesetze. — Man fürchtete offenbar Unter-
stützung der Tae-piṅ.
13) Dieser Artikel betraf die zollfreie Einführung chinesischer Waaren in chine-
sische Häfen, welche in den anderen Verträgen nicht stipulirt war.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0091" n="77"/><fw place="top" type="header">XVI. Neue Schwierigkeiten.</fw><lb/>
der Gesandte nicht folgenden Forderungen entsage: 1. dem Rechte<lb/>
deutscher Unterthanen, im Innern von <placeName>China</placeName> zu reisen; 2. dem<lb/>
Schutze der Christen;<note place="foot" n="12)">Nach Aufhebung aller Verbote, schrieben die Commissare, genössen alle<lb/>
Christen des Schutzes der chinesischen Gesetze. &#x2014; Man fürchtete offenbar Unter-<lb/>
stützung der <hi rendition="#k">Tae-pin&#x0307;</hi>.</note> 3. den neuen Bestimmungen über die<lb/>
Küstenschiffahrt;<note place="foot" n="13)">Dieser Artikel betraf die zollfreie Einführung chinesischer Waaren in chine-<lb/>
sische Häfen, welche in den anderen Verträgen nicht stipulirt war.</note> 4. dem Rechte deutscher Kriegsschiffe, alle<lb/>
Häfen von <placeName>China</placeName> anzulaufen; 5. der Forderung, dass der deutsche<lb/>
Handel eventuell bei einem Kriege <placeName>China&#x2019;s</placeName> mit einer anderen Macht<lb/>
keine Unterbrechung leiden solle. Letzteren Artikel verwarfen die<lb/>
Commissare als unheildrohend. Sie verlangten ferner, dass das<lb/>
Recht der Hansestädte, eigene Consuln zu ernennen, in den Haupt-<lb/>
vertrag aufgenommen werde, und fügten einen Gegen-Entwurf des<lb/>
Separat-Artikels bei, der dessen Sinn durchaus veränderte: nach<lb/>
fünf Jahren vom Tage der ausgewechselten Ratification an sei zu-<lb/>
nächst zu entscheiden, ob die militärischen Operationen im Innern<lb/>
von <placeName>China</placeName> ihr Ende erreicht hätten; anderen Falles müsse die<lb/>
chinesische Regierung zu Verlängerung der Frist berechtigt sein.<lb/>
&#x2014; Die Commissare hatten zudem unter dem Schein kleiner Re-<lb/>
dactions-Aenderungen den Sinn fast aller Artikel umgestaltet und<lb/>
betonten von neuem, dass sie nur Handelsbestimmungen, keinen<lb/>
politischen Vertrag vereinbaren wollten.</p><lb/>
          <p>Nun stand wieder Alles in Frage. &#x2014; Graf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119178931">Eulenburg</persName> ant-<lb/>
wortete in derber Sprache, dass er nicht über die schon durch den<lb/>
Text der anderen Verträge festgestellten Artikel lange Correspon-<lb/>
denzen führen könne, sondern alle darin gewährten Rechte auch<lb/>
für <placeName>Preussen</placeName> verlange; nur den fünfjährigen Aufschub für Aus-<lb/>
übung des Gesandtschaftsrechtes und die Gleichstellung des chine-<lb/>
sischen Textes mit dem deutschen könne er zugestehen. Wären<lb/>
die Commissare zu Abschluss eines Freundschafts-, Handels- und<lb/>
Schiffahrtsvertrages nach dem Muster des englischen und des<lb/>
französischen ermächtigt, so könnten die nöthigen Aenderungen<lb/>
in wenigen Conferenzen erledigt werden; erklärten sie das Gegen-<lb/>
theil, so müsse der Gesandte den Prinzen von <hi rendition="#k"><placeName>Kun&#x0307;</placeName></hi> fragen, ob ihre<lb/>
Haltung seinen Absichten entspräche.</p><lb/>
          <p>In Folge dieser deutlichen Sprache sagten die Commissare<lb/>
sich sofort zur Conferenz an und erschienen am 12. Juli schon um<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0091] XVI. Neue Schwierigkeiten. der Gesandte nicht folgenden Forderungen entsage: 1. dem Rechte deutscher Unterthanen, im Innern von China zu reisen; 2. dem Schutze der Christen; 12) 3. den neuen Bestimmungen über die Küstenschiffahrt; 13) 4. dem Rechte deutscher Kriegsschiffe, alle Häfen von China anzulaufen; 5. der Forderung, dass der deutsche Handel eventuell bei einem Kriege China’s mit einer anderen Macht keine Unterbrechung leiden solle. Letzteren Artikel verwarfen die Commissare als unheildrohend. Sie verlangten ferner, dass das Recht der Hansestädte, eigene Consuln zu ernennen, in den Haupt- vertrag aufgenommen werde, und fügten einen Gegen-Entwurf des Separat-Artikels bei, der dessen Sinn durchaus veränderte: nach fünf Jahren vom Tage der ausgewechselten Ratification an sei zu- nächst zu entscheiden, ob die militärischen Operationen im Innern von China ihr Ende erreicht hätten; anderen Falles müsse die chinesische Regierung zu Verlängerung der Frist berechtigt sein. — Die Commissare hatten zudem unter dem Schein kleiner Re- dactions-Aenderungen den Sinn fast aller Artikel umgestaltet und betonten von neuem, dass sie nur Handelsbestimmungen, keinen politischen Vertrag vereinbaren wollten. Nun stand wieder Alles in Frage. — Graf Eulenburg ant- wortete in derber Sprache, dass er nicht über die schon durch den Text der anderen Verträge festgestellten Artikel lange Correspon- denzen führen könne, sondern alle darin gewährten Rechte auch für Preussen verlange; nur den fünfjährigen Aufschub für Aus- übung des Gesandtschaftsrechtes und die Gleichstellung des chine- sischen Textes mit dem deutschen könne er zugestehen. Wären die Commissare zu Abschluss eines Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages nach dem Muster des englischen und des französischen ermächtigt, so könnten die nöthigen Aenderungen in wenigen Conferenzen erledigt werden; erklärten sie das Gegen- theil, so müsse der Gesandte den Prinzen von Kuṅ fragen, ob ihre Haltung seinen Absichten entspräche. In Folge dieser deutlichen Sprache sagten die Commissare sich sofort zur Conferenz an und erschienen am 12. Juli schon um 12) Nach Aufhebung aller Verbote, schrieben die Commissare, genössen alle Christen des Schutzes der chinesischen Gesetze. — Man fürchtete offenbar Unter- stützung der Tae-piṅ. 13) Dieser Artikel betraf die zollfreie Einführung chinesischer Waaren in chine- sische Häfen, welche in den anderen Verträgen nicht stipulirt war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/91
Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/91>, abgerufen am 20.04.2024.