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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVI. Neue Bedingungen.
an den Kaiser den Vertrag zum Abschluss bringen. Da Graf Eulen-
burg
aber fest blieb, so bat Tsun-luen ihn endlich, die eben be-
handelten Fragen zum Gegenstande eines amtlichen Schreibens zu
machen.

Der Gesandte erklärte nun den Commissaren schriftlich auf das
bündigste, die Frist von fünf Jahren nicht um einen Monat verlän-
gern zu wollen, und ersuchte Herrn Marques, ihnen auch mündlich
die Ueberzeugung beizubringen, dass es ernst gemeint sei, dass kein
Vertrag zu Stande kommen werde, wenn sie nicht jene Vorschläge
zur Geltung brächten. Im vertrauten Gespräch mit dem Dolmetscher
äusserten die Commissare, alle Schwierigkeit entspringe nur daraus,
dass man sich über die preussischen Forderungen anfangs nicht
klar gewesen sei. Auf die erste Eröffnung des Grafen hatte Prinz
Kun
die Gesandten von England und Frankreich über Preussens
Stellung befragt, und erfahren, dass es eine Grossmacht, sein Herr-
scher mit der Königin von England verwandt sei; auf die Frage
aber, ob wohl die Errichtung einer Gesandtschaft in Pe-kin be-
ansprucht werde, hätten die Dolmetscher geantwortet: davon sei
keine Rede. In diesem Sinne sei nach Dzehol berichtet, und
darauf die Ernennung der Commissare befohlen worden. Nun könne
man schwer dem Kaiser vorstellen, dass des Prinzen Bericht auf
Irrthum beruhe, noch schwerer aber nachträglich die Gewährung
des Gesandtschaftsrechtes erwirken.

Den Tag nach dieser Unterredung -- am dritten Juli -- lief
ein Schreiben des Grafen Kleczkowski ein, in welchem die Bedin-
gungen des Prinzen für Gewährung des Gesandtschaftsrechtes näher
bezeichnet waren: 1. sollte Preussen sich verpflichten, dieses Recht
zehn Jahre lang nicht auszuüben; 2. sollte diese Verpflichtung nicht
in einem geheimen, sondern in einem Additional-Artikel aus-
gesprochen werden, welcher in China zu publiciren sei; 3. sollte
Preussen nicht auf Accreditirung eines chinesischen Gesandten be-
stehen, wenn ein solcher nach London, Paris und Petersburg ginge;
4. sollten die Ratificationen des Vertrages nach einem Jahre in
Shang-hae durch den preussischen General-Consul und den chine-
sischen Intendanten der geöffneten Häfen ausgetauscht werden;
5. dürften aus der Installirung eines preussischen Gesandten in
Pe-kin der chinesischen Regierung niemals Kosten erwachsen;
6. dürfe der preussische Vertrag keinen Artikel enthalten gleich
denjenigen des englischen und französischen, nach welchen der

XVI. Neue Bedingungen.
an den Kaiser den Vertrag zum Abschluss bringen. Da Graf Eulen-
burg
aber fest blieb, so bat Tsuṅ-luen ihn endlich, die eben be-
handelten Fragen zum Gegenstande eines amtlichen Schreibens zu
machen.

Der Gesandte erklärte nun den Commissaren schriftlich auf das
bündigste, die Frist von fünf Jahren nicht um einen Monat verlän-
gern zu wollen, und ersuchte Herrn Marques, ihnen auch mündlich
die Ueberzeugung beizubringen, dass es ernst gemeint sei, dass kein
Vertrag zu Stande kommen werde, wenn sie nicht jene Vorschläge
zur Geltung brächten. Im vertrauten Gespräch mit dem Dolmetscher
äusserten die Commissare, alle Schwierigkeit entspringe nur daraus,
dass man sich über die preussischen Forderungen anfangs nicht
klar gewesen sei. Auf die erste Eröffnung des Grafen hatte Prinz
Kuṅ
die Gesandten von England und Frankreich über Preussens
Stellung befragt, und erfahren, dass es eine Grossmacht, sein Herr-
scher mit der Königin von England verwandt sei; auf die Frage
aber, ob wohl die Errichtung einer Gesandtschaft in Pe-kiṅ be-
ansprucht werde, hätten die Dolmetscher geantwortet: davon sei
keine Rede. In diesem Sinne sei nach Džehol berichtet, und
darauf die Ernennung der Commissare befohlen worden. Nun könne
man schwer dem Kaiser vorstellen, dass des Prinzen Bericht auf
Irrthum beruhe, noch schwerer aber nachträglich die Gewährung
des Gesandtschaftsrechtes erwirken.

Den Tag nach dieser Unterredung — am dritten Juli — lief
ein Schreiben des Grafen Kleczkowski ein, in welchem die Bedin-
gungen des Prinzen für Gewährung des Gesandtschaftsrechtes näher
bezeichnet waren: 1. sollte Preussen sich verpflichten, dieses Recht
zehn Jahre lang nicht auszuüben; 2. sollte diese Verpflichtung nicht
in einem geheimen, sondern in einem Additional-Artikel aus-
gesprochen werden, welcher in China zu publiciren sei; 3. sollte
Preussen nicht auf Accreditirung eines chinesischen Gesandten be-
stehen, wenn ein solcher nach London, Paris und Petersburg ginge;
4. sollten die Ratificationen des Vertrages nach einem Jahre in
Shang-hae durch den preussischen General-Consul und den chine-
sischen Intendanten der geöffneten Häfen ausgetauscht werden;
5. dürften aus der Installirung eines preussischen Gesandten in
Pe-kiṅ der chinesischen Regierung niemals Kosten erwachsen;
6. dürfe der preussische Vertrag keinen Artikel enthalten gleich
denjenigen des englischen und französischen, nach welchen der

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[75/0089] XVI. Neue Bedingungen. an den Kaiser den Vertrag zum Abschluss bringen. Da Graf Eulen- burg aber fest blieb, so bat Tsuṅ-luen ihn endlich, die eben be- handelten Fragen zum Gegenstande eines amtlichen Schreibens zu machen. Der Gesandte erklärte nun den Commissaren schriftlich auf das bündigste, die Frist von fünf Jahren nicht um einen Monat verlän- gern zu wollen, und ersuchte Herrn Marques, ihnen auch mündlich die Ueberzeugung beizubringen, dass es ernst gemeint sei, dass kein Vertrag zu Stande kommen werde, wenn sie nicht jene Vorschläge zur Geltung brächten. Im vertrauten Gespräch mit dem Dolmetscher äusserten die Commissare, alle Schwierigkeit entspringe nur daraus, dass man sich über die preussischen Forderungen anfangs nicht klar gewesen sei. Auf die erste Eröffnung des Grafen hatte Prinz Kuṅ die Gesandten von England und Frankreich über Preussens Stellung befragt, und erfahren, dass es eine Grossmacht, sein Herr- scher mit der Königin von England verwandt sei; auf die Frage aber, ob wohl die Errichtung einer Gesandtschaft in Pe-kiṅ be- ansprucht werde, hätten die Dolmetscher geantwortet: davon sei keine Rede. In diesem Sinne sei nach Džehol berichtet, und darauf die Ernennung der Commissare befohlen worden. Nun könne man schwer dem Kaiser vorstellen, dass des Prinzen Bericht auf Irrthum beruhe, noch schwerer aber nachträglich die Gewährung des Gesandtschaftsrechtes erwirken. Den Tag nach dieser Unterredung — am dritten Juli — lief ein Schreiben des Grafen Kleczkowski ein, in welchem die Bedin- gungen des Prinzen für Gewährung des Gesandtschaftsrechtes näher bezeichnet waren: 1. sollte Preussen sich verpflichten, dieses Recht zehn Jahre lang nicht auszuüben; 2. sollte diese Verpflichtung nicht in einem geheimen, sondern in einem Additional-Artikel aus- gesprochen werden, welcher in China zu publiciren sei; 3. sollte Preussen nicht auf Accreditirung eines chinesischen Gesandten be- stehen, wenn ein solcher nach London, Paris und Petersburg ginge; 4. sollten die Ratificationen des Vertrages nach einem Jahre in Shang-hae durch den preussischen General-Consul und den chine- sischen Intendanten der geöffneten Häfen ausgetauscht werden; 5. dürften aus der Installirung eines preussischen Gesandten in Pe-kiṅ der chinesischen Regierung niemals Kosten erwachsen; 6. dürfe der preussische Vertrag keinen Artikel enthalten gleich denjenigen des englischen und französischen, nach welchen der

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/89>, abgerufen am 29.03.2024.